Matthias MacDonnell Bodkin: »Die unsichtbare Hand«, 1926
von Mirko Schädel
Matthias MacDonnell Bodkin: Die unsichtbare Hand, Stuttgart: J. Engelhorn Verlag 1926, 2. Aufl., Engelhorns Romanbibliothek Band 843 [33/11], 144 Seiten, Umschlag von G. Lebrecht
Die unsichtbare Hand, 1917 [2. Auflage 1926] ist eine Sammlung von Kriminalerzählungen. Die erste Geschichte mit dem Titel »Die Geschwindigkeit des Schiffs« ist eine recht zahme und biedere Erzählung um verbotenes Glücksspiel auf einem Ozeandampfer. Mr. Rhondel, ein älterer Herr, lernt ein junges, irischstämmiges Paar namens Eyre kennen, das die Vereinigten Staaten verläßt um sich in Irland anzusiedeln. Der junge Eyre, der noch in jugendlichem Übermut sich an Bord zu langweilen scheint, erfährt von einem Kreis von älteren Spielern, die auf die Fahrgeschwindigkeit des Schiffes wetten. Die Schifffahrtsgesellschaft, die derartige Glücks- und Wettspiele untersagt hat, soll allerdings einen Detektiv an Bord gesandt haben um derartiges Tun zu unterbinden. Der Leser ahnt bereits, daß hinter der Fassade des biederen Mr. Rhondel niemand anders stecken könne, als ein nüchtern denkender Detektiv.
Die erste Wette auf die Fahrgeschwindigkeit findet noch mit niedrigen Einsätzen statt und scheint marginal zu sein, doch die anschließende Wette gerät in gänzlich neues Fahrwasser, die Beteiligten überbieten sich bei der Versteigerung der Lose, besonders die hohen Schiffsgeschwindigkeiten sind nachgefragt, hatte der Dampfer doch in den letzten Tagen Höchstgeschwindigkeiten zu verbuchen. Doch Mr. Rhondel, hinter dem niemand anders steckt als der Detektiv Paul Beck, ahnt bereits, daß einige der Mitspieler nicht mit lauteren Mitteln spielen und alles versuchen werden um die Wette zu manipulieren.
Tatsächlich wird bei der Besichtigung der Maschinenräume von einigen Passagieren der Versuch unternommen die Schiffswelle zu manipulieren, doch Beck, der Ingenieur und der Kapitän waren vorgewarnt. Sie hatten das Schiff bereits während der Nacht mit Höchstleistung angetrieben, als es dann zu einer einstündigen Reparatur der Schiffswelle kam, die durch einen Anschlag verursacht wurde, konnte das Schiff ohne großen Durchschnittsgeschwindigkeitsverlust weiterfahren – und der Versuch der Falschspieler scheiterte und wurde am Ende von Paul Beck öffentlich gemacht. Die Geschichte ist nicht besonders interessant.
Die zweite Erzählung in dem Band mit dem Titel »Zwischen dem Teufel und dem tiefen Meer« hat schon etwas mehr zu bieten, handelt sie doch von einem groß angelegten Versicherungsbetrug, der auch vor Todesopfern nicht zurückschreckt. Die berühmte Versicherungsgesellschaft Lloyds
aus London heuert Paul Beck an, um rätselhafte Schiffsunfälle zu untersuchen, die zu überaus teuren Versicherungsleistungen an den Eigentümer der Reederei führen.
Jener Reeder namens Mr. Marable ist bekannt für seine eigenwillige Hartnäckigkeit in Bezug auf seine Wünsche. Zwei von Mr. Marables Schiffen sind bereits Opfer des Ozeans geworden, doch bei dem zweiten Schiffsunglück gab es immerhin einen überlebenden Passagier, der berichtete, daß das Schiff wohl durch Sprengstoff in die Luft gejagt wurde.
Paul Beck nimmt den Auftrag zur Erforschung dieser unglückseligen Unfälle auf, er weiß auch, daß Mr. Marable einst in London berühmt war für seinen Kampf gegen streikende Arbeiter, ein Streik, den Mr. Marable äußerst brutal und geschickt durch Streikbrecher ausgehebelt hatte. Und die Möglichkeit besteht, daß es sich bei diesen Sprengstoffanschlägen um einen Racheakt anarchistischer Arbeiter handeln könnte.
Paul Beck betritt als einfacher Passagier den Dampfer, der von New York nach Hongkong schippert. Auf der Rückreise soll das Schiff erlesenes chinesisches Porzellan, die reinste Seide und den hochwertigsten Tee laden. Beck beobachtet Mr. Marable, der eine Stunde später das Schiff mit einer großen, schwarzen Ledertasche betritt, die außerordentlich schwer zu sein scheint. Beck untersucht ein paar Tage später die Kabine Mr. Marables um ausschließen zu können, daß der Reeder selbst seine Schiffe in die Luft jagt um die Versicherungssumme zu erbeuten. Tatsächlich gelingt es Beck nicht die von feinem Stahlblech umhüllte Tasche zu öffnen, doch rutscht ihm sein Dietrich ab, der das Schloß mit einem groben Kratzer versieht.
Am Tag darauf bittet er Mr. Marable unter einem Vorwand dessen Kabine betreten zu dürfen, dort steht die schwarze Tasche, die diesmal weit geöffnet ist. Beck untersucht diese und findet lauter Toilettengegenstände. Daraufhin sucht er Mr. Marable auf und bittet diesen zu einem Gespräch, er gibt sich als Detektiv zu erkennen und gesteht dem Reeder die Durchsuchung jener Tasche.
Kurz empört, doch dann ganz Herr der Lage, verzeiht Mr. Marable dem Detektiv dessen Verdacht und verspricht dem Detektiv ihn gänzlich in seinen Untersuchungen zu unterstützen. Als der Dampfer nach Wochen Hongkong erreicht, das Schiff mit kostbarer Fracht beladen wird und bei der Abfahrt im letzten Augenblick aufgehalten wird, weil ein Geschäftspartner von Mr. Marable mit diesem ein dringendes Gespräch führen will, da geschieht das Ungeheuerliche.
Mr. Marable ist bereits auf dem Beiboot und verspricht schnellstmöglich zurückzukommen, als Paul Beck sich über die Reling beugt und Marable zuruft, daß er seine schwarze Tasche auf das Beiboot getragen habe. Auf Marables Nachfrage, erklärt Beck, daß er schon wisse, welche der zwei schwarzen Taschen er meine.
Mr. Marable gerät völlig außer sich und wendet sich der Tasche zu, die er zu öffnen sucht, er scheint dem Irrsinn nahe und bricht sich sämtliche Fingernägel ab, dann stürzt er sich ins Wasser und die Passagiere können beobachten, wie die Haie Mr. Marable zerfleischen.
Paul Beck klärt daraufhin den Kapitän auf und erklärt, er habe damals bei seinem zweiten Besuch in Mr. Marables Kabine jenen Kratzer auf dem Schloß der Tasche, den er verursacht hatte, nicht mehr entdecken können und wußte daher, daß es eine zweite, baugleiche Tasche geben müsse. Das war überaus verdächtigt, und tatsächlich konnte er die zweite Tasche ausfindig machen und feststellen, daß darin eine Höllenmaschine ist, die von einem Uhrwerk gezündet wird.
Selbst die Titelgeschichte »Die unsichtbare Hand«, als auch die zwei folgenden Erzählungen sind recht zahm und vorhersehbar, geradezu überraschend vorhersehbar könnte man sagen. Ein Verbrechen, meist ein Mord, wird ausgeführt, Paul Beck wird gerufen und untersucht den Tatort gründlich, während alle anderen Beteiligten Ermittler im Trüben fischen. Paul Beck findet die nötigen Spuren und Beweise, die den wahren Mörder entlarven. Dabei gibt sich der Autor wenig Mühe die falschen Fährten überzeugend darzustellen, so daß der Leser beinah von Anfang an einen Verdacht hegt, den Beck teilt und ausermittelt. Nur gelegentlich, wenn der Autor mit Ironie aufwartet, bekommen die Texte einen Anflug von Charme.