T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel


Robert N. Bloch
Eine Bildergalerie vergessener Phantasten. Autorenlexikon der deutschsprachigen Phantastik 1880-1950
o. O.: edition sub rosa 2023 343 S.


Nach jahrelangen Vorbereitungen konnte Robert Bloch sein zweites Hauptwerk nach der letzten Ausgabe seiner Bibliographie der Utopie und Phantastik 1650 – 1950 (2002) nun vorlegen – ein weiteres unverzichtbares Nachschlagewerk. Das Vorwort des bekannten Phantastikforschers Marco Frenchkowski umreißt treffend die Schwierigkeiten, der sich die Erforschung eines lange vernachlässigten, sogar verachteten Literaturgebietes lange Zeit gegenübersah. Es gibt heute zwar blühende Phantastikforschung mit ganz neuen Fragestellungen, aber weite Bereiche der einschlägigen Literatur sind nach wie vor unerschlossen:
Immerhin hat der neue Trend (mittlerweile ist auch nicht mehr wirklich „neu“) den Blick vom Normativen, Kanonischen, auf die Alterität, das Marginale; Ausgegrenzte, das Vergessene, aber auch das Verbotene, Untergründige, Subversive gelegt. Sie hat damit Kunstformen in den Blick genommen, die vorher niemals Gegenstand wirklicher Forschung gewesen waren. Wenn das Phantastische sehr viel mit dem Verdrängten und Vergessenen einer Gesellschaft und Kultur zu tun hat, dann unterliegt es seinerseits auch selbst erstaunlichen Prozessen des Vergessens, partizipiert andererseits auch an den Transformationen, den unsere kulturellen Diskurse und unser kulturelles Gedächtnis an und für sich durchmachen, und deren Richtungen (abgesehen von Differenzierung, dem Grundzug der Moderne) noch überhaupt nicht absehbar sind. (S. 8)
Am Anfang standen die Sammler, die erst einen Korpus von Literatur anhäufen und identifizieren konnten, der wegen der wohlfeilen Publikationsweise in den Bibliotheken kaum gesammelt und sich auch außerhalb kaum erhalten haben. Viele der 257 besprochenen Autoren werden auch dem versierten Leser kaum bekannt sein, und die wenigsten werden die wirklich seltenen Titel je gesehen haben. Bloch ist selbst ein unermüdlicher Sammler, aber selbst er besitzt nicht alle der abgebildeten Buchumschläge, die oft noch viel seltener sind als die Bücher selbst. Aber er kann immer auf Titel verweisen, die kaum ein anderer Sammler je gesehen hat. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er keinen literarischen Moden folgt und sich nicht auf haarspalterische Phantastik-Interpretationen einlässt, sondern, ähnlich wie E.F. Bleiler in den USA, unverschnörkelte Inhaltsangaben und no-nonsense Analysen liefert, was den Leser am meisten interessiert, der vor allem wissen will, was eigentlich in den Büchern steht. Bloch liefert in jedem Eintrag zunächst eine kurze Biographie, soweit bekannt, unter Auflösung der Pseudonyme, dann werden die wichtigsten einschlägigen Werke vorgestellt und kurz analysiert, auch Sekundärliteratur angeführt. Blochs literarisches Urteil ist treffsicher, er scheidet die Spreu vom Weizen. Wertvoll sind auch die vielen Abbildungen seltener Erstausgaben, leider nur in Schwarz-Weiß.
Für jeden an älterer Phantastik Interessierten ist diese Bildergalerie ein unentbehrliches Werk zum Schmökern und Nachschlagen.
Franz Rottensteiner