T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Heinrich Tiaden: »Der Meerteufel«, 1931

von Mirko Schädel


Heinrich Tiaden: Der Meerteufel, Reutlingen: Enßlin & Laiblin Verlag 1931, Der Spannungs-Roman, 432 Seiten


Es gibt Autoren, die über eine gesteigerte Phantasie verfügen, die nur leider häufig nicht mit deren Talent zum Schreiben einhergeht. So gibt es immer mal wieder phantasiebegabte und ideensprudelnde Autoren, die nicht über das Handwerkszeug verfügen einen überzeugenden Roman zu schreiben. Heinrich Tiaden ist einer dieser Autoren, denen es nicht an Ideen mangelt, die aber aufgrund ihres mangelnden Talentes kaum einen erwähnenswerten Roman geschrieben haben. Es gibt Passagen bei Tiaden, die überzeugen, aber im Gesamtzusammenhang können seine Romane nicht punkten. Seine Figuren sind papiern, sie atmen und leben nicht, sondern sie sind die automatisierten Schalltrichter für Dialoge, die dem Autor gerade in einem Augenblick dramaturgisch sinnvoll erscheinen, da sie in irgendeiner Weise das Geschehen vorantreiben. Insofern ist Tiaden ein Kolportageautor.

Seit Jahren wundere ich mich über die Erfolge Tiadens, um diesem Erfolg auf die Spur zu kommen, habe ich mehrere seiner Romane gelesen, aber einer ist wie der andere, fast austauschbar. Mit Vorliebe siedelt Tiaden die späten Enßlin- und Laiblin-Romane in der Reihe Der [deutsche] Spannungsroman in der Welt der Filmindustrie an. Vermutlich hat Tiaden die Berichte über Filmstars und Hollywood aus den gängigen, zeittypischen Boulevardzeitschriften gelesen, denn in genau dieser undifferenzierten und platten Darstellung bewegen sich auch Tiadens Abenteuer- und Kriminalromane.

Der [deutsche] Spannungsroman muß hohe Auflagen gehabt haben, denn die Bücher sind auch heute noch in dem Antiquariatsbuchhandel leicht erhältlich. Der Meerteufel, 1931, spielt wie gewohnt in Hollywood und dreht sich um eine selbstbewußte junge Dame, die sich trickreich an den Direktor eines Filmstudios wendet um dort als kommender Filmstar bzw. Filmdiva entdeckt zu werden.

Ein Dramaturg des dortigen Filmstudios kündigt seinen Job, da er sich in die Dame verliebt hat, diese Liebe aber unerwidert bleibt. Darüberhinaus ahnt der Leser, daß diese Figur im Verlauf der Geschichte noch eine Rolle spielen wird.

Außerdem gibt es einen russischen Tüftler, der ein Motorboot entwickelt hat, das über ein aufblasbares Meeresungetüm verfügt. Diese Erfindung wird von dem Filmstudio angekauft und soll für künftige Filmproduktionen dienen. Der russische Tüftler ist kurz nach seinem erfolgreichen Verkauf des Bootes spurlos verschwunden.

Der natürlich neu entdeckte Filmstar heiratet den Hausregisseur des Studios und geht auf eine Hochzeitsreise nach Florida, doch dort verschwinden reihenweise reiche, junge Damen, die offenbar von einem Seeungeheuer verschluckt wurden, denn so oder ähnlich äußern sich die wenigen Zeugen dieses Spektakels. Auch unsere frisch vermählte Filmdiva fällt dem Meerungeheuer zum Opfer und verschwindet spurlos.

Etwa an diesem Punkt habe ich die Lektüre abgebrochen. Zu sehr erinnert mich das Sujet an die drei anderen Romane dieser Reihe, die ich vor Jahren gelesen habe. Meine Lebenszeit ist mir zu kostbar um mich diesen platten und schlechtgeschriebenen Ausführungen Tiadens unterzuordnen. Tiadens Zweitklassigkeit zeigt sich fast in jedem Absatz, seine »komödienhaften« Versuche fruchten auch nicht so recht.

Da ich als Komplettsammler diese Bücher archiviere, schiebe ich das Buch wieder zu den anderen ins Regal und hake innerlich den Autor und seine Werke ab. Wie bei vielen anderen ähnlichen Autoren dieser Zeit sind die Schutzumschläge noch das Sammelwürdigste an den Büchern. Tiaden ist als Schriftsteller zwar eindeutig talentierter als Wolfram von Hanstein alias Berg Berger, aber das ist auch keine bedeutende Leistung.