T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

A. von Klinckowström: »Der Giftschatz«, 1924
von Mirko Schädel



A. von Klinckowström, das ist Axel Freiherr von Klinckowström: Der Giftschatz, Dresden und Leipzig: Moewig & Höffner 1924, Kriminalromane aller Nationen Band 97, 192 Seiten


Baron Axel Alexander Camille Rudolf Emanuel Klinckowström, 1867–1936, war ein schwedischer Forschungsreisender, Zoologe und Schriftsteller. Der Giftschatz, 1924, ist ein gemütlicher, atmosphärisch dichter und typisch schwedischer Spionageroman, der von zwei feindlich gesonnenen Kräften handelt, zum einen dem englischen Geheimdienst, zum anderen die russischen Bolschewiken, die an den Geheimnissen eines jüdisch-schwedischen Toxikologen interessiert sind.

Die russischen Agenten werden verkörpert von der rätselhaften Olga Radeck als der Kopf der Bande, und einem finnischen Raubein, der in bolschewistischen Diensten steht. Der Held des Romans namens Gordon Bennel steht im Dienst des Secret Service und ist jenen Machenschaften der Olga Radeck auf der Spur. An Gordons Seite steht die spanische Varietetänzerin Rita de las Torres, die einer antibolschewistischen, katholischen Verbindung angehört, sowie Gordons schwedischer und übergewichtiger Freund Baron Fabian Klewenhüller, der zwar recht unbeweglich und gemütlich ist, dafür aber umso wendiger mit seinem Intellekt.

Olga Radeck hat sich leidenschaftlich an den Konsul Viborg herangeschranzt. Viborg ist ein Freund der Deutschen, doch ein Gentleman durch und durch. Er ahnt nicht, daß seine Geliebte Olga einen Grund für ihre Annäherung hat, denn Viborg besitzt ein schnelles Motorboot, das in den Schären, unweit seines Sommerhauses vertäut ist.

Als der dicke Klewenhüller erfährt, daß Olga offenbar Kontakt zu seinem alten Freund Semmy Rubin aufgenommen hat, wittert ersterer Unheil. Er bringt in Erfahrung, womit sich der Privatdozent Rubin gerade beschäftigt und und erneuert seine Freundschaft zu diesem Wissenschaftler und Forscher. Klewenhüller erfährt, daß Olga als eine Art Praktikantin oder Assistentin bei Rubin arbeitet – und daß Rubin seit einer großen Erbschaft sich vollständig in die Wissenschaft der Toxikologie gestürzt hat. Rubin zeigt Klewenhüller sein privates Laboratorium und seinen ganzen Stolz: Den Giftschatz. Eine umfangreiche Vitrine voller Gefässe, die die gefährlichsten Giftstoffe enthalten.

Klewenhüller ahnt, daß Olga bereits mitten in der Planung und Durchführung steckt diesen Giftschatz in ihren Besitz zu bringen. Auch die von Rubin erfundene Giftpistole dürfte für die Bolschewisten von Interesse sein. Es handelt sich dabei um eine Art Pistole, die Giftphiolen aus Stahl dem Gegner unter die Haut applizieren kann. Das von dieser Phiole getroffene Opfer ist vollkommen gelähmt, in einer totenähnlichen Starre und kann nur von Rubin durch ein geeignetes Gegengift aus diesem bedauerlichen Zustand befreit werden.

Während Gordon und seine spanische Freundin den Konsul Viborg in seinem Sommerhäuschen in den Schären beschatten, gelingt es Olga während der Abwesenheit Semmy Rubins den Giftschatz zu stehlen und diesen in das Sommerhaus ihres Liebhabers zu schaffen. Dort kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen Viborg und Gordon Bennel, ein ehrlicher Kampf Mann gegen Mann, doch als Gordon seinen Widersacher niederschlägt, erscheint unvermutet die schöne Olga mit der Giftpistole und schießt, in der Folge sackt Gordon gelähmt in sich zusammen und verharrt in einem todesähnlichen Zustand.

Langsam dämmert es dem Konsul Viborg, daß seine hübsche Freundin ihn wohl nur benutzt hat. Doch noch läßt er sich willig von Olga manipulieren. Als Olga jedoch die vermeintliche Leiche, nämlich den gelähmten Gordon, auf einem nackten Felsen der Schären aussetzen will, und Olga sich von Rachegefühlen hingerissen zu dem Hinweis versteigt, daß Gordon Bennel gar nicht tot sei, sondern lediglich gelähmt, und dieser auf dem Felsen langsam von den Raubvögeln gefressen werde, regt sich Viborgs Widerstand – er schwingt sich auf den nackten Felsen, der umbrandet vom Meer einsam im Meer liegt, und versucht Gordon zurück aufs Schiff zu schaffen. Doch Olga läßt das Boot abfahren, und Viborn und der scheintote Gordon bleiben zurück.

Gordons spanische Freundin jedoch hatte von einem kleinen Ruderboot aus mitangesehen, wie Gordon zusammenbrach und war auch über den Raub des Giftschatzes informiert. Sie ruderte nach Abfahrt der Gauner durch die nächtliche See um Rettung zu holen.

Es kommt naturgemäß zu einer abenteuerlichen Verfolgungsjagd durch die Schären, doch Olga und ihre zwei Helfershelfer können entkommen. Dafür aber gelingt es den scheintoten Gordon und Konsul Viborg von dem Felseneiland zu retten. Der Gelähmte wird umgehend zurück in die Stadt zu dem Privatdozenten Rubin geschafft, wo man ihn mit dem Gegengift, einer Sauerstoffmaske und einer Massage – ausgeführt durch Konsul Viborg – versorgt. Langsam weicht der totenähnliche Zustand, und nach einiger Zeit erwacht Gordon aus seinem Schönheitsschlaf.

Die kleine Spanierin de las Torres wacht an Gordons Krankenbett, ihrem zukünftigen Gatten. Und als Rubin bedauernd feststellt, daß sein Lebenswerk, jener ominöse Giftschatz wohl verloren ist, schmunzelt der dicke Klewenhüller und gesteht, daß er die Giftstoffe alle im Laboratorium in einem Schrank versteckt habe und stattdessen ungefährliche Stoffe umetikettiert an deren Stelle gelegt habe – denn er ahnte den Plan Olgas schon lange bevor jeder andere auch nur einen Gedanken daran verwendete.

Als Rubin eines Abends Klewenhüller stolz seinen Giftschatz und sein Laboratorium gezeigt hatte, und letzterer von dessen Beziehung zu Olga erfuhr, sprachen die beiden Freunde eifrig dem Alkohol zu. Klewenhüller nutzte einen Vorwand um bei Rubin zu übernachten, und während Rubin betrunken ins Bett fiel, arbeitete Klewenhüller die Nacht über daran den Giftschatz im Laboratorium zu verstecken.

Der Roman ist in seiner Konzeption etwas naiv, gleichzeitig aber nicht unintelligent. Die Bolschewiken werden zwar als Ungeheuer dargestellt, aber die Gegenpartei ist durchaus nicht reaktionär, sondern hängt der Idee von Weltoffenheit und Demokratie an und hält nichts von Nationalismus und Fanatismus. Der Roman erinnert in weiten Teilen dem hier bereits erwähnten Buch von F. W. Richter mit dem Titel »Die rätselhafte Melodie«.