T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Robert Heymann: »Sergeant Pucks Abenteuer. 3. Band. Erlebnisse eines Vielgereisten«, um 1906
von Mirko Schädel



Robert Heymann: Sergeant Pucks Abenteuer (3. Band) Erlebnisse eine Vielgereisten, Gotha: Verlagsanstalt und Druckerei H. Bartholomäus um 1906, Kollektion R. Heymann Band 8, 129 Seiten


Robert Heymanns Sergeant Pucks Abenteuer ist ein kolportageartiger Kriminalroman, der allerdings recht gut geschrieben ist und qualitativ an Heymanns Stagart-Erzählungen erinnert. Sergeant Puck, ein deutscher Soldat, hat es nach San Francisco verschlagen, wo ihm gemeinsam mit der göttlichen Vorsehung ein Schlag gegen die Verbrecherwelt gelingt. Puck, der sich in einem reichen Haushalt als Gärtner verdingt, wird eines Tages von der Tochter des Hauses, einer Miß Smith, gebeten einen Brief in die städtische Irrenanstalt zu transferieren.

In jener Irrenanstalt wird nämlich gegen den eigenen Willen ein junger Mann namens Joungfield festgehalten, der der Geliebte der jungen Miß Smith ist. Nur ist der Direktor dieser Anstalt, Professor Holvarth, ein Schurke von ausgesprochen häßlichem Äußeren, der genauesten über den durchaus gesunden Geisteszustand seines Patienten weiß – und der also als Unterstützer dieser Intrige gelten kann.

Puck gelingt es durch einen Trick in die Irrenanstalt zu gelangen und den Brief an den jungen Joungfield zuzustellen, doch wird er in der Folge abgepaßt und landet selbst in einer der Zellen, wo er nun einige Wochen zubringt, bis er auf abenteuerliche Weise die Flucht antritt. Er kratzt die Fugen des Mauerwerks mit seinem Taschenmesser aus, und vor dem Tor der Anstalt wird er noch in eine Rauferei verwickelt, bevor man ihm aufgrund eines neuerlichen Tricks das Tor öffnet.

Doch auf der Straße begegnet er seinem Doppelgänger, der allerdings der ältere Bruder des jungen Joungfield ist, der noch immer als Insasse der Anstalt auf seine Befreiung hofft. Diesen Herrn knöpft sich Puck vor, schleppt ihn in das Haus seiner Gebieterin und bindet ihn. Doch dort angekommen erfährt er, daß seine Miß Smith von ihm selbst entführt wurde – also von seinem Doppelgänger, dem älteren Joungfield. Als er diesen befragen will stellt er fest, daß weitere Angestellte der Millionärsvilla in die Intrige involviert sind und diese den Mann befreit haben. Puck flieht aus dem Haus und verändert sein Äußeres, dann fällt ihm nur ein, daß eine Freundin seiner Herrin in der Nähe wohnt – und er beschließt diese ins Vertrauen zu ziehen und um Hilfe zu bitten. 

Miß Symour hört sich die abenteuerlichen Ereignisse Pucks geduldig an und bittet ihn einen Augenblick zu warten, sie müsse kurz etwas erledigen. Nach einiger Zeit öffnet sich die Tür und Miß Symour präsentiert Puck ein Dutzend Mädchen, die alle als Freundinnen von Miß Smith gelten können, und sie erklärt Puck, diese jungen Damen würden ihr Leben opfern um Miß Smith aufzuspüren und zu befreien. Anfangs skeptisch, doch dann langsam im Gespräch mit den Damen auftauend, beschließt Puck das Angebot der Damenwelt anzunehmen, und so verfügt Puck nicht nur über das nötige Kleingeld, sondern auch über ein Dutzend reizender Hilfsdetektive.

Puck beschließt das Personal der Smith’schen Villa zu überwachen, zu diesem Zweck heuert er in einer Maskerade als Maurer auf einem Nachbargrundstück an. Schon bald entdeckt er die verdächtigen Dienstboten und beschattet diese. Die beiden Verdächtigen schlendern sehr vorsichtig in Richtung Chinesenviertel. Auch einige der jungen Damen betätigen sich als Beschatter des älteren Joungfield.

Nach einigem hin und her, gelingt es Puck den Unterschlupf der Verbrecher aufzuspüren, er läßt sich darüberhinaus drei der Mädchen schicken, die allesamt mit Revolvern bewaffnet sind und als echte Amerikanerinnen natürlich zu schießen verstehen.

Dieser Unterschlupf ist selbstverständlich eine chinesische Opiumhöhle luxuriöser Machart, gleichzeitig ein Rückzugsort der übelsten Verbrechertypen. Puck und seine drei als englische Rowdys verkleidete Damen rauchen etwas Opium, gegen Abend erwacht Puck, neben sich die bereits ausgeschlafenen Damen. Leider haben die vier Detektive jedoch ihre Verdächtigen aus den Augen verloren. Doch im fein ausgestatteten Saal des Etablissements sehen sie noch den älteren Joungfield nebst dem Direktor der Irrenanstalt Prof. Holvarth. Joungfield streift sich gerade seinen Mantel über und tritt auf die Straße, während unsere Damenriege und Puck dem Verbrecher auf dem Fuße folgen. Doch ist der Mann bereits aus dem Blickfeld verschwunden und Puck wundert sich. Als die vier die Straße entlanggehen, werden sie auf ein Licht aufmerksam, das aus dem Keller eines buddhistischen Tempels dringt. Puck und die Damen wenden sich zu jenem Tempel, und unser Held kniet nieder und erkennt durch eine Kellerluke die entführte Miß Smith, und die zwei bestochenen Dienstboten aus der Smith’schen Villa nebst dem Hauptganoven, den älteren Bruder Joungerfield.

Sie können sogar die Drohungen vernehmen, die Joungerfield gegenüber Miß Smith äußert. Miß Smith solle ihn, statt seinen jüngeren Bruder, heiraten, dann würde sie ein beschauliches Leben führen – ansonsten würde man sie in den Leichenkeller stoßen – und einer der Dienstboten öffnet eine Falltür zu einem Loch, an deren Grund mehrere Leichen zu liegen scheinen.

Puck gerät außer sich, wie auch seine drei neuen Freundinnen und sie beschließen sofort zu handeln. Tatsächlich gelingt Puck und seinen Mädchen der Überraschungsangriff, in deren Folge Joungerfield und ein Helfershelfer in das Kellerloch gestoßen werden. Ein weiterer Verbrecher wird erschossen. Miß Smith und ihre vier Befreier treten die Flucht an, sie müssen sich gegen immer mehr heranströmende Chinesen zur Wehr setzen, und sehen sich schon in der Gefahr von diesen Menschenmassen überwunden zu werden – doch just in diesem Moment beginnt ein verheerendes Erdbeben, das Chinatown und die gesamte Stadt in Schutt und Asche legt.

Es gibt auch noch eine Art Nachschau der Ereignisse, doch das ist im Kern die Geschichte. Naturgemäß wird auch der jüngere Joungerfield noch aus der Irrenanstalt von Puck höchstpersönlich befreit, und die beiden Verliebten können endlich heiraten.

Die Geschichte ist eine zutiefst hanebüchene, aber amüsante Kolportage, die im Gegensatz zu den Büchern Abenteuer des Marquis Montequieu und Mr. Saunders Doppelleben ganz gut geschrieben wurde – ohne den schwülstigen Pathos – Pathos etwas schwülstiger Art gibt es auch hier, jedoch in kleinsten Dosen, so daß dies gut verträglich ist. Der ganze Sprachduktus wird eher nüchtern und in einem angenehmen Erzählton präsentiert. Die Geschichte selbst ist derart lächerlich, daß ich schmunzeln mußte, aber ich habe sie mir ganz gut gefallen lassen. Die Idee der wehrhaften Damenriege hat mir außerordentlich gut gefallen, derartiges ist in den alten Kriminal- und Kolportageromanen eher selten. Und Assoziationen zu Emma Peel in The Avengers werden geweckt.

Selbstredend ist Puck ein  d e u t s c h e r  Soldat, und als solcher mit allen deutschen Tugenden gesegnet – und dementsprechend den Amerikanern immer einen gewaltigen Schritt voraus. Zum Beispiel seine deutsche Backpfeife, die jeden Amerikaner aus den Schuhen haut. Und selbstredend ist Heymann ein Autor, der aus seinem Erzählkonstrukt der Detektiverzählung nicht mehr herauskommt, er verfällt geradezu in dieses Genre, er kann nichts anderes.