T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Alexander Dumas dem Jüngeren: »Drei starke Männer«, 1856

von Mirko Schädel


Alexander Dumas dem Jüngeren: Drei starke Männer, Stuttgart: Franckh’sche Verlagshandlung 1856, Das belletristische Ausland…, 480 Seiten


Alexandre Dumas der Jüngere, 1824–1895, hat den Roman im Original unter dem Titel Trois homme forts, 1850, veröffentlicht. Das Buch erschien in deutscher Sprache erstmals 1850 im Verlags-Comptoir in Grimma und Leipzig, 1856 dann bei der Franckh’schen Verlagshandlung in Stuttgart unter dem Titel Drei starke Männer in der Übersetzung von Dr. Christian Friedrich Grieb.

Auf den ersten rund 70 Seiten werden wir mit dem grausamen Mordfall um den Pfarrer Valentin Raynal in Lafou konfrontiert, der Leser ahnt allerdings recht bald, daß der verdächtige Neffe Johann Raynal unschuldig ist. Trotz des Absurden wird Johann Raynal zum Tode verurteilt, denn alle Indizien weisen auf den jungen Mann. Der Pfarrer wurde grausam mit Messerstichen übersäht, eine typische Übertötung, denn schon der erste Stich ins Herz muß den Pfarrer ins Jenseits befördert haben. Anschließend wurde die Haushälterin des Pfarrers in ihrem Zimmer mit nur einer Hand erwürgt, dann hat der Mörder noch das Bargeld aus dem Hause gestohlen, denn der Pfarrer Raynal hatte gerade eine wohltätige Sammlung veranstaltet, und der Erlös dieser Sammlung von rund 1200 Franc befand sich im Hause.

Nach dieser eindringlichen und knapp geschilderten Episode macht Dumas einen Zeitsprung von über 20 Jahren. Wir befinden uns auf einem Schiff, das von Madagaskar kommend nach Frankreich schippert. Auf dem Schiff befinden sich nur wenige Passagiere. Drei der Passagiere spielen mit dem Kapitän Domino. Einer der Spieler ist ein ungeweihter, junger Priester namens Felician, der zweite ein Arzt, und der dritte ein französischer Kaufmann aus Madagaskar kommend. Bei dem dritten Passagier namens Joseph Valery genannt Der Bettler handelt es sich um einen dubiosen Charakter. Der Leser ahnt, daß es sich hier um den wahren Täter jenes Mordes von vor 20 Jahren handeln muß. Dieser Mann erkrankt noch während des Dominospiels am Gelbfieber, das er sich in Madagaskar zugezogen hat. Valery wird fast ohnmächtig, der Arzt weist ihm eine abgesonderte Kabine zu und man schafft den hochansteckenden Kranken hinaus. Valery droht zu kollabieren und bittet nun den ungeweihten Priester namens Felician ihm die Beichte abzunehmen. 

Doch Felician, der noch nicht zum Priester geweiht wurde, verweigert Valery diesen Dienst. Später erklärt er sich jedoch bereit, da der Kranke im Sterben liegt. Die Beichte ist ein umfassendes, autobiographisches Porträt eines Psychopathen, eines in jeder Hinsicht bösartigen, mordlustigen und grausamen Mannes, der auch den Doppelmord an den Pfarrer Raynal und dessen Haushälterin eingesteht. Valery habe selbst der Gerichtsverhandlung gegen Johann Raynal beigewohnt und ebenso der Hinrichtung des unschuldig Verurteilten. Dann sei er mit seiner Beute nach Madagaskar entschwunden, wo dieses Geld als Grundkapital seiner überaus erfolgreichen Geschäfte diente. Valery ist nun ein gemachter Mann, der ein Vermögen besitzt, das ihm völlige Unabhängigkeit verschafft – wenn er nicht vom Gelbfieber hinweggerafft werden würde.

Felician ist angewidert von dieser Ausgeburt des Bösen und denkt einige Zeit darüber nach auf die Priesterweihe zu verzichten und sich einem anderen Betätigungsfeld zuzuwenden. Er versprach dem Sterbenden die Rehabilitierung des hingerichteten Johann Raynal zu veranlassen, denn Valery fürchtet nun auf dem Sterbebett doch noch die göttliche Gewalt. Vorerst jedoch verläßt Felician das Schiff um eine Erbschaftsangelegenheit zu ordnen. Der sterbende Valery liegt in den letzten Zügen in seiner Krankenkabine.

Einige Monate später erreicht Felician voller Vorfreude sein Heimatland. Er eilt zu seiner Mutter und Schwester, wo er erfährt, daß er nach seiner Priesterweihe als Pfarrer in seinem Heimatort wirken darf. Doch vorher muß er noch die Rehabilitierung des Johann Raynal veranlassen und den wahren Mörder, den vermeintlich gestorbenen Valery, verraten. Er ahnt nicht, daß seine Schwester sich seit einiger Zeit mit einem Geliebten trifft, einem Grafen, der niemand anderes sein kann als der Mörder Valery, der nicht nur das Gelbfieber überwunden hat, sondern offenbar den Plan gefaßt hat die Wahrheit über seine Missetaten zu hintertreiben und bereits in dämonischer Weise Macht über Felicians Schwester gewonnen hat. Aber Valery hat nicht nur Macht über Felicians Schwester gewonnen, er hat sie zu seiner Maitresse gemacht und sie geschwängert.

Ein erheblicher Teil des Romans versinkt nun in französische Geschwätzigkeit, die berühmte Geschwätzigkeit des Feuilletons. Sehr ausführlich und unfaßbar umständlich wird nun diese unbotmäßige Liebesgeschichte behandelt, die gar keine ist. Denn Felicians Schwester hegt instinktive Zweifel an ihrem Verführer und verliebt sich nach und nach in einen rechtschaffenen Handwerker namens Robert.

Am Ende kommt es zu einem Showdown zwischen Felician und dem Schurken Valery, letzterer tritt ab der Hälfte des Romans als jener falsche Graf auf. Das Gespräch der beiden wird von dem rechtschaffenen, jungen Robert belauscht, der nunmehr erfährt, daß der falsche Graf und Verführer seiner Angebeteten ein brutaler Mörder ist. Robert lauert dem Grafen später auf, provoziert diesen, wird angeschossen und erhebt dann seine möchtige Faust um den falschen Grafen zu erschlagen. Bei der folgenden  Gerichtsverhandlung wird Robert freigesprochen, denn sein Gewaltakt wird als Selbstverteidigung interpretiert. Es herrscht nunmehr Friede, Freude, Eierkuchen. Das uneheliche Kind des skrupelosen Mörders stirbt übrigens noch bei der Geburt – und so ist die bürgerliche Ordnung wieder hergestellt.

Der Autor bedient sich eines etwas blumigen Stils, der gewöhnungsbedürftig ist, dennoch ist die erste Hälfte des Buchs recht spannend und interessant. Besonders hervorzuheben ist das Porträt des psychopathischen Verbrechers, das auf die Moderne weist. Später flacht der Roman zunehmend ab, obwohl auch da noch stärkere Passagen zu finden sind, wenn es um die Psychologie der handelnden Figuren geht.