T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Konrad Ecker: »Das verschwundene Manuskript«, 1936
von Mirko Schädel



Konrad Ecker: Das verschwundene Manuskript, Karlsruhe: Friedrich Gutsch Verlag 1936, 173 Seiten


Dr. Ecker verbringt seine Ferien in diesem Winter mit seiner Familie in einem deutschen Mittelgebirge. Eckers Freund Dr. Bergmann fährt überraschenderweise dort vor und berichtet von einem Diebstahl, der an ihm begangen worden ist. Dr. Bergmann ist Flugwesen-Experte, man stahl aus seiner Villa ein Manuskript, das eine neue Erfindung im Bereich der Aviatik beschreibt. Darüberhinaus stahlen die Diebe ein Bildnis von Dr. Bergmanns verstorbener Frau, wohl eine Miniaturmalerei in Gold gefaßt, die Dr. Bergmann verständlicherweise sehr lieb war. Die Diebe müssen ein australisches Ehepaar gewesen sein, das sich durch eine Tante namens Eugenie hat einführen lassen. Nur einen kurzen, unbeobachteten Augenblick nutzte das Paar für diesen weitreichenden Diebstahl. Anschließend verließ das diebische Paar fluchtartig die Stadt.

Dr. Ecker findet sich bereit seinem Freund zu helfen, und da er über kriminalistische Kenntnisse verfügt, schließt er sich seinem Freund an und beschließt einen Schlachtplan, handelt es sich doch offenbar um eine internationale Spionageaffäre.

Dr. Ecker wendet sich gemeinsam mit Dr. Bergmann an die Kriminalpolizei, die den beiden Freunden einen erfahrenen Beamten an die Seite stellen. Es werden Zeugen gehört, auch Tante Eugenie wird befragt. Langsam wird den drei Detektiven klar, daß die Gattin des Diebes keine Frau gewesen war, sondern ein Mann in Frauenkleidern. Und der Hauptverdächtige scheint ein international gesuchter Spion armenischer Herkunft zu sein. Man nimmt die Spur auf, zum Glück verfügt Dr. Bergmann über unbegrenzte Mittel.

Die drei Männer verfolgen die Spur des flüchtigen Duos mit dem Auto nach Nürnberg, dann geht es weiter nach Salzburg und von dort mit dem Zug nach Rumänien. In Rumänien gibt es einen Zwischenfall, denn die drei Männer werden trotz ihrer guten Papiere von einem korrupten Polizeichef einer Provinzhauptstadt verhaftet. Es gelingt ihnen jedoch zwei Telegramme zu lancieren, die die Verhaftung des Polizeichefs veranlassen und die Freilassung unserer drei Helden. Sie werden von einem hohen Polizeibeamten abgeholt und nach Bukarest verbracht, wo sie die Spur weiter verfolgen und nun die dortige Polizei um ein Flugzeug bitten. Die Rumänen stellen den drei Herren ein Flugzeug, einen Piloten und einen weiteren Beamten zur Verfügung.

Sie fliegen von Bukarest über Istanbul nach Aleppo in Syrien, wo sie ihr Flugzeug parken und dann auf Pferden ins kurdische Hinterland zu den Jesiden reisen, da der Drahtzieher des Diebstahls offenbar dort in der Nähe lebte. Auf dieser Reise lesen sie den verletzten Herrn Blondel auf, der offenbar selbst getäuscht, als falsche Gattin des Meisterspions auftrat. Herr Blondel war Damenimitator im Variete, ihm wurde von dem Schurken mitgeteilt, daß dieser selbst Opfer eines Diebstahls geworden sei, er wolle nur zurückholen, was ihm ohnehin gehöre. Doch auf der Flucht in Syrien wurde der Schurke des Herrn Blondel überdrüssig und schlug diesen in der Wüste nieder. Glücklicherweise fanden die Jesiden den armen Teufel und kümmerten sich um ihn. Herr Blondel habe noch kurz vor diesem Vorfall aufschnappen können, daß der Meisterspion nach Brasilien gehen wolle um dort seine Pläne auf deren Funktionstüchtigkeit zu prüfen.

Die kleine Gruppe eilt zurück zu ihrem Flugzeug und am nächsten Tag geht die Reise nach Lissabon, wo die drei Detektive einen Hochseedampfer nach Brasilien besteigen wollen. In Rio de Janeiro wird wieder der obligate Besuch eines Polizeichefs absolviert. Man stellt den drei Herren aus Deutschland ein Auto und einen Chauffeur zur Verfügung. Die Fahrt führt zu einer ehemals in deutschem, nun in französichem Besitz befindilichen Flugzeugfabrik. Dort läßt sich Dr. Ecker als Flugzeugingenieur melden, man betraut ihn mit der Übersetzung eines deutschen Manuskripts, nämlich Dr. Bergmanns gestohlener Erfindung, die Dr. Ecker in einem unbeaufsichtigten Augenblick stiehlt. Darauf trifft er mit seinen Kumpanen zusammen und die drei eilen nach Rio zurück, da der Drahtzieher offenbar über Rio nach England reisen wird. In Rio ist jedoch noch kein Dampfer nach Europa abgegangen und der Gesuchte findet sich in einer üblen Mischung aus Spielhölle und Bordell, wo er bei seiner Verhaftung erschossen wird.

Die drei Freunde reisen mit dem nächsten Dampfer nach Deutschland, wo ihre Familien sie bereits erwarten und damit endet dieser unsägliche Roman, denn Dr. Ecker, das ist Kurt Raecke, war ein laienhafter Amateurschriftsteller, der wohl nur dieses eine Buch veröffentlicht hat.

Der ganze Roman ist außerordentlich behäbig, in einer saloppen Sprache verfaßt, die stilistisch an die Filmkomödien der 1930er und 1940er Jahre erinnern soll, deren Witz wir aber heute glücklicherweise kaum mehr verstehen würden. Ein seltsam altbackener, gequälter Humor, ein grauenerregendes Frauenbild und eine abgöttische Verehrung für Karl May runden das Bild dieses Romans ab. In jeder Metropole wird mit den Polizeigewaltigen konferiert, wobei das Ganze regelmäßig in einer herrlichen, detailliert beschriebenen Mahlzeit endet, und anschließend mit guten Zigarren und heißem Mokka gekrönt wird. Dazu unternehmen die Protagonisten in jeder halbwegs interessanten Stadt eine Exkursion, deren Beschreibungen wiederum von dem Autor mit geschichtlichen und touristischen Anmerkungen versehen werden, die Ecker offenbar aus irgendwelchen Lexika oder Baedeker-Reiseführern zusammengeschraubt hatte. Eckers ausgeprägtes Sendungsbewußtsein in Fragen touristischer Attraktionen streift dabei unfreiwillig das Gebiet des Volkshochschulwesens. Wie auch immer, der Roman ist tatsächlich schwer erträglich, aber eines muß man ihm doch zugute halten, es finden sich trotz seiner Entstehungszeit wenig rassistische Stereotype – selbst bei der Beschreibung von rumänischen Zigeunern überwiegt Eckers folkloristische Interesse und es finden sich wenig Anzeichen einer chauvinistischen oder nationalsozialistischen Haltung des Autors. In meinen Notizen findet sich der Verdacht, daß der Autor Kurt Raecke möglicherweise Pfarrer gewesen sei.