T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Artur Brehmer, das ist in diesem Fall Baroneß Orczy: »Der Mann mit der Strippe«, 1919
von Mirko Schädel



Artur Brehmer, das ist in diesem Fall Baroneß Emmanuska Orczy: Der Mann mit der Strippe, Berlin, Leipzig: Hermann Hillger 1919, Kürschners Bücherschatz Band 1239, 64 Seiten


Baroneß Orczy, 1865–1947, war eine ungarischstämmige, später britische Unterhaltungs-schriftstellerin, die vor allem aufgrund ihrer Scarlett Pimpernell-Romane bekannt war. Ihre drei Bände mit Detektivgeschichten um den rätselhaften Hobbydetektiv Bill Owen sind in England recht populär gewesen. Einer dieser Bände mit dem Titel The Old Man in the Corner, 1909, wurde zumindest teilweise ins Deutsche übersetzt und bearbeitet von Arthur Brehmer.

Der Verlag Hermann Hillger hat Arthur Brehmer sogar als angeblichen Autor auf den Umschlag der zwei Kürschner Bücherschätze gesetzt, denn seine Bearbeitung ging soweit, daß er die in London spielenden Geschichten nach Berlin transferierte, der britische Stoff wurde also konsequent eingedeutscht.

Die Hefte wurden unter dem Titel Der Mann mit der Strippe, 1919, als Band 1239 von Kürschners Bücherschatz, und als Der Mann mit der Strippe II, 1920, als Band 1295 von Kürschners Bücherschatz veröffentlicht. Der namenlose Detektiv sitzt in der deutschen Ausgabe in einer Kneipe vor seinem Weißbier, tatsächlich spielen die Originalerzählungen in einer Londoner Teestube. Unser Detektiv gilt als zumindest exzentrischer, wenn nicht gar verrückter Zeitgenosse, der ständig mit einem Bändchen herumspielt, in das er Knoten verfertigt, oder diese wieder auflöst.

Unsere Erzählerin ist eine namenlose Journalistin, die zufällig auf den merkwürdigen Mann aufmerksam wird und sich in ein Gespräch einläßt, das sich immer um spektakuläre Kriminalfälle dreht. Der rätselhafte Herr spielt mit seinem Bändchen und rekonstruiert spektakuläre Verbrechen, dabei zitiert er aus Gerichtsprotokollen oder Zeitungsberichten, und während er die wesentlichen Tatbestände erläutert, macht er Knoten in das Bändchen.

Wenn der den Fall dann in allen Einzelheiten seiner Zuhörerin dargelegt hat, beginnt er sich über Polizei, Gericht und Geschworene lustig zu machen, ehe er die Lösung des Falls präsentiert und dabei seine Knoten nach und nach auflöst.

Owen scheint sich an den Fehlern der professionellen Ermittler zu weiden, doch er hat keineswegs den Ehrgeiz selbst in das Geschehen einzugreifen und die tatsächlichen Täter verurteilt zu sehen. Er trifft keine Anstalten seine Erkenntnisse öffentlich zu machen, mit Ausnahme seiner Zuhörerin, die über die Darlegungen des Exzentrikers nachdenkt und das Gefühl hat, daß Owen Recht habe mit seinen kruden Theorien über diese sensationellen Kriminalfälle.

Die Dame wird langsam abhängig von den Erzählungen dieses seltsamen Detektivs, und so besucht sie regelmäßig am Abend die Teestube bzw. die Kneipe um sich neue Fälle erklären zu lassen. Die Geschichten verbreiten den typischen Charme der Jahrhundertwende, vor allem die exzentrischen Figuren und die rätselhaften Morde üben einen ganz eigenen Reiz aus – selbst die deutsche Bearbeitung, die den Geist des britischen Originals nahezu vernichtet hat, bietet noch eine Ahnung von dem Charme, den der Originaltext ausgestrahlt haben muß.