T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Otto Soyka: »Das Geheimnis der Akte K.«, 1934
von Mirko Schädel



Otto Soyka: Das Geheimnis der Akte K., Leipzig: Wilhelm Goldmann 1934,  Goldmanns Kriminalromane Band 2068, 216 Seiten, Schutzumschlag von Kurt Gundermann mit einem Motiv von Bruno Skibbe


Otto Soyka, 1881–1955, war ein österreichischer Schriftsteller, Offizier und Bohemien, der eine bedeutende Rolle in der literarischen Welt zwischen den beiden Weltkriegen spielte.

Das Geheimnis der Akte K., 1934, ist ein ungewöhnlicher Kriminalroman, da gleich drei bis vier unterschiedliche Ermittler mit dem Fall Kollrose beschäftigt sind. Kollrose, vermutlich ein Kriegsgewinnler und Bankier, wird erschossen in seinem Haus aufgefunden, sein Tresor ist professionell aufgeschweißt und ausgeraubt worden. Kollrose, eine gewissermaßen zwielichtige Figur, hat diverse undurchsichtige Beziehungen in die Damenwelt unterhalten.

Die verschiedenen Ermittler sind erstens der leitende Kriminalrat Gracht, der die Kriminalpolizei repräsentiert, zweitens der Musiker Walter Rühle, der gelegentlich aus Geldnot als Detektiv bei Berthold Kleve tätig wird, und drittens eben den Berthold Kleve, der in der Stadt ein sogenanntes Rechtsbüro leitet, das nur der Tarnung dient, denn er arbeitet als Detektiv im Auftrag der Kriminalpolizei in besonders schweren Fällen und stellt für seine umfangreiche Tätigkeit gelegentlich den Musiker Walter Rühle ein – Rühle selbst weiß nicht in wessen Auftrag Kleve arbeitet. Und viertens gibt es noch den jungen Journalisten Max Frobel, der eine große Sensationsgeschichte hinter dem Fall Kollrose wittert und darauf hofft, daß seine Berichterstattung seine Karriere befördert.

Doch die Figur des Berth Kleve, des verdeckten Ermittlers, scheint die Hauptrolle zu spielen, denn erstens hat er bereits eine geheime Akte zu Kollrose in Verwahrung, denn das Mordopfer war schon vorher im Visier des umtriebigen Ermittlers. Außerdem ist Kleve in die junge Sekretärin Kollroses verliebt, nämlich das Fräulein Martina Kolmar, die er seit ihrer Kindheit zu kennen scheint, und die unfreiwillig in den Fall verwickelt ist, denn die junge Dame ist in einen Mann namens Holbrecht, vormals Holbrini verliebt, den Kleve für einen der Drahtzieher des  Verbrechens hält. Kleve vermutet, daß in der Mordnacht zwei Verbrechen stattgefunden haben, die von zwei unterschiedlichen Leuten verübt wurden.

Er sucht also nach einem Mörder und nach einem Einbrecher. Darüberhinaus glaubt Kleve, daß sein Leben in Gefahr sei und trifft einige Entscheidungen bezüglich seines möglichen Ablebens. Die Handlung ist außerordentlich verwirrend,  und die Verwirrung steigt im Grunde genommen bis hin zur Auflösung des ganzen Falls. 

Der Verdächtige Holbrecht bzw. Holbrini erweist sich als suggestiver Manipulator, dem es häufig gelingt vollkommene Macht über Menschen zu gewinnen. Holbrecht bzw. Holbrini – klingt schon etwas nach Houdini – hat die Taten nicht begangen, doch ist es ihm gelungen seine Geliebte, das Fräulein Kolmar, suggestiv zu zwingen das Bargeld aus dem Tresor ihres Chefs Kollrose zu stehlen. 

Unser Detektiv Kleve, der in das Fräulein schon seit Jahren verliebt ist, hat sich mit einem Trick die Schlüssel zu Kollroses Villa verschafft. Er wußte von Fräulein Kolmars Verbrechen, wußte auch, daß sie unter dem suggestiven Einfluß ihres Geliebten stand. Erst wollte Kleve sich bei einem Freund das Geld leihen um es selbst zu ersetzen und seine Herzensdame vor der Justiz zu schützen, doch dann besorgt er sich stattdessen das nötige Werkzeug um den Tresor fachmännisch aufzuschweißen, so daß mit dieser Tat ein professioneller Einbruch simuliert wurde – und der Verdacht auf Fräulein Kolmar als Diebin entkräftet wird.

Doch zwei Punkte in der Geschichte sind noch weit sensationeller, denn das Fräulein Kolmar ist die Tochter Kollroses, sie selbst jedoch scheint das nicht zu wissen. Kollrose, ihr Vater, mußte jedoch Kenntnis davon haben. Doch der verrückteste Punkt des Romans ist die Identität des Mörders, denn dieser ist niemand geringeres als der Musiker und Gelegenheitsdetektiv Walter Rühle, der mit den Personen im Umfeld Kollroses durchaus vertraut war und sich dem Glücksspiel ergeben hatte. Seine Spielschulden führten nicht nur regelmäßig dazu, daß er sich als Detektiv betätigte, sondern er beschaffte sich ebenfalls in der Mordnacht die Hausschlüssel zur Villa Kollrose, wo er den Hausherrn von hinten erschoß und dann deprimiert feststellte, daß der Tresor bereits geleert wurde.

Die Tatsache, daß in einem Kriminalroman einer der Detektive mit dem Mörder identisch ist, ist nicht völlig neu, aber doch ungewöhnlich. Gerade Rühle, den der Autor als durchaus zuverlässigen, sympathischen und kompetenten Detektiv beschrieben hat, kann sich der Leser als Mörder naturgemäß wohl kaum vorstellen. Obwohl die vielschichtige und komplexe Handlung durchaus verwirrend ist, so ist sie dennoch schlüssig. Trotzdem hat die Konstruktion des Romans erhebliche Mängel, denn weniger ist mehr – eine klarere Konturierung hätte der Geschichte gut getan.