T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Brünhilde Hofmann: »Die Frau im Antilopenmantel«, 1939
von Mirko Schädel



Brünhilde Hofmann: Die Frau im Antilopenmantel, Berlin: Kranich-Verlag 1939, 319 Seiten


Brünhilde Hofmann, 1889–1977, lebte in Hamburg und war als Unterhaltungsschriftstellerin tätig.

Die Frau im Antilopenmantel, 1939, ist ein virtuos geschriebener und in Hamburg spielender Kriminalroman, der eine Atmosphäre bleierner Tristesse vermittelt. Der Staatsanwalt Gontard ist mit einer wesentlich jüngeren Gattin namens Julia glücklich verheiratet. Sein Sohn Herbert Gontard arbeitet als Rechtsanwalt in einer Hamburger Kanzlei. Die noch recht junge, hübsche Julia pflegte ein undurchsichtiges Verhältnis, eine Art mütterliche Freundschaft zu ihrem Stiefsohn Herbert. Sie kehrt gerade von einem angeblichen Zahnarztbesuch aus Berlin zurück, und ihr Mann, Staatsanwalt Gontard, erwartet sie sehnsüchtig am Bahnsteig. Doch ist er innerlich unruhig, und als Julia nicht unter den Aussteigenden zu entdecken ist, wendet sich ein Geheimpolizist an Gontard und berichtet diesem von einem Unglück, das seiner Gattin widerfahren sei. Gontard eilt in das Zugabteil und findet dort die erschossene Julia vor – die Polizei geht von einem Selbstmord aus. Der kleine Browning-Revolver liegt zu den Füßen der Leiche.

Gontard ist ein gebrochener Mann, er läßt seinen Sohn von dem Unglück unterrichten. Herbert Gontard hat ein Verhältnis mit einer russischen Solotänzerin namens Jelena Leskoy, die offenbar einen Kontakt zu ihrem Vetter und zwielichtigen Landsmann Oblonsky pflegt. Herbert erfährt, daß seine Stiefmutter sich im Zug erschosses habe. Er ist es auch, der Informationen aus erster Hand hat, die die Autorin jedoch nicht näher beschreibt.

Im Hintergrund hält jedoch ein gewisser Barrat die Fäden in der Hand, Barrat, ein Theateragent, der in einer fragwürdigen Beziehung zu der toten Julia gestanden haben muß und über ein Kontingent intimer Briefe Julias verfügt. Auch Wechsel, die von Julias Hand unterzeichnet sind, befinden sich im Besitz Barrats.

Staatsanwalt Gontard ist am Boden zerstört, dennoch rafft er sich auf und beginnt mit ungeahnter Energie und Verzweiflung den »Mord« an seiner Frau zu untersuchen. Ebenso beschäftigt sich sein Sohn mit der Angelegenheit, denn letzterer befürchtet, daß seine Geliebte Jelena Leskoy in irgendeiner Weise in diesen Fall involviert ist. Herbert reist kurz nach Berlin um dort Erkundigungen einzuziehen.

Die Autorin hält sich über weite Strecken bedeckt über den Inhalt der Briefe Julias und der Schuldverschreibung, deren Ursache unklar bleibt. Doch berichtet sie in einem Kapitel über die Intention Barrats, der in einem Gespräch mit seiner Ex-Frau einiges enthüllt, das für den Leser interessant sein dürfte. Jener Berliner Theateragent Barrat ist es, der einen Rachefeldzug gegen Staatsanwalt Gontard gestartet hat, denn letzterer hatte ihn, Barrat, ins Gefängnis gebracht. Barrat hatte ein sexuelles Verhältnis zu einer Minderjährigen, die von dem Schurken schwanger wurde. Das Mädchen beging jedoch Selbstmord, und der Sachverhalt gelang in die Öffentlichkeit. Staatsanwalt Gontard war es maßgeblich, der den Schurken hinter Gitter brachte, der sich übrigens keinerlei Schuld bewußt war.

Während Staatsanwalt Gontard und sein Sohn getrennt von einander langsam die Puzzlestücke enthüllen, die die Ahnung eines Gesamtbildes vermitteln könnten, eskaliert jedoch dieser als Tragödie angelegte Roman.

Staatsanwalt Gontard hatte einen Brief von Julia erhalten, der Geliebten seines Sohnes, und hoffte von dieser Dame nähere Aufklärung zu erhalten. Als er unangemeldet in der Wohnung der Tänzerin aufschlug, begegnete er Barrat. Es kommt zu einer Auseinandersetzung, doch die Autorin läßt der Geschichte einen dramaturgischen Schnitt angedeihen, denn als nächstes begegnen wir in Jelenas Wohnung Herbert Gontard, der einen kleinen Revolver trägt, dessen Geliebte Jelena und den erschossenen Barrat. Dies ist die Situation als ein Nachbar die Wohnung betritt, weil er glaubt vor einigen Augenblicken einen Schuß gehört zu haben.

Die Polizei betritt den Tatort, die Spuren werden gesichert und die Zeugen befragt. Alles spricht gegen Herbert Gontard, der jedoch die Aussage verweigert und nach einiger Zeit den Tatort verlassen darf.

Auch Herberts Vater Staatsanwalt Gontard ist verdächtig, ebenso Jelena. Die Polizei hofft, daß sich einer der Beteiligten zu einem Geständnis herabläßt. Und Jelena ist es, die dies tut. Sie wird in Untersuchungshaft genommen, doch der diensthabende Ermittler glaubt nicht recht an die Schuld der schönen Russin.

Erst als einige der Beteiligten sich ausführlich unterhalten, wird klar, daß Oblonsky, Jelenas Vetter, den Schuß auf Barrat abgegeben haben muß. Das bestätigt sich kurz darauf mit einem schriftlichen Geständnis. Oblonsky gesteht den Mord und gibt zu erkennen, daß er nunmehr seinem Leben ein Ende setzt.

Barras war es, der sich an Gontard rächen wollte, und er war es, der es auf verschiedene Frauen abgesehen hatte, auch Julia Gontard oder Jelena Leskoy waren darunter, die er wohl sexuell erpressen wollte.

Der ganze Roman ist ein zeittypisch melodramatisches Buch, das aber recht geschickt in Szene gesetzt ist und davon lebt, daß die Autorin die Informationen so lang zurückhält, so daß der Leser fortwährend in Spannung gehalten wird. Dennoch ist die bleierne Atmosphäre gewöhnungsbedürftig. Die Humorlosigkeit der Autorin ist erschreckend, Kafka könnte geradezu als Spaßvogel gelten, wenn man diesen tragischen Schwampf der Brünhilde Hofmann liest. Man glaubt die melodramatischen, kitschigen Liebesfilme der Nazizeit vor sich zu sehen, wo Frauen ungeheuer viel Tränen vergießen, das Leben ein einziges Trauerspiel darstellt und die Tragik alles beherrscht. Die Liebesszenen dagegen sind von einer rührseligen Steifheit, das ganze läßt sich nur mit einem Wort fassen: Kitsch! Die sich fortwährend aufgrund ihrer Liebe zu ihren Männern sich selbst opfernden Frauen sind unerträglicher Blödsinn, wenngleich dieses Frauenbild den Nazis offenbar als Ideal vorschwebte. Glücklicherweise finden sich keine weiteren Spuren der Deppenideologie in dem Buch.