T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Erle Stanley Gardner: »Ein Blick zurück«, 1937
von Mirko Schädel



Erle Stanley Gardner: Ein Blick zurück, Wien: E. P. Tal 1937, Die rot-blauen Bücher Band 27, 216 Seiten, Schutzumschlag von Otto Huter


Erle Stanley Gardner, 1889–1970, war ein amerikanischer Schriftsteller. Bis 1933 arbeitete er vorwiegend als Rechtsanwalt, danach widmete er sich dem Schreiben. Seine Figur des Perry Mason, ein Rechtsanwalt, der für seine Klienten durchs Feuer geht und sich auch als Ermittler betätigt, war und ist bis heute populär.

Außerordentlich rasant und spannungsgeladen wird uns der Roman Ein Blick zurück, 1939, erzählt, in dem Perry Mason als ein Bindeglied zwischen traditionellem Detektiv und dem modernen hard boiled-Detektiv zu betrachten ist. Tatsächlich kann man Mason nichts vormachen, er durchschaut die Lügengewebe, die ihm die verschiedenen Protagonisten vorgaukeln, gleichzeitig bedient sich der Roman der amerikanischen Umgangssprache, die recht gut ins Deutsche übertragen wurde. Eingeführt wird Mason jedoch als ein muskelbepackter Rammbock und weist damit auf eine neue Gattung von Detektiven hin, die erst in den 1940er Jahren langsam den Kriminalroman dominierten.

Eine junge Dame, die sehr beherrscht und souverän ist, läßt sich bei Mason wegen einer Erbschaftsangelegenheit melden. Sie informiert sich bei Mason über die Möglichkeiten eine bestimmte Klausel eines Testaments juristisch anzufechten. Frances Celanes, so heißt die junge Millionärs-Erbin, möchte heiraten, doch ihr Vater ist vor zwei Jahren verstorben und hat ein Testament hinterlassen, daß ihr eine Heirat vor ihrem 25. Lebensjahr unmöglich macht, sie ist aber erst 23 Jahre alt – und müßte, falls sie vorher heiraten sollte, auf ihr Erbe verzichten.

Der Testamentsvollstrecker ist Frances Onkel Edward Norton, doch mit dem scheint nicht gut Kirschen essen zu sein. Mason wird von Frances und dem Geschäftspartner ihres Onkels dazu überredet mit Mr. Norton persönlich zu sprechen. Doch das Gespräch, das am selben Abend stattfindet ist sehr unbefriedigend und endet mit dem Hinauswurf Perry Masons.

Kurz darauf entdeckt Mason nicht nur, daß Frances bereits verheiratet ist, sondern erfährt auch telefonisch von der Ermordung Mr. Nortons. Mit dem Tod Edward Nortons endet nicht nur die Nachlaßverwaltung Nortons, so daß Frances ihr gesamtes Erbe ausgezahlt bekommt unabhängig von ihrer Verheiratung, sondern sie erbt überdies noch das große Vermögen ihres Onkels, und das macht sie natürlich äußerst verdächtig, wenn man an ein mögliches Tatmotiv denkt.

Obwohl man den betrunkenen Chauffeur der Villa Nortons für den Mörder hält, schwenkt das Interesse der Polizei mehr und mehr auf Frances als Tatverdächtige um – auch die Lügengeschichte ihres Alibis wird absolet, so daß Mason als ihr Anwalt sie vorerst heimlich in ein Sanatorium schaffen läßt um sie zu schützen.

Doch dieser Schachzug bewahrt Frances keineswegs vor einer Verhaftung, und auch ihr heimlicher Gatte kommt in Haft. Alles spricht gegen das junge Paar und schon bald wird die Verhandlung eröffnet. Bis fast zum Schluß verläuft der Prozeß außerordentlich niederschmetternd und deprimierend für Masons Klienten. Die Geschworenen, aber auch die gesamte Öffentlichkeit ist bereits von der Schuld des Paares überzeugt, denn es spricht wirklich alles gegen sie. Im allerletzten Moment überrascht Mason vor Gericht das Publikum, denn er kann eine zweite, vollkommen andere Version des Mordfalls entwickeln, und zwar so überzeugend, daß die Stimmung sich vollkommen dreht und die zwei Mordverdächtigen umgehend als freie Menschen das Gerichtsgebäude verlassen können.

Der Roman ist ausgezeichnet, ein reiner Genuß von nervenzerreißender Spannung und lebt von der sicheren psychologischen Führung seiner Figuren, die Gardner mit Witz und Esprit agieren läßt. Gardner gelingt es seinen Figuren Leben einzuhauchen, und vor allem die Sympathien und Antipathien des Lesers wie ein Orchester zu dirigieren.