T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

James Hilton: »Ein zweiter Unglücksfall?«, 1937
von Mirko Schädel



James Hilton: Ein zweiter Unglücksfall?, Wien: E. P. Tal 1937, Die rotblauen Bücher Band 6, 208 Seiten


Ein zweiter Unglücksfall? ist ein spannender und überaus routiniert geschriebener whodunit voll von englischer Provinzatmosphäre, der im Internatsmilieu spielt. Die Übersetzung holpert etwas, so daß der Text sicher in dieser Übersetzung etwas an Charme verloren hat.

Colin Revell wird vom Schulleiter seiner alten Schule zu Hilfe gebeten. In dem Internat, in dem Revell selbst vor Jahren seinen Schulabschluß absolvierte, wurde ein Schüler auf tragische Weise getötet. Der Schüler lag in der Nacht im Schlafsaal in seinem Bett und wurde von einem herabfallenden Gasarm erschlagen.

Der junge, sympathische Schulleiter Roseveare scheint den Verdacht zu hegen, daß es bei diesem Unfall nicht ganz mit rechten Dingen zuging. Da Revell schon einmal in einem Kriminalfall eine bedeutende Rolle als Amateur-Detektiv gespielt hatte und er als ehemaliger Schüler des Internats mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut ist, kam Roseveare die Idee Revell als behutsamen Spitzel wirken zu lassen.

Der Schüler Robert Marshall starb an den Folgen jenes herabstürzenden, aus der Zimmerdecke herausgelösten Metallgegenstandes, er war sofort tot. Doch niemand weiß genaueres über diesen Unfall, selbst William Marshall, der ältere Bruder Roberts, der ebenfalls Schüler in dem Internat ist, weiß kein Licht ins Dunkel zu bringen. Weder der unsympathische Lehrer Mr. Ellington noch seine reizende Gattin Rosamund können etwas zur Erhellung des Ereignisses beitragen.

Lediglich Mr. Lambourne, ein sympathischer, jedoch etwas absonderlicher Lehrer, scheint ebenfalls den Verdacht zu hegen, daß der junge Marshall ermordet wurde. Er verdächtigt sogar seinen Kollegen, jenen brummigen, unsympathischen Mr. Ellington, der jene attraktive, viel zu junge Frau geheiratet hatte – und der ein Verwandter der Marshalls ist.

Doch Revell findet nicht einen Beweis für seine kruden Theorien und reist eines Tages unverrichteter Dinge zurück nach London in seine Junggesellenabsteige. Als jedoch wenige Monate darauf William Marshall, der Bruder des ersten Opfers, zu Tode kommt, gerät Revell außer sich und reist umgehend zurück nach Oakington um auch diesen vermeintlichen Unfall zu untersuchen.

Als auch noch Mr. Cannell von Scotland Yard in Oakington eintrifft und Revell zum Teil ins Vertrauen zieht, werden die Verdachtsmomente gegenüber Mr. Ellington fast zur Gewißheit, denn die beiden verstorbenen Schüler hinterlassen Ellington ihr gesamtes Vermögen, da er der einzige Verwandte der beiden Jungen ist.

Dennoch gelingt es keinem für diese Mordtheorien Beweise zu sammeln. Alle Bemühungen der Detektive scheitern. Nur die Exhumierung Williams bringt Gewißheit, daß es sich um einen Mord handelt, denn in Williams zerschlagenen Schädel findet sich ein Projektil. Kurz darauf stirbt der etwas bizarre Mr. Lambourne unter seltsamen Umständen, jener Lehrer, der von Anfang an Mr. Ellington in Verdacht hatte die Morde durchgeführt zu haben. Mr. Lambourne starb an einer Überdosis Veronal, aber kurz vor seinem Tod soll er Mrs. Ellington ein Geständnis gemacht haben – er habe die beiden Schüler ermordet. Die Motive bleiben jedoch im Unklaren und es bleibt fragwürdig, ob Mr. Lambourne Selbstmord begangen oder aus Versehen eine Überdosis zu sich genommen hat.

Revell, der sich in die attraktive Mrs. Ellington verguckt hatte, scheint nur noch damit beschäftigt zu sein deren Gatten zu belasten – und er gefällt sich darin, sich vorzustellen, wie er seine Zukunft mit Mrs. Ellington gestaltet, wenn ihr Gatte endlich entlarvt und verurteilt ist.

Liebe macht blind, sagt das Sprichwort, und so bemerkt der verliebte Detektiv nicht, wie Mrs. Ellington ihn außerordentlich geschickt aushorcht. Da Revell aber eitel genug ist, sich vor der Dame als genialer Detektiv aufzuspielen, sind seine den Mordfall betreffenden Informationen gegenüber Mrs. Ellington äußerst vage und bedeutungsschwanger.

Mrs. Ellington muß aus diesen Worten den Eindruck gewonnen haben, daß Revell kurz davor ist das große Geheimnis der Morde zu lüften, und dies scheint Mrs. Ellington derart in Angst zu versetzen, daß sie sich in jener Nacht zum Äußersten aufschwingt. Sie beschließt Revell zu ermorden. 

Nur das unerwartete und energische Auftreten Cannells, des mit dem Fall betrauten Scotland Yard-Beamten, vereitelt den Mordanschlag und verhaftet Mrs. Ellington. Auch jetzt reichen die Beweise nicht aus um die Morde Mrs. Ellington nachzuweisen, aber sie verliert angesichts der Ereignisse die Nerven und gesteht ihre Verbrechen.