T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Guy Boothby und der sinistre, hypnotische Dr. Nikola und seine schwarze Katze
von Robert N. Bloch






Zum internationalen Bestseller wurde eine Serie von fünf Romanen um den sinistren Schurken Dr. Nikola, einem Vorläufer von Sax Rohmers Dr. Fu Manchu, A Bid For Fortune (1895), Dr. Nikola (1896), The Lust Of Hate (1898), Dr. Nikola’s Experi­ment (1899) und »Farewell Nikola« (1901). Dr. Nikola, ein mephistophelisches Genie des Verbrechens, ist ein schlanker, schöner Mann in den Dreißigern, reich, kultiviert, mit allen Weltgegenden vertraut und ein überragender Wissenschaftler. Er besitzt hypnotische Kräfte und studiert Hexerei und Okkultismus, beschäftigt sich mit experimenteller Medizin und verfügt über Geheimmittel, die beinahe jede Krankheit heilen können. In Port Said unterhält er ein Institut mit Monstrositäten verschiedenster Art. Er wird begleitet von einer schwarzen Katze und verlangt von seinen Anhängern totale Unterwerfung. Er vereinigt in sich alle Aspekte des überlegenen, heldenhaften Schurken, ebenso wie Fu Manchu oder Fantômas, und wie Fu Manchu macht er in der Folge der Bücher eine Läuterung durch. Die Geschwindigkeit, mit der Boothby seine Schocker produzierte, drückt sich in der nachlässigen Schreibweise aus, gerade die Nikola-Romane strotzen vor Implausibilität, dagegen ist sein Erfindungsreichtum phänomenal.

In A Bid For Fortune gerät der junge Australier Richard Hatteras in Konflikt mit Dr. Nikola wegen eines chinesischen Zauberstäbchens, das große Macht in China be­sitzt. Die Handlung pendelt zwischen England und Australien und besteht aus Be­trügereien, Verschwörungen, Entführungen und Kämpfen, bis Dr. Nikola sein Ziel erreicht hat. Stets sind seine Gegner den ungewöhnlichen Kräften des Doktors hilf­los ausgeliefert.

Dr. Nikola schildert, wie Nikola und sein Freund Bruce, verkleidet als buddhistische Mönche, ein geheimes Kloster in Tibet aufsuchen. Wegen des Zauberstäbchens werden sie vertrauensvoll eingelassen, und der oberste Lama führt ihnen das Große Arcanum vor, womit Todkranke geheilt und selbst Tote wiedererweckt werden kön­nen. Bevor Nikola in das Geheimnis eingeweiht werden kann, denunziert sie ein Mönch. Sie werden eingekerkert und sollen nach einer Vivisektion über eine Klippe geworfen werden. Selbstverständlich gelingt die Flucht, und Nikola stiehlt noch dazu die geheimen Drogen des Arcanums sowie Sanskritpergamente mit den Herstellungsformeln.

In Dr. Nikola’s Experiment wendet Nikola die Geheimnisse, die er in Tibet gestoh­len hat, an einem senilen Alten an. Es gelingt ihm zwar, durch Drogen, Salben und elektrische Apparate den Körper zu verjüngen, doch der Geist verkümmert zu dem eines Affen.

Farewell Nikola beschreibt einen milde gewordenen Nikola, der sich in Venedig niedergelassen hat und mit seinem einstigen Gegner Hatteras Frieden schließt. Es wird enthüllt, daß Nikola einer alten venetianischen Familie entstammt. Er will sich an einem Spanier rächen, der ihn als Kind sadistisch mißbrauchte. Er hat den Geist des Spaniers unter seine Kontrolle gebracht und quält ihn durch Visionen, die er mittels eines ins Feuer gestreuten Puders hervorruft. Doch seine bessere Natur siegt, er entläßt den Spanier aus seiner Gewalt und zieht sich zu einem einfachen Leben in ein buddhistisches Kloster zurück.

Ein bemerkenswerter phantastischer Roman außerhalb der Nikola-Serie ist Pharos The Egyptian (1899). Pharos ist ein dreitausendjähriger ägyptischer Magier, der einen jungen Engländer mit der Pest infiziert und dadurch halb Europa ausrottet. Die tragische Liebesgeschichte des machtlosen Helden zu dem wunderschönen Mündel des Ägypters, beide in mentaler Abhängigkeit von ihm, bildet den Gegenpol zu den Schrecknissen unter den Pyramiden.

Weitere phantastische Romane Boothbys sind The Curse of the Snake (1902) und A Crime Of 'The UnderSeas (1905). Seine phantastischen Erzählungen sind gesam­melt in Uncle Joe’s Legacy And Other Stories (1902) und The Lady of the Island (1904).

Guy Newell Boothby wurde am 13. Oktober 1867 in Glen Osmond im Süden Austra­liens geboren. Sein Vater war der Parlamentsabgeordnete Thomas Wilde Boothby, seine Mutter Mary Agnes Boothby, geb. Hodding. Sein Großvater, Richter Benja­min Boothby, war 1853 von England nach Australien emigriert. Um 1874 fuhr Guy mit seiner Mutter und seinen Brüdern nach England, wo er die Priory School in Salis­bury und das Gymnasium von Warminster besuchte. Mit sechzehn Jahren kehrte er nach Australien zurück, arbeitete in der Stadtverwaltung von Adelaide und wurde 1890 Privatsekretär des Bürgermeisters Lewis Cohen. Zu dieser Zeit schrieb er einige erfolglose Theaterstücke und musikalische Komödien. Mit seinem Freund Longley Taylor wollte Boothby im Dezember 1891 auf dem Zwischendeck nach England segeln, aber das Geld ging ihnen aus, sie landeten in Colombo, verdingten sich als Seeleute und kamen nach Singapur, Borneo und Java. Auf Thursday Island versuchte sich Boothby als Perlenfischer. Dann zog er an der Küste von Queensland, im Norden Australiens, entlang und durchquerte das Land bis zum Darling River. Aus den Erfahrungen dieser Reise entstand sein erstes Buch On The Wallaby (1894), mit dem er nach England ging. Im gleichen Jahr erschien auch sein erster Roman In Strange Company. Am 8. Oktober 1895 heiratete er Rose Alice Bristowe in London. Sie zogen nach Boscombe in der Nähe von Bournemouth. In den folgenden zehn Jahren schrieb Boothby fünfzig Romane, vornehmlich Thriller voller bizarrer Ein­fälle, angesiedelt an exotischen Schauplätzen, die außerordentlich erfolgreich wa­ren. Ein zeitgenössischer Kritiker bezeichnete seine Werke als »auf die Spitze getriebenen Sensationalismus«, doch Boothby konterte: »ich gebe dem Leserpublikum was es will... und meine Leser geben mir, was ich will«. Er soll bis zu zwanzigtau­send Pfund im Jahr verdient haben. Er lebte luxuriös in seiner Villa Winsley Lodge, sammelte Bücher, züchtete Pferde, Rinder und Bulldoggen und besaß ein exotisches Aquarium. Er stand in den frühen Morgenstunden auf, diktierte seine Texte in einen Wachszylinderphonographen und ließ das Resultat von seinen zwei Sekretären abschreiben.

Am 26. Februar 1905 starb er überraschend im Alter von siebenunddreißig Jahren an einer Grippe. Er hinterließ seine Frau, zwei Töchter und einen Sohn.


Die deutschen Ausgaben seiner Romane


THE BEAUTIFUL WHITE DEVIL (1896)

1) DIE WEISSE TEUFELIN  

Wiener Bilder, 6. Juli 1904 bis 2. November 1904     

Übersetzung: N.N.


A BID FOR FORTUNE (1895)

1) DER MANN MIT DER SCHWARZEN KATZE     

Wiener Bilder, 3. Dezember 1902 bis 29. April 1903    

Übersetzung: Carl Perlsee

2) DAS CHINESISCHE ZAUBERSTÄBCHEN

Dresden 1912, Richard Hermann Dietrich Verlag (Seltsame Geschichten 5) (260 S.) 

Übersetzung: O. Lengning

3) DAS CHINESISCHE ZAUBERSTÄBCHEN

HeidenauNord 1925, Verlagshaus Freya (Seltsame Geschichten) (260 S.)

Übersetzung: 0. Lengning 

4) DIE RACHE DES DOCTOR NIKOLA

Nittendorf 2010, Wurdack Verlag (232 S.)

Übersetzung: Michael Böhnhardt


A CRIME OF THE UNDERSEAS (1905)

1) AUF DEM MEERESGRUNDE

Dresden 1910, Moewig & Höffner Verlag (Kriminalromane aller Nationen 29) (199 S.)

Übersetzung: Arthur Schimmelpfennig

2) AUF DEM MEERESGRUNDE

Berlin 1924, C. Henschel Verlag (Tribunalbibliothek 29) (199 S.)

Übersetzung: Arthur Schinimelpfennig 


DOCTOR NIKOLA(1896)

1) DOKTOR NIKOLA UND DIE GEHEIMGESELLSCHAFTEN IN CHINA

Dresden 1911, Richard Hermann Dietrich Verlag (Seltsame Geschichten 4) (260 S.)

Übersetzung: 0. Lengnig

2) DOKTOR NIKOLA UND DIE GEHEIMGESELLSCHAFTEN IN CHINA

HeidenauNord 1925, Verlagshaus Freya (260 S. )

Übersetzung: 0. Lengnig 

3) DIE EXPEDITION DES DOCTOR NIKOLA

Nittendorf 2010, Wurdack Verlag (213 S.)

Übersetzung: Michael Böhnhardt


DR. NIKOLA’S EXPERIMENT (1899)

1) DAS EXPERIMENT DES DOCTOR NIKOLA    

Nittendorf 2011, Wurdack Verlag (S. 3-138)    

Übersetzung: Michael Böhnhardt


“FAREWELL, NIKOLA” (1901)

1) DER PALAZZO DES DOCTOR NIKOLA    

Nittendorf 2011, Wurdack Verlag (S. 9-175)    

Übersetzung: Michael Böhnhardt


PHAROS THE EGYPTIAN (1899)

1) PHAROS

Stuttgart 1902Deutsche Verlagsanstalt (Deva Roman-Sammlung, Band, 14/15) (312 S.)

Übersetzung: Klara Berger

2) PHAROS DER ÄGYPTER    

o.O. [Blieskastel] 2001, Gollenstein Verlag (325 S.)    

Übersetzung: Klara Berger, Karsten Schröder   

Nachwort: Karsten Schröder


A PRINCE OF SWINDLERS (1900)

1 ) DER KÖNIG DER HOCHSTAPLER

Dresden 1908, Moewig & Höffiier Verlag (Kriminalromane aller Nationen 21) (211 S. )

Übersetzung: N.N.

2) DER KÖNIG DER HOCHSTAPLER

   Berlin 1924, C. Henschel Verlag (Tribunalbibliothek 21) (238 S.)  

Übersetzung: N.N.

3) DER KÖNIG DER HOCHSTAPLER

Berlin 1928, C. Henschel Verlag (Tribunalbibliothek, Neue Serie 2) (238 S.)

Übersetzung: N.N.


© 2020 Robert N. Bloch