T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Albert Dorrington: »Erzählungen eines Südseefreibeuters«, 1915

von Mirko Schädel


Albert Dorrington: Erzählungen eines Südseefreibeuters, Berlin, Leipzig: Hermann Hillger 1915, Kürschners Bücherschatz Band 993, 112 Seiten


Albert Dorrington, 1874–1953, Brite, der einige Zeit in Australien gelebt und gearbeitet hatte. Er kehrte später nach England zurück und schrieb den an Sax Rohmer angelehnten Roman »The Radium Terrors«, wo ein an Fu Manchu erinnernder, japanischer Schurke mittels Radium die Weltherrschaft anstrebt. Er schrieb weitere Romane, die ähnlich strukturiert zu sein scheinen.

Erzählungen eines Südseefreibeuters, 1915, ist eine Auswahl des Buches A South See Buccaneer, 1911. Der Mann mit dem Tiger ist eine amüsante, abenteuerliche Kriminalerzählung von einem Inder, der seinen Tiger auf einem Schiff von Singapore nach Hamburg verfrachtet. Doch der Kapitän Hayes und ein als Detektiv agierender Juwelenhändler sind überzeugt, daß der Besitzer des Tigers einen berühmten Rubin gestohlen hat. Der Tiger steckt derweil in einem abgedeckten Käfig auf Deck. Der Kapitän und sein Bekannter sind nun der Ansicht, der Inder habe den Tiger vor seiner Abreise betäubt, und den Rubin in eine Hautfalte des Kätzchens transplantiert, denn niemand sei verständlicherweise auf die Idee gekommen den Tiger untersuchen zu wollen bei der Zollbehörde.

Als die beiden den Besitzer der Raubkatze zur Rede stellen, scheint sich der Verdacht zu bestätigen, denn der Tierhändler öffnet den Käfig und hetzt das Tier unter Deck, wo gleich ein Matrose als Zwischenmahlzeit dienen muß. Damit ist der Weg in die Kajüte des Kapitäns unerreichbar, wo sich nämlich ein Gewehr befindet. Der Tiger eilt auf Befehl seines Besitzers zurück an Deck und legt sich nieder, während der Inder seelenruhig die Waffe aus der Kapitänskajüte holen geht.

Die ganze Mannschaft ist in Aufruhr, aber niemand scheint Lust zu haben sein Leben aufs Spiel zu setzen. Während die abgerichtete Großkatze es sich auf Deck bequem gemacht hat, hantiert der Inder fortwährend mit dem Gewehr herum. Allerdings hat er nur eine Kugel im Lauf. Der Kapitän, der dies weiß, schickt einen Heizer unter Deck, der eine Pistole holen soll. Doch der Inder wittert die Gefahr, die Katze wird unruhig, es löst sich ein Schuß – und in letzter Sekunde wird der Tiger erschossen, der im Sprung getroffen wird und dann über Bord geht.

Während die Ruhe des Kapitäns wieder hergestellt ist, ärgert sich der Juwelenhändler über den Verlust des wertvollen Steins, der mit der Raubkatze im Ozean versank.

Die anderen kurzen Geschichten drehen sich um die Erlebnisse des Kapitäns Hayes, der viel herumgekommen und viel erlebt zu haben scheint – und spielen vorwiegend im südostasiatischen Raum und Indien. Hayes betätigt sich in den unterschiedlichsten Geschäftszweigen, doch sein angeborener Pragmatismus und sein Mut leiten ihn verläßlich durch die stürmische See des Lebens und den ungewöhnlichen Problemstellungen seiner Geschäftstätigkeit. Die Erzählungen sind teilweise exotistische Kriminalerzählungen, teils Abenteuererzählungen und zeichnen sich durch überraschende Wendungen und witzige Plots aus. Darüberhinaus ist die Übersetzung zu würdigen, denn Carl Meyer hat die Atmosphäre des Originals ins Deutsche hinübergerettet und die Details präzis herausgearbeitet. Im kurzen Vorwort wird darauf hingewiesen, daß Stefan von Kotze auch ein paar Erzählungen Dorringtons übersetzt habe, aber ob die ausschließlich in Zeitschriften erschienen oder in von Kotzes eigene Textsammlungen eingeflossen sind, kann ich nicht sagen.

Ein Perlendiebstahl handelt von Kapitän Hayes, der sich als Perlenlogger betätigt und von seinem japanischen Perlenfischer bestohlen wird, der wiederum mit einem chinesischen Bankier und Hehler zusammenarbeitet.

Eine Meuterei spielt in Australien und handelt von einem Zuckerrohrproduzenten, dessen exotische Belegschaft streikt und gewalttätig zu werden droht. Kapitän Hayes zähmt die Streikenden mit einem Bad in Zuckersirup.

Der Ringer des Rajah handelt von einer Verwechslung. Kapitän Hayes gerät mit seiner Mannschaft in eine langwierige Flaute, so daß die Männer sich ausschließlich von chinesischen Eiern ernähren – vermutlich meint der Autor die berühmten 1000jährigen Eier, die durch Fermentierung über Monate im Erdboden veredelt werden und eine besondere Delikatesse darstellen. Derart demoralisiert landen sie auf dem indischen Subkontinent und nehmen Kontakt zum nächstbesten Lokalfürsten auf, der gerade dabei ist einen internationalen Ringerwettbewerb auszurichten. Dabei wird Kapitän Hayes mit einem britischen Ringer verwechselt, der die Rolle auch annimmt, aber zu zweifeln beginnt als er seinen morgigen Gegner, einen afganischen Kämpfer, kennenlernt. Doch Hayes weiß sich zu helfen…