T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Moriz Gans: »Elisabeth Bathory. Die Geheimnisse der Schachtizburg«, 1854
von Mirko Schädel



Moriz Gans: Elisabeth Bathory. Die Geheimnisse der Schachtizburg, Wien, Leipzig: Stöckholzer von Hirschfeld 1854, 4 Bde.


Moriz Gans, eigentlich Moritz von Gans-Ludassy, 1829–1885, war ein ungarisch-jüdischer Journalist. Gans war 1848 an der ungarischen Revolution beteiligt und ging seiner Amnestierung nach Wien. Hier gründete er den »Wiener Telegraph«, wurde 1853 Chefredakteur der »Morgenpost« und 1858 der Zeitung »Der Fortschritt« sowie des »Pester Lloyd«. Mit Ferdinand Déak gründete er 1864 die »Debatte« in Wien und »Magyar vilag« in Pest. Führender Publizist des Nachmärz; er verfaßte auch Schauerromane und machte Übersetzungen aus dem Englischen ins Ungarische.

Eindrucksvoll und spannend, aber in einer spätbiedermeierlichen, kolportageartigen Sprache erzählt uns der Autor die Geschichte von einer unbekannten Schönen, die im Winter auf ihrem Pferd durch die ungarische Landschaft reitet. Ihr Begleiter ist bereits von einem Rudel Wölfe zerrissen worden, sie selbst flüchtet sich reitend vor drei versprengten Wölfen. In allerletzter Sekunde kommt ihr ein junger Mann zu Hilfe, der die Wölfe teils mit seinen bloßen Fäusten, teils mit seiner Waffe tötet, ein Tier flüchtet sogar vor dem Naturburschen.

Die junge Dame liegt bewußtlos am Boden, Feri, der junge Mann, reibt ihr mit Schnee die Schläfen. Sie erwacht und verliebt sich augenblicklich in ihren Retter. Feri jedoch ist ein verarmter Edelmann, der mit seiner frommen Mutter eine beschauliche Hütte bewohnt und bereits an die gutherzige Pflegetochter Katicza vergeben ist. Doch auch Feris Herz bleibt nicht unberührt, und so nimmt er die namenlose, offensichtlich hochstehende Dame mit zu seiner Mutter, wo ihr warmer Wein gereicht wird. Noch am selben Abend kehrt auch Feris Braut in die Hütte zurück – und eine quälende, aber berechigte Eifersucht setzt sich in ihrem Herzen fest.

Feri bringt noch an diesem Abend die junge Dame namens Etelka, die niemand anderes ist als Elisabeth Bathory, an einen Kreuzweg und dort bittet sie Feri nicht nach ihrer wahren Identität zu forschen. Dort verabschieden sich die beiden frisch Verliebten und verabreden sich für den nächsten Tag. Aber Feris Gewissen regt sich und so kommt er am nächsten Tag nicht zu dem Treffpunkt – was Elisabeth nicht davon abhält die bescheidene Hütte aufzusuchen und Feri persönlich an das Treffen zu erinnern und die Liebe neu zu entfachen.

Tatsächlich gelingt dies der Bathory und die Verliebten treffen sich ein halbes Jahr jeden Tag in der Hütte einer alten Hexe, wo sie sich dem Liebesspiel hingeben. Doch dann werden die beiden von Gergely in flagranti erwischt, dabei wird Feri schwer verletzt und Elisabeth Bathory, die einem Edelmann versprochen ist, ins heimische Schloß geschafft und unter Arrest gestellt. Gergelys ist die moralische Instanz auf dem Schloß und für Wohl und Wehe zweier hochstehender Damen verantwortlich.

Feri wird von zwei Leibeigenen Gergelys in einer Höhle bewacht und gepflegt, und auf dem Schloß wird eine gewaltige Intrige gesponnen, denn auch die zweite Herrin des Schlosses namens Klara Bathory, Elisabeths Tante, wird von Gergely des Ehebruchs überführt und unter Arrest gestellt.

Klara Bathory, die fleischgewordene Essenz des Bösen und der mordgierigen Rachegelüste, ist zwar verheiratet, treibt es aber allabendlich mit Betko, einer Art Haushofmeister des Schlosses. Ihre Gemächer sind mit einem geheimen Gang verbunden. Da Klara Bathory, aber auch Elisabeth, sich nicht gern einsperren lassen und verhindern wollen, daß Gergely ihre Verfehlungen öffentlich macht, beschließen die Damen ein Komplott, das darauf hinausläuft, daß Gergely des Hochverrats bezichtigt wird – er soll mit den Türken im Bunde sein, sich seinen Verrat mit Gold bezahlen lassen und die beiden Damen gefangen halten um sie dem Harem eines Paschas zuzuführen.

Dem Liebhaber der Klara Bathory namens Betko gelingt es mit Hilfe des rauhbeinigen Gesellen Balint den tugendhaften Gergely in den Kerker zu werfen und die fingierten Beweise zu liefern für Gergelys offensichtlichen Verrat. Nur leider ist Gergely ein Ausbund der Rechtschaffenheit und der Wahrheitliebe – ebenso wie der verletzte und gefangengehaltene Feri, und so tut sich eine Front auf gegen die Machenschaften der beiden Schloßherrinnen. Dabei spielt auch eine alte Hexe eine Rolle, der man magische Kräfte nachsagt, sowie andere treue Anhänger Gergelys. Elisabeth Bathory, die nicht weiß, was aus ihrem Geliebten Feri geworden ist, hat nur das Interesse diesen aufzufinden, doch Gergelys schweigt – auch unter Folter.

Etwa die ersten drei Bände dieses Romans plätschern in Form eines Ritter- und Intrigenromans dahin. Grob erzählt wird Elisabeth nach Preßburg zu ihrem Bruder entsandt, wo sie sich dem gesellschaftlichen, ausschweifenden Leben hingibt. Elisabeth ist jedoch von Feri schwanger und läßt ihr neugeborenes Kind zu armen Leuten in der Provinz schaffen, die es liebevoll aufziehen.

Feri entdeckt in aller Entschiedenheit sein Gewissen und sein Herz gehört seiner vormaligen Braut Katicza, doch diese wird durch eine üble Intrige Elisabeths, die sich von Feri verraten fühlt, von dem Verhältnis ihres Bräutigams mit Elisabeth Bathory unterrichtet, dabei wird sogar behauptet das Liebespaar habe sich geheiratet. Das führt dazu, daß Feris Braut Katicza ihren Selbstmord plant, dann aber doch hungernd und auf den Tod hoffend durch das unwegsame Gebirge irrt, wo sie irgendwann bewußtlos in einer Höhle entdeckt wird und auf Schloß Schachtizburg geschafft wird, wo sie von einer gutherzigen Dame gepflegt wird. Katicza verbringt Jahre versteckt auf diesem Schloß.

Betko, Klara Barthorys Geliebter, tötet den konkurrierenden Gatten, der Mord wird jedoch Gergely angelastet. Doch Gergely gelingt die Flucht, er geht nach Preßburg und bringt die Verbrechen beim Palatin zur Anzeige. Sogar Elisabeth, die bei ihrem Bruder Stephan in Preßburg weilt, zeugt wider Willen für Gergelys Unschuld.

Es kommt zu einem kriegsähnlichen Zustand gegen Betko, Balint und Klara Bathory, aber Betko, der gerade jetzt seine Geliebte Klara Bathory aus Geldgier geheiratet hat, wird von seiner Gattin vergiftet, überlebt jedoch bis zu seiner Hinrichtung  in Preßburg. Die Kämpfer des Schlosses, die von den Intrigen und Verbrechen der drei Verschwörer erfahren, strecken die Waffen vor den Truppen Gergelys und des Palatins – und ergeben sich. Gergely und Feri kämpfen fortan als Freunde Seite an Seite bei etlichen Schlachten.

Der vierte Band ist dann ein Bruch zu der vorherigen Erzählung, denn nun beginnt der Autor sich auf den Mythos der Blutgräfin Elisabeth Bathory zu beziehen. Jahre sind vergangen, Bathory hat ihren Bruder und ihren Gatten Nasdasny, einen sehr einflußreichen und sehr reichen Herrn, überlebt. Ihr Ruf ist bei der Bevölkerung ruiniert durch ihr ausschweifendes Leben und ihr grausames und gotteslästerliches Tun. Sie wird bereits in Preßburg derart von dem einfachen Volk verachtet, daß sie beschließt sich in Schloß Schachtizburg zurückzuziehen.

Auf dem Weg dorthin wird sie von einer alten, runzligen Vettel freundlich begrüßt, doch die Entgegung der Bathory und ihrer Entourage ist derartig boshaft und höhnisch, daß die Alte ihr nachruft, sie sei auch einmal jung gewesen und jeder Mann hätte sie damals leidenschaftlich gern geküßt. Sie, Elisabeth Bathory, werde auch bald  so runzlig aussehen, woraufhin die Bathory zurückkehrt und die Alte grausam am Straßenrand abschlachtet.

Doch die Prophezeiung der Alten nagt an Bathorys Eitelkeit, fortan ist sie davon besessen vorzeitig zu altern und befürchtet, daß die Prophezeiung der Alten eintrifft. Als Bathory von einer Dienerin frisiert
wird, und letztere ihr dabei ein Haar ausreist, schlägt Bathory dieser brutal ins Gesicht, das Blut spritzt und ein Tropfen dessen landet auf Bathorys Stirn. Als sie sich später das Gesicht wäscht, glaubt sie zu entdecken, daß ihre Haut an der Stelle, wo sie mit dem Blut der jungen Frau in Kontakt geriet, weisser und jünger aussehe als je zuvor.

Nach dieser Beobachtung beschließt die Bathory sich einige Helfershelfer zuzulegen, die eine Mordmaschine unbekannten Ausmaßes in Gang setzen, so daß erst im Rhythmus von drei Wochen, dann aber fast täglich ein Mädchen geopfert und geschlachtet wird, damit die Bathory mit geronnenen Blutklumpen auf der Haut ihren Schönheitsschlaf absolvieren kann. Nach einiger Zeit hält sie sich aber nicht mehr daran Bauernmädchen und Dienerinnen zu schlachten, sondern neigt zunehmend dazu ihresgleichen zu opfern, denn die adligen Mädchen seien schöner, frischer und bevorzugen auch eine bessere Ernährung, so daß das Blut sicher eine noch effektivere Verjüngungswirkung entfalten könne.

Dabei beruft sich der Autor immer wieder auf die wahrheitsgetreue Darstellung der Erzählung, die sich ganz auf die eingesehenen Gerichtsakten bezieht. Diese Behauptung ist naturgemäß nicht nachweisbar, enthalten wir uns also einer Bewertung dieser Aussage.

Unzweifelhaft scheint allerdings, daß die Bathory tatsächlich reihenweise Mädchen ermordet hat – und dieses Handwerk einige Zeit unentdeckt blieb. Nachdem die Bathory mit ihrem Helfershelfer Janos etwa 300 junge Frauen hingeschlachtet hatte, und die Nachfragen der Verwandten der Opfer überhand nahmen, ging die hohe Dame einige Zeit ins Ausland. Etwa acht Monate trieb sie sich, eine Blutspur hinterlassend, in verschiedenen europäischen Gegenden herum, bis sie in Wien Station machte, wo sie den Fehler beging Gergelys neue Braut zu wählen, die ihr auf einer Abendgesellschaft begegnete.

Diese junge Dame war das uneheliche Kind von Feri und der Bathory, Gergely hatte sie bei einem türkischen Angriff retten können und sich darum gekümmert sie in den Grafenstand zu setzen – um sie heiraten zu können. Als Gergelys Braut spurlos verschwindet, ahnt dieser bereits, daß Elisabeth Bathory die Hand im Spiel hat, doch bei einem Besuch läßt sich ersterer so sehr becircen von dem schönen Monster, daß er unverrichteter Dinge wieder abzieht.

Eine Art Stiefvater von Gergelys Braut namens Samuel betätigt sich als Detektiv, er überwacht die Bathory, da er Gergelys Unschuldsvermutung gegenüber der Bathorys mißtraut. Tatsächlich gelingt es ihm eine Spur zu entdecken, denn ein Schal der jungen Braut taucht bei einem jüdischen Händler auf, und die Beschreibung der zwei älteren Damen, die den Schal und andere Dinge dort verkauft hatten, entspricht den beiden bekannten Helfershelfern der Elisabeth Bathory.

Gleichzeitig lebt auf dem Schloß Schachtizburg nunmehr seit 16 Jahren die unglückliche Braut Feris, Katicza, die in Erfahrung brachte, daß sie einer Täuschung der Bathory zum Opfer fiel, und daß die erlogene Hochzeit mit Feri nie stattgefunden hatte.

Elisabeth Bathory entdeckt an dem Hals des geraubten Mädchen, der Braut Gergelys, in dessen Blut sie eigentlich baden wollte, eine Art Amulett, das darauf schließen läßt, daß die junge Dame ihre uneheliche Tochter sei, die sie mit Feri gezeugt hatte. Sie läßt ihre Tochter nach der Burg Schachtizburg bringen und reist ein paar Tage später selbst dorthin, um ihr mörderisches Handwerk fortzusetzen.

Katicza, die nach weiterer Aufklärung forscht und sich geschickt an Janos, den Schlachtmeister der Bathory, wendet, gerät durch einen Zufall in den Keller des Schlosses, wo sie auf Gergelys Braut und also Bathorys Tochter stößt, die dort mit allem Luxus versorgt in Gefangenschaft gehalten wird. Katicza spicht mit dieser und erhält Aufklärung über die Verbrechen der Bathory, und ihr gelingt darauf die Flucht aus dem Schloß Schachtizburg, sie wendet sich nach Preßburg zum Palatin um dort eine Aussage zu machen, wo sie auf Gergelys trifft, der seine verloren gegangene Braut sucht. Die Dinge klären sich, der Palatin und Gergely sind entsetzt ob der Mitteilungen über die Bathory, und so gehen sie gemeinsam mit einigen Soldaten zu der Stätte des Verbrechens. Bathory und ihre Helfershelfer werden verhaftet. Jonas, der Schlächter, wird öffentlich enthauptet, die beiden Weiber, die für die Logistik der Verbrechen verantwortlich sind, werden mit glühenden Zangen gevierteilt, ihre Leichname den Schweinen und Hunden verfüttert. Die Bathory wird lebendigen Leibes in ihrem Gemach eingemauert. Feri trifft auf seine Braut Katicza, Gergely hat seine Braut ebenfalls wiedergefunden, eine Doppelhochzeit ist unvermeidlich.

Die ersten drei Bände des Romans lesen sich tatsächlich wie ein etwas bieder geratener Ritterroman, in dem der Charakter der Bathory zwar schon angedeutet wird, aber der immer noch einen recht sympathisch-verzweifelten Eindruck auf den Leser macht. Im vierten Band ändert sich das alles sehr schnell, und so wird das Buch mehr und mehr zu einem Horror- und Sensationsroman, der noch ganz in der Tradition älterer Ritterromane verhaftet ist. Die altertümelnde und weit ausladende Erzählweise ist für den heutigen Leser gewöhnungsbedürftig, doch das Ende des Romans mit den Passagen Samuels, des jüdischen Detektivs und Informanten, wiegt einiges an Defiziten wieder auf. Der Roman bekommt eine neue Dynamik und die Spannung steigt.

Alles in allem ist Gans-Ludassys Roman eine Mischung aus Ritter-, Schauer-, Sensations- und Intrigenroman – und in der Konsequenz ein Vorläufer des Kriminal- und Kolportageromans. Die Entwicklung dieser Gattung war in den 1850er Jahren bereits stärker fortgeschritten, es gab zahlreiche qualitativ hochwertigere Kriminalromane und deren Vorläufer, und so hinkt der eher mittelmäßige Roman in seiner Entwicklung der Gattung auf eine holprige, antiquierte Weise hinterher. Sicher war das Buch an ein Wiener Publikum adressiert, daß bevorzugt Sex and Crime las und ein Faible für volkstümliche Stoffe hatte. Der ganze Roman gemahnt im Tonfall an ein Märchen, wenngleich der Autor nicht oft genug die Authentizität des Stoffes anpreist, die er aus den Gerichtsakten gesogen haben will.