T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Karl Schmidl: »Stefan Stornishs schwerster Fall«, 1904
von Mirko Schädel



Karl Schmidl: Stefan Stornishs schwerster Fall, Leipzig: Hans Müller [1934], Die spannenden Magnet-Romane, 268 Seiten


Hermynia Zur Mühlen hat unter ihrem Pseudonym Lawrence L. Desberry derart überzeugend »amerikanische« Kriminalromane veröffentlicht, daß ich einige Jahre dem Irrtum aufgesessen bin, daß es sich tatsächlich um einen recht unbekannten amerikanischen Autor names Desberry handeln müsse. Das liegt natürlich an der umfangreichen Übersetzungsarbeit Zur Mühlens von Autoren wie Upton Sinclair, so daß die Übersetzerin ungemein vertraut wurde mit den amerikanischen Verhältnissen, und diese derart täuschend nachzuahmen pflegte, daß mein diesbezüglicher Irrtum wohl einigermaßen zu entschuldigen ist.

Bei Karl Schmidls Roman Stefan Stornishs schwerster Fall bin ich nach meinem Ermessen sicher, daß es sich um einen amerikanischen Roman handeln muß, den dieser vollkommen unbekannte Karl Schmidl wohl übersetzt und bearbeitet haben wird. Vermutlich ist aber auch der fingierte Autor Karl Schmidl ein Pseudonym, damit so gut wie alle Spuren auf Verfasser und Übersetzer verwischt werden.

Stefan Stornishs schwerster Fall ist ein exotistischer Abenteuer- und Kriminalroman, der in Florida und Yucatan spielt – und stark an die Werke von Charles Henry Cannell erinnert. Stornish ist ein Detektiv, der in New York lebt, und von Viola de Clauderisse aus Florida um Hilfe gebeten wird, da ihr Bräutigam Camille Ossees in den Urwäldern Yucatans vermißt wird. Camille befand sich auf einer Forschungsreise zu der legendären Maya-Kultur, scheint sich aber bezüglich seiner Heimkehr verspätet zu haben.

Stornish eilt mit seinem Faktotum Dick nach Florida, wo er sich unsterblich in Viola verliebt. In Florida entdeckt Stornish Spuren eines großangelegten Alkoholschmuggels – in der Zeit der Prohibition – und bereitet die Abreise nach Yucatan vor um Camille zu suchen. Viola, Camilles Braut, will an dieser Suche teilnehmen und ist von ihrem Entschluß nicht abzubringen. Um es kurz zu machen, Violas Nachbarn, nämlich die Geschwister Iris und James Wellesley, spielen auch eine gewisse Rolle in diesem melodramatischen Spiel.

Die kleine Expedition setzt sich Richtung Yucatan in Bewegung, dort landet die kleine Gruppe in einer langweiligen Hafenstadt, von wo die Reise in den Regenwald fortgesetzt wird. Das Ziel ist die Stadt der Toten, einer Maya-Kultstätte. Stornish bemerkt, daß sie von einem Latino beschattet werden, doch gelingt es ihm nicht diesen zu stellen.

Der engagierte Führer unserer kleinen Expedition wird nach einigen Tagen von einem Giftpfeil dahingerafft. Bald darauf nehmen Stornish und sein Faktotum Dick einen Indio fest, dieser erklärt glaubhaft auf spanisch, daß Camille in der Totenstadt in einem Maya-Tempel festgehalten wird von einer Gruppe von weißen Verbrechern.

Der Führer der Expedition mußte sterben, weil er Teil der Intrige gewesen sei, und er die Gruppe ins Verderben führen sollte. Der Indio führt die Expedition in die Nähe der Totenstadt, wo bereits etliche Indios sich sammeln um die Weißen zu töten, die offenbar die Regeln des Mayakultes mit Füßen getreten hatten.

Stornish wird von diesem Indio in die Nähe der lagernden Gringos geführt, wo er einigen Gesprächen lauschen kann aus denen hervorgeht, daß James Wellesley einer der Alkoholschmuggler sei, der seine Kumpanen darum gebeten hat Camille zu töten, da dieser James Wellesley den Plan verfolgt Viola zu heiraten. Zurück im Lager des Expedition befällt Stornish ein Fieber, das er mittels eines Trankes des Indios einigermaßen in Schach halten kann. Die Expedition soll warten, bis die Indios ihre Aufgabe erledigt haben. Kurze Zeit später ist die Verbrecherbande ausgelöscht, Camille wurde befreit und die Expedition reist heimwärts. Stornish hält sich bedeckt, wenn es um die Hintergründe dieser Entführung geht.

In Florida läßt Stornish die Geschwister Wellesley auffliegen und deckt ebenso den Alkoholschmuggel wie den Mordversuch an Camille auf. Doch Stornish, mittlerweile zurück in New York, verstirbt an den Fieberanfällen, die er sich in den Regenwäldern von Yucatan zugezogen hat.

Der Roman ist routiniert geschrieben und der Autor verwendet geschickt exotistische und rätselhafte Versatzstücke um die Spannung zu halten. Die ganze Geschichte ist zu sehr mit den amerikanischen Verhältnissen vertraut, um auf einen deutschen Autor zu schließen. Auch die Beschreibungen des Regenwaldes oder der mexikanischen Städte, aber auch das Lebensgefühl Floridas sind überzeugend dargestellt. Ich vermute, daß auch die Namen der Protagonisten in der Übersetzung verändert und damit der Ursprung des Romans akribisch verschleiert wurde. Von dem fingierten Autor Karl Schmidl gibt es keinerlei Nachweise einer weiteren Veröffentlichung.