T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Will Mortons kurze Zweitverwertung: »Interessante Fälle«, Neuer Buchverlag 1922
von Mirko Schädel



Heinz Bernd: Sein letzter Coup, Dresden: Neuer Buchverlag 1922, Interessante Fälle Band 1, 126 Seiten


 

Auf einem Ozeandampfer reist die amerikanische Familie des Senators Dwyer von Southampton nach New York, kurz vor der Ankunft stellt Mrs. Dwyer den Verlust ihres gesamten Schmucks fest. Der Senator benachrichtigt den Kapitän des Schiffes und es werden verschiedene Maßnahmen ergriffen um die Schmuckstücke aufzufinden, doch vergeblich. Der Senator, der mit seiner Frau und seinem Sohn unterwegs ist, will unbedingt vermeiden, daß sein Name mit der Affäre in Verbindung gebracht wird, da er durch die Berichterstattung politische Nachteile befürchtet.

Doch werden zwei Mädchen des Diebstahls bezichtigt, die Zofe Mary Williams und die Stewardess des Luxusliners, denn diese beiden jungen Damen waren unmittelbar vor dem Diebstahl noch in der Kabine von Mrs. Dwyer. Darüberhinaus scheint die Stewardess über ihren Aufenthalt in jener Nacht nicht die Wahrheit zu sagen, und so wird das verdächtige Duo in New York in Untersuchungshaft genommen.

Drei Tage später wendet sich der Vater von Mary Williams, der Zofe, an den Detektiv Will Morton, der den Fall aus alter Freundschaft übernehmen will, denn Miß Williams Vater ist ein ehemaliger Policeman und vollkommen von der Unschuld seiner Tochter überzeugt. Morton verzichtet auch auf ein Honorar und wendet sich umgehend der Aufgabe zu, den Fall aufzuklären.

Nach der Insertion eines Aufrufs, in dem Morton nach Hinweisen und Zeugen sucht, aber die Anonymität des Senators wahrt, erhält er einen anonymen Brief zugesandt, in dem Morton auf einen Deutschen namens Dr. Werganski aufmerksam gemacht wird, der angeblich den Schmuck in Besitz genommen hat.

Will Morton und sein Helfer beginnen Werganski zu observieren und erfahren recht bald, daß der Deutsche ein Berufsspieler ist, der mit einer jungen Tänzerin eines Varietes angebändelt hat. Will Morton wird klar, daß der anonyme Brief von einer abgelegten Geliebten verfaßt ist, die aus Eifersucht und Angst um Werganski bereit ist aus dem Nähkästchen zu plaudern.

Darüberhinaus wird beobachtet, daß Werganski sich mit einem jungen, eleganten Herrn getroffen und mit diesem heftig gestritten habe, jener junge Mann erweist sich als der Sohn des Senators Dwyer. Noch bevor Morton, der die Zusammenhänge des Diebstahls bereits ahnt, den Fall zur Gänze aufklärt, suizidiert sich der junge Dwyer und hinterläßt einen Abschiedsbrief in dem von seinem Verbrechen und der damit verbundenen Scham die Rede ist.

Der junge Dwyer hatte sich selbst gerichtet, da er aufgrund seiner enormen Spielschulden bei Dr. Werganski den Diebstahl an seiner Mutter begangen hatte. Die Beute gab er seinem Schuldner Wergangski, doch Dwyers Scham überwog, und so beschloß er den Schmuck zurückzufordern um seinen Diebstahl zu vertuschen – nicht zuletzt, weil er von der Inhaftierung der beiden unschuldigen, jungen Damen erfahren hatte.

Doch Wergangski hat ihn ausgelacht. Will Morton hingegen hat sich mit Hilfe von Wergangskis abgelegter Geliebter den Zugang zu Werganskis Wohnung verschafft und dort einen versteckten Tresor geöffnet, wo sich ein Großteil des gestohlenen Schmucks befindet. Darauf wartet Morton auf das Eintreffen Werganskis und bedroht diesen mit seiner Waffe, auch läßt sich Morton den Rest des gestohlenen Schmucks aushändigen – um ihn an Mrs. Dwyer zurückzuerstatten. Da Will Morton Werwanski auch mit der Tatsache konfrontiert, daß letzterer diesen Schmuck nur durch ausgemachtes Falschspiel erschlichen habe, und Werganski bereit ist ein Papier zu unterzeichnen, in dem dieser das Verbrechen gesteht – erhält Werganski als Ausgleich nur eine Art geringfügigen Finderlohn für die geraubten Schmuckstücke – und das Versprechen Will Mortons, nichts von dieser Affäre an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen – was im Interesse aller Beteiligten ist.

Noch während Morton den Schmuck zurückerstattet, trifft die Nachricht von dem Selbstmord des jungen Dwyer ein. Die beiden jungen Damen, die im Untersuchungsgefängnis geschmort hatten, werden umgehend auf freien Fuß gesetzt. Nichts von dieser Affäre dringt an die Öffentlichkeit.

Die ziemlich naiv erzählte Geschichte ist nicht so schlecht, wie ich es erwartet hatte, obwohl der Leser bereits auf den ersten fünf Seiten des Buchs erfährt, wer den Diebstahl begangen haben muß, denn ein Fingerzeig des Autors läßt dem Leser keine andere Interpretationsmöglichkeit. Zeittypisch, und mit zahlreichen Floskeln amerikanischer Umgangssprache garniert – die übrigens in Fußnoten  erklärt werden – ist der Text dennoch gut lesbar und erträglich. Vor allem das gänzliche Fehlen melodramatischer Motive und rührseliger Romantik ist erfrischend und demzufolge tröstlich.

Die Reihe Interessante Fälle, die in vier Nummern 1922 bei Neuer Buchverlag in Dresden erschienen ist, wurden von Heinz Bernd verfaßt, sind aber bereits vorher in der Reihe Kleine Detektiv-Romane. Die Abenteuer des Detektivs Will Morton bei Mignon in Dresden erschienen.

Interessante Fälle faßt jeweils zwei Heftnummern dieser Serie zusammen, die im Original unter dem Autorenpseudonym H. B. Whiteley erschienen sind. Ein paar dieser Heftnummern wurden offenbar für die neue, kurzlebige Reihe Interessante Fälle umgetitelt. Diese kurzlebige Auswahl-Reihe ist also eine Reproduktion der Kleinen Detektiv-Romane gewesen. Über den Autor und seinen Klarnamen ist mir jedoch nichts bekannt.