T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

»Der Fluch des Königs Tut-al-menes« von Matthias Blank 1924
von Mirko Schädel



Matthias Blank: Der Fluch des Königs Tut-al-menes, Leipzig: Amboß-Verlag 1924, Amboß-Kriminabücher Band 3, 142 S.



Schon der Titel des Buchs ist gewissermaßen irreführend, denn der Fluch eines Pharao suggeriert der Leserschaft schon ein gewisses Maß an Phantastik und Mystifikation, die der Autor auch ganz bewußt herstellt um das Publikum zum Kauf zu reizen. Aber wie bei Matthias Blank üblich, finden diese bei den Lesern hervorgerufenen Assoziationen beinah immer eine rationale Aufklärung. 

Der Roman beginnt einerseits ziemlich schwach, andererseits ziemlich stark. Die Stärke des Autors besteht darin, daß er die Atmosphäre und das Sujet, das er fixieren wollte, gut durchrecherchiert hat, die Darstellung Ägyptens und das Milieu sind glaubhaft nacherzählt, die Schwäche besteht darin, daß der Leser Mühe hat den etwas hölzernen Einstieg in diese Welt nachzuvollziehen, insbesondere die vielen arabischen Namen auseinanderzuhalten.

Wenn man sich aber die Mühe gemacht hat den Anfang des Romans erfolgreich zurückgelegt zu haben und die eigentliche Mordgeschichte zu lesen, dann wird man mit einer etwas possenhaften, witzigen Konstruktion belohnt, die entfernt an eine Mischung von Agatha Christies Tod auf dem Nil und dem Indiana Jones-Thema erinnert. Dabei gelingt es Blank recht gut den Massentourismus der Frühzeit zu porträtieren, der in Luxor in zahlreichen großen Hotels zelebriert wurde – vornehmlich von reichen Gästen aus Europa und Amerika.

Die Geschichte ist grob umrissen folgende: Lord Prudhonny of Downingshouse und seine Tochter Cecile treiben sich bereits seit Jahren in Ägypten herum, denn der alte Lord und Sammler ägyptischer Artefakte gibt sich der Hoffnung hin ein unbekanntes Pharaonengrab zu entdecken. Lord Prudhonnys Gattin ist bereits verstorben, und er und seine Tochter lebten zuvor meist in Schottland am Ufer des Loch Ness. Doch Cecile langweilt sich in Luxor unendlich und ist mit ihren Gedanken nur bei ihrer Jugendliebe, Guy Clark, der jedoch von einer Expedition in Zentralafrika nicht heimgekehrt ist und als verschollen, vielmehr tot, gilt.

Guy Clark hatte bei Lord Prudhonny um Ceciles Hand gebeten, doch der alte Lord hat dies aus zwei Gründen ausgeschlagen, zum einen, weil Clark sich wissenschaftlich gegen Lord Prudhonny und seiner fixen Idee vom König Tut-al-menes gewandt hatte – über dessen Existenz die Fachwelt stritt – zum anderen aber, weil die Familie Clark ebenfalls Anspruch auf das Vermögen der Prudhonnys von Downingshouse erhebt, die einem Seitenarm ein und derselben Familie entsprang. Lord Prudhonnys Erbe konnte nur angetreten werden, da er zumindest ein Kind sein eigen nannte.

In Kairo und Luxor spielt der Roman und eines Tages wird Lord Prudhonny im Beisein Ceciles unsanft angerempelt und er murmelt dabei leicht irritiert den Namen Athanasios Kyriadotis, den Cecile noch nie gehört hatte. Lord Prudhonnys Sekretär Mr. Reading kümmert sich zeitweise auch um Cecile, die nervlich ziemlich angespannt ist.

Schon nach kurzer Zeit wird klar, daß Mr. Reading, ebenso wie ein reicher Ägypter namens Hassanein
Effendi ein gehobenes Interesse an Cecile hegen. Allerdings scheint Mr. Readings Interesse an Cecile nicht ganz uneigennützig zu sein, denn dieser bricht nächtens in das Hotelzimmer seines Dienstherrn Lord Prudhonny ein, wo er später von einem weiteren Einbrecher, dem Griechen Kyriadotis, überrascht wird, die nun gemeinsam versuchen wollen das Vermögen der Prudhonnys von Downingshouse beiseite zu schaffen. Dafür suchen sie in den Papieren des Lords offenbar nach Beweisen, daß deren Vermögen rechtlich nicht eindeutig der Familie Prudhonny gehöre. Die Spizbuben finden offenbar ein Papier, daß Zweifel aufkommen läßt. Doch die Intriganten treffen sich einige Zeit später und beschließen den Lord zu beseitigen, da sie hoffen mit der verbliebenen Tochter Cecile ein leichteres Spiel zu haben.

In diesem Augenblick taucht Cecile verschollene und für Tod geglaubte Jugendliebe Guy auf, der sich ihr gegenüber unauffällig bemerkbar macht. Diese Liebe knüpft an ihre alte Leidenschaft an, und die beiden treffen sich häufiger des Nachts um über ihre gemeinsame Zukunft zu beraten.

Lord Prudhonny hat derweil den Zugang zu einem Pharaonengrab freilegen lassen. Cecile, Mr. Reading und einige Ägypter sind anwesend, als der Lord die Grabhöhle betritt. Das eigentlich Grabgewölbe ist mit einer Art gläserner Siegel verschlossen, die Lord Prudhonny mit einem Hammer bearbeitet und dabei recht viel Staub einatmet.

Dann finden die Archäologen die Mumie nebst den Grabbeilagen. Die Mumie samt Sarkophag soll vor der Öffnung nach Kairo geschafft werden zur weiteren wissenschaftlichen Untersuchung. Lord Prudhonny, nunmehr nicht nur ein reicher, sondern auch ein berühmter Mann, sieht sein Lebensziel erfüllt. Zwei Tage nach seiner Entdeckung findet man den Lord quer über dem Bett liegend, mit verzerrten Zügen und grünlichem Schaum vor dem Mund, tot in dem Hotel.

In der Nacht zuvor traf der Lord  überraschend auf seine Tochter, die mit Guy durch die nächtlichen Hotelterrassen lustwandelte. Es kommt zu einer knappen Aussprache, die darin gipfelt, daß Lord Prudhonny Guy Clarke bat mit in sein Hotelzimmer zu kommen um eine längere Aussprache zu haben.

Cecile findet am Morgen ihren ermordeten Vater, doch Guy scheint überstürzt abgereist zu sein – sie glaubt nicht, daß ihr zukünftiger Ehemann ihren Vater ermordet habe, aber möchte Guy auch nicht dem Verdacht aussetzen, so daß sie beschließt über Guy Clarkes Anwesenheit zu schweigen. Doch wundert sie sich über Guys überstürzte Abreise – ohne Cecile darüber orientiert zu haben.

Der Detektiv Tom Allen übernimmt den Fall, er findet heraus, daß mndestens vier Personen im Zimmer des Ermordeten gewesen sein müssen bevor die Leiche entdeckt wurde. Lord Prudhonny ist mit einem unbekannten Gift ins Jenseits befördert worden. Allen nimmt an, daß der erste, unbekannte Besucher mit dem Lord Wein getrunken habe, da zwei benutzte Gläser in dem Raum gefunden wurden.

Nach und nach legt Allen die Hintergründe des Verbrechens frei, nur die Identität des ersten Besuchers, nämlich Guy Clarke, scheitert an der Verstocktheit Ceciles, die zu dieser Person keine Informationen gibt, obwohl es Augenzeugen gegeben hatte, die eine dritte Person gesehen hatte.

Die Geschichte ist außerordentlich verwickelt und so mache ich es kurz, der Grieche Kyriadotis ist der Bruder Ceciles, die von Lord Prudhonny als Kleinkind adoptiert wurde, da er kinderlos sein Erbe nicht hätte antreten können, so daß er seine Tochter von einem Griechen gekauft hatte. Kyriadotis und Mr. Reading, der Sekretär Lord Prudhonnys, wollen ihr geheimes Wissen nun rekapitalisieren und hegen Ansprüche auf Teile des großen Vermögens.

Doch sie wissen nicht, daß Guy Clarke und der Lord sich über die Erbfolge geeinigt haben. Stattdessen haben die beiden Gauner einen arabischen Auftragsmörder in das Hotelzimmer geschickt, doch dieser fand sein Opfer bereits tot vor.

Erst am Ende des Romans geht dem Detektiv Tom Allen ein Licht auf, denn die Schrift, die sich im Sarkophag des Pharao Tut-al-menes vorfindet, wurde entziffert, in der vom Fluch des Tut-al-menes die Rede ist. Darin wird beschrieben, daß derjenige, der die Grabstätte öffnet, zwei Tage darauf auf rätselhafte Art sterben wird. Tom Allen läßt die verbliebenen Siegel des Grabgewölbes abtragen und macht bedauerlicherweise einen Tierversuch.

Ein Hund wird dem Staub dieser Siegel ausgesetzt und stirbt zwei Tage später unter ähnlichen Umständen wie Lord Prudhonny. Das Rätsel ist gelöst, wenngleich die Zusammensetzung des Giftes ein Geheimnis bleibt. Kyriadotis und Mr. Reading werden wegen diverser Delikte, unter anderem versuchten Mordes, zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Der arabische Auftragsmörder wird aufgrund der aufgefundenen, gestohlenen Gegenstände aus dem Hotelzimmer Lord Prudhonnys ebenfalls verurteilt. Guy und seine Cecile leben fortan in Schottland in Eintracht mit dem dort herrschenden schlechten Wetters.