T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem: »Wenn der Teufel kutschiert«, 1916

von Mirko Schädel

Eufemia von Adlersfeld-Ballestrem: Wenn der Teufel kutschiert, Dresden: Max Seyfert 1916, 379 Seiten


Wenn der Teufel kutschiert, 1916, ist ein überaus witziger, unterhaltsamer, spannender und gut konstruierter Kriminalroman um die Figur des berühmten Detektivs Dr. Franz Xaver Windmüller. Dabei verwendet Adlersfeld-Ballestrem eine Montagetechnik für die vor allem viel später William Faulkner bekannt war. Sie montiert verschiedene Erzählperspektiven aneinander, die alle eine einleitende Episode wiedergeben. Nach einer kurzen, launigen Einleitung des Detektivs Dr. Franz Xaver Windmüller folgen längere erzählende Passagen der Ereignisse aus der Sicht verschiedener Figuren. Zuerst berichtet ein Backfisch namens Alix zur Linde von den Ereignissen einer Reise in die Schweiz, die als Auftakt zu dem Kriminalfall gelten muß.

Es folgt die Erzählung des ehemaligen Kindermädchens Hoppspaulchen, bürgerlicher Name Pauline Winkler, die den Fortgang der Ereignisse dokumentiert – und die vom Kindermädchen zur Sekretärin avancierte. Und anschließend berichtet noch der unrühmliche Diplomat Alexander von Sennheim, der zu ehrlich und direkt ist um in seinem Beruf erfolgreich zu sein.

Adlersfeld-Ballestrem läßt diese drei Figuren die Vorgeschichte zu den tragischen Ereignissen erzählen, wobei das alter ego der Autorin sicherlich in der ungezügelten, spritzigen Ausdrucksweise des Backfisches Alix zur Linde zu finden ist. Es macht der Autorin offensichtlich Spaß eine witzige und unkonventionelle Perspektive einzunehmen und die Figur der Alix durch die Mittel der Sprache zu illustrieren.

Die Geschichte ist für einen gewieften Krimileser etwas vorhersehbar, das ergibt sich schon aus der Konstellation der unterschiedlichen Figuren. Dr. Windmüller wird von seinem Freund Alexander von Sennheim eingeladen auf dem Lande seine Ferien zu verbringen. Windmüller möchte sich etwas von den Strapazen seines Berufs erholen.

In der Nähe leben die nächsten Verwandten der Sennheims, nämlich die Familie von Planeck. Zeno von Planeck nebst Gattin Wanda und deren Schwester Alix zur Linde. Diese drei Personen fahren gemeinsam in die Schweiz, wo sie in einem Hotel mit einer Rosaria von Planeck konfrontiert werden. Es stellt sich heraus, daß Rosaria die Gattin von Zenos Bruder gewesen sei. Denn jener Bruder war das schwarze Schaf der Familie und verbrachte seine letzten Jahre in Indien, weit entfernt vom deutschen Landadel. Dort heiratete er jedoch jene Rosaria, eine Eurasierin, die vorgibt eine echte von Planeck zu sein. Rosaria ist eine exotische Schönheit, die einfach gestrickte Herren betören könnte. Sie reist mit ihrer alten Dienerin, die sich aber später als Rosarias Großmutter, Geheimwissenschaftlerin und Nachfahrin Nena Sahibs herauskristallisiert.

Natürlich begleitet Rosaria die deutsche Familie in die Heimat, natürlich verliebt sich der kühle und etwas steife Zeno in die Braut seines verstorbenen Bruders. Alix zur Linde ist es, die von einem Verdacht heimgesucht wird, und sich an Dr. Windmüller wendet. Und letzterer entdeckt recht zügig die heimlichen Zusammenkünfte von Rosaria und Zeno, belauscht die kruden Mordpläne und erforscht die wirtschaftliche Situation der Familie von Planeck. Windmüller macht sich auch vertraut mit den testamentarischen Spitzfindigkeiten der Wanda von Planeck und ihrer Schwester Alix zur Linde.

Er erfährt, daß Zeno bereits pleite war, ehe er seine Gattin zum Traualtar führte. Darüberhinaus hat Zeno wohl auch bereits einen beträchtlichen Teil des Vermögens seiner Frau in seinen unheilvollen Spekulationen durchgebracht. Doch hat die Schwester Alix zur Linde ein ebenso großes Vermögen von ihrem Vater geerbt, und sollte sie vor Wanda unverheiratet sterben, fiele das Vermögen an Wanda von Planeck und damit indirekt in die Fänge Zenos. Alix steht jedoch kurz vor ihrer Hochzeit mit Alexander von Sennheim, ihrem Cousin.

Über weite Strecken ahnt der Leser wohin das alles führen wird. Windmüller erlauscht auch ein Gespräch zwischen der schönen Rosaria, die sich im Schloß der Planecks eingenistet hat, und Zeno, daß nämlich das Mordkomplott der beiden offenbart. Zeno ist zu feig um sich selbst die Finger schmutzig zu machen und überläßt die Mordtat an Alix zur Linde seiner Geliebten, die sich irgendeines indischen Hokuspokus bedienen will um Alix um die Ecke zu bringen.

Alix ist von Windmüller mehr als gewarnt, aber durch einen unglückseligen Zufall gerät Wanda an die indische Mordmaschine, die für ihre Schwester Alix gedacht war, und stirbt. Windmüller, statt nun die Behörden von dem Mordanschlag zu unterrichten, vertuscht das ganze Mordgeschehen, damit der Name der von Planecks nicht von einem Skandal beschmutzt wird. Der Mörderin Rosaria wird empfohlen das Weite zu suchen. Windmüller stellt ihrem Komplizen Zeno ein paar Bedingungen, er solle sich ebenfalls ins Ausland begeben und auf seinen Besitz verzichten. Er erhalte aber eine gewisse Rente um sein Leben dort in aller Ruhe fristen zu können.

Die Autorin überrascht dann aber mit einer patriotischen Fehleinschätzung, die die Reputation des in sich gehenden Zeno wieder herstellen soll. Denn nach diesen Ereignissen wird der Beginn des Ersten Weltkriegs geschildert, wo Zeno auf dem Schlachtfeld der Ehre fallen wird – und niemand wird je von dem Mordanschlag auf Wanda von Planeck erfahren. Der Name von Planeck ist unbefleckt.

Natürlich war die Autorin selbst ein Mitglied des deutschen Adels und als solche nicht nur mit den Gepflogenheiten des Standes vertraut, sondern sicherlich auch von der moralischen Überlegenheit dieser von Inzucht beeinträchtigten Gattung überzeugt. Das perfide Mörderpaar ist zwar selbst unzweifelhaft ein Teil des Adels, kann aber aus diesem Grunde auch nicht der schnöden Justiz ausgeliefert werden – um den Namen der Familie nicht in den Dreck zu ziehen. Da läßt Windmüller die Täter lieber ungeschoren oder mit einer Rente versehen ins Ausland entkommen. Die Vorstellung, daß ihresgleichen im Gefängnis schmachtet, scheint Eufemia nicht sehr gefallen zu haben.

Auch die Kriegsbegeisterung und Siegesgewissheit der Autorin am Schluß des Romans ist nicht nur eine riesige Fehleinschätzung, sondern hängt sicherlich mit der Auffassung der Mehrheit ihrer Zeitgenossen innerhalb des deutschen Adels zusammen. Der Roman ist ja mitten in der Kriegszeit veröffentlicht worden, und insofern war weder der Kriegsverlauf vorhersehbar, noch das Elend des deutschen Adels nach 1918 – und selbst der Pöbel des deutschen Kulturbetriebs war von Kriegsbegeisterung geradezu besoffen.

Es finden sich auch rassistische Stereotypen und ein antisemitisches Motiv in diesem Roman, allerdings sind diese kleinen Sticheleien zu vernachlässigen, haben sie doch keinen hetzerischen oder gehässigen Charakter, sondern reihen sich ein in ein typischen Phänomen der Zeit, das bei vielen Menschen damals häufig ausgeprägter und bösartiger war.

In gewisser Weise erinnert Wenn der Teufel kutschiert mit seinen witzigen und großherzigen Figuren an die Arbeiten von Mrs. Henry Wood, wie zum Beispiel dem Roman Roland York oder dessen Fortsetzung Die Channings. Der wahre Adel besteht doch in den unabänderlichen Tugenden wie Ehrlichkeit, Fleiß und Mitgefühl – und wenn man Adlersfeld-Ballestrem und Mrs. Henry Wood richtig verstanden hat, gehört auch der Humor als notwendige Medikation gegen Schwermut dazu.