T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

anonym: Minx Nr. 7 »Der hypnotische Mord«, 1908
von Mirko Schädel



anonym: Der hypnotische Mord, Berlin: Neuer Verlag 1908, Minx [der Geistersucher] Heft 7, 31 Seiten


Das anonym erschienene Minx-Heft 7, Der hypnotische Mord, 1908, erzählt die Geschichte von etlichen, rätselhaften Selbstmorden junger Damen, die häufig mit vorangegangenen Diebstählen einhergehen. Der amerikanische Detektiv Minx ist in Berlin und läßt sich diese Fälle durch den Kopf gehen. Schon bald entwickelt er eine Theorie über den Tathergang der verschiedenen Fälle, die er auch aufgrund seiner okkulten Fähigkeiten als Morde deklariert. Denn Minx sieht Visionen der Zukunft, er hat das zweite Gesicht, und wird mit traumartigen Sequenzen konfrontiert, die ihm das nächste Opfer und den Ort des beabsichtigten Selbstmords verraten.

So eilt er einmal zu einem jener Orte, den seine Phantasie und sein zweites Gesicht ihm eingegeben haben, doch dieses Mal ist er zu spät. Ein ihn auf seltsame Weise berührender Arzt ist bereits am Tatort über das Mädchen gebeugt, die sich kurz zuvor in einen Kanal gestürzt hatte. In Minx zuckt es förmlich vor Antipathie, als er diesen Arzt das erstemal zu sehen bekommt.

Er ahnt, daß dieser Mann über ähnliche Fähigkeiten wie er selbst verfügt, und das dieser wohl die diversen Mädchen mit Hypnose gefügig gemacht hatte, sie dann als Diebinnen ausgesandt hatte um sie später, damit alle Spuren verloren gehen, in den Selbstmord zu treiben. Falls jedoch eines der Mädchen aus dem Wasser gerettet werden würde, steht dieser sympathische Arzt bereit, um mittels eines Giftes sich des Opfers endgültig zu entledigen.

Kurz darauf macht sich eine neue Vision bei Minx bemerkbar, diesmal hofft er das Mädchen zu retten, ehe sein Kontrahent am Tatort ist. Tatsächlich gelingt es Minx den Ort aufzusuchen und zu sehen, wie wieder ein neues Mädchen ins Wasser stürzt. Minx schnappt sich ein Boot und kann die Selbstmörderin aus dem Wasser ziehen. Er bringt das Mädchen ans Ufer und beginnt mit der Wiederbelebung.

Einige Schaulustige sind ebenfalls am Ort, und dann erscheint jener Arzt, den Minx in Verdacht hat. Dieser Arzt bietet seine Hilfe an, doch Minx behauptet er sei selbst Arzt und kümmere sich um das Mädchen, was bei dem Unbekannten auf großes Unverständnis und Widerwillen stößt. Jener Arzt bietet noch sein Etui mit Spritze und Äther an, das Minx auch dankend annimmt, aber nicht gebraucht. Als das Leben in das Mädchen zurückkehrt, läßt Minx das Etui unauffällig verschwinden, erklärt dem Arzt, es sei verloren gegangen und er sei nicht Arzt, sondern Minx, der Detektiv.

Minx ruft eine Droschke und fährt seine Patientin nach Hause, wo er auf ein aufgebrachtes Ehepaar stößt, das der Meinung ist, daß das Mädchen, das bei ihnen als Dienstbotin tätig ist, einen Juwelendiebstahl begangen habe. Minx bittet das biedere Pärchen zu einem Gespräch und setzt den verdutzten Leuten auseinander, daß das Mädchen wohl nur im Zustande der Hypnose zu dem Diebstahl und anschließend zum Selbstmord getrieben worden sei. Minx kenne den Mörder und Dieb von Ansehen, man möge dem Mädchen alle Schuldzuweisungen ersparen.

Minx findet auch noch in der Villa des Paares ein Foto des Herrn, der mit jenem angeblichen Arzt und Verbrecher identisch ist – und so erfährt er auch den Namen des Täters: Leutnant von Mingwitz. Außerdem läßt Minx die Substanz aus dem Etui des Verbrechers analysieren, es handelt sich um ein schnellwirkende, tödliches Gift – statt dem angeblichen Äther. Minx kennt nun Namen und Aussehen
des Verbrechers und stellt diesem eine Falle, dergestalt, daß Minx die Identität eines ehrbaren und reichen Bürgers annimmt und eine Abendgesellschaft veranstaltet zu der auch von Mingwitz samt Gattin geladen wird.

In diesem Hause vereitelt Minx einen Anschlag auf die vermeintlichen Juwelen seiner angeblichen Gattin, überwältigt von Mingwitz und fesselt diesen. Darauf eilt er in die Mingwitzsche Wohnung, wo er die Privatgemächer des bösen Buben nach Beweisen durchsucht. Minx sucht nach die gestohlenen Juwelen, wird jedoch von dem Verbrecher überwältigt, dabei kann sich Minx nicht erklären, wie dieser sich befreit haben könnte. In dieser Art nimmt die Scharade ihren Fortgang, bis Minx seinerseits wieder befreit wird kurz bevor er an einem Giftgas zugrunde geht. Dann stellt sich heraus, daß von Mingwitz einen Zwillingsbruder hat, und die Taten gemeinsam von den Brüdern begangen wurden. Am Ende kommt es zu einer wilden Schlägerei zwischen den beiden von Mingwitz-Brüdern und einigen Polizisten. Der eine von Mingwitz stirbt im verzweifelten Kampf an einer Schußwunde, der zweite von Mingwitz wird verhaftet und ins Zuchthaus gebracht, wo er sich kurz vor seiner Verurteilung am Fensterkreuz seiner Zelle aufknüpft – offenbar weil er sich in seiner Gaunerehre durch Minx entehrt fühlte.

So schlecht, wie ich befürchtet hatte, ist der Text gar nicht. Minx ist ein amerikanischer Detektiv, den es nach Berlin verschlagen hat und der mit Hilfe seiner hypnotischen Kräfte die Fälle löst. In diesem Falle jedoch hatte er es mit einem der von Mingwitz-Brüder zu tun, der über ähnliche Kräfte verfügte wie Minx, und faktisch einen Doppelgänger hatte, nämlich seinen Zwillingsbruder.

Das ganze ist etwas naiv und sensationslüstern erzählt, wie es eben in dieser Art der Kolportage nahezu üblich war. Allerdings ist der Ton erfrischend modern, denn der unbekannte Autor bemüht weder den hölzernen, wilhelminischen Stil – noch neigt er zu Pathos und Kitsch, wie manch andere Autoren jener Zeit.