T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Julian Hawthorne: »Der verhängnisvolle Brief«, um 1894
von Mirko Schädel



Julian Hawthorne: Der verhängnisvolle Brief, Stuttgart: Robert Lutz um 1894, Sammlung ausgewählter Kriminal- und Detektiv-Romane Band 4, 240 Seiten


Julian Hawthorne, 1846–1934, war der Sohn des berühmten Nathanael Hawthorne, der neben Herman Melville und James Fenimore Cooper zu dem Dreigestirn der amerikanischen Literatur des 19. Jahrhunderts gehört hat. Sein Sohn Julian buk kleinere Brötchen, er wandte sich dem Sensations- und Kriminalroman zu – und war selbst in zwielichtige Geschäfte involviert, denn Hawthorne verbrachte einige Zeit wegen Betrügereien im Gefängnis.

Der verhängnisvolle Brief, um 1892, ist ein atmosphärischer und moralischer Kriminalroman, der in New York spielt und eine anonyme Erpressung zum Thema hat. Zwei findige Polizisten sind dem Urheber jener anonymen Briefe auf der Spur, die einen genialen Finanzmann mit dem Tode bedrohen. Unter der Maske von religiösen Wahn nimmt der Absender sein Opfer ins Visier.

Mehrere Personen geraten in Verdacht und am Ende kristallisiert sich die Schuld einer jungen Dame heraus, die für den Mann ihres Herzens eine gewisse Summe erpressen wollte, weil dieser sein Vermögen an der Börse verspielt hatte – und die Schuld dieser Verluste lagen bei jenem Finanzjongleur.

Doch der Geschädigte verzichtet am Ende auf eine Strafverfolgung der jungen Dame, da er gesehen hat, daß sie ihre Taten offensichtlich bereut hat und noch vor ihrer Festnahme die Beute an ihn zurückerstattet hatte.

Aus der Sekundärliteratur geht hervor, daß Hawthorne auch gern okkulte Stoffe in seine Romane einbaute, dies ist in dem vorliegenden Kriminalroman jedoch nicht der Fall. Das Buch lebt und atmet die Atmosphäre von New York noch vor der Jahrhundertwende und gewährt verschiedene Einblicke in den Zeitgeist jener Epoche.