T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Erle Stanley Gardner: »Rechtsanwalt Mason«, 1936

von Mirko Schädel



Erle Stanley Gardner: Rechtsanwalt Mason, Berlin-Schöneberg: Oestergaard 1936, 292 Seiten

 

Erle Stanley Gardner, 1889–1970, ist ein Klassiker der amerikanischen Kriminalliteratur. Gardner studierte Jura und verheiratete sich zweimal. Von 1911–1918 war er als Rechtsanwalt, 1918–1921 als Kaufmann, 1921–1933 wiederum als Rechtsanwalt in Kalifornien tätig. Ab 1933 beschäftigte sich Gardner als freier Autor und von 1948–1960 als Berichterstatter von Kriminalfällen. Er erhielt zahlreiche Preise und eine lebenslange Mitgliedschaft in der Amerikanischen polygraphischen Gesellschaft ehrenhalber. Er nutzte auch die Pseudonyme A. A. Fair, Carleton Kendrake und Charles J. Kenny für seine literarische Arbeit.

 

Mit Rechtsanwalt Mason, 1935 und 1936, führt Gardner seinen berühmten Serienhelden Perry Mason erstmals in Form eines Romans in die Literaturgeschichte ein. Zuvor hatte er bereits Kurzgeschichten für die damaligen pulps verfaßt, doch mit Rechtsanwalt Mason schloß sich ein Kreis, denn seine Erfahrungen als pulp-Autor und als praktischer Rechtsanwalt verschmolzen zu einer erfolgreichen Arbeit an seinen seriell produzierten Kriminalromanen, die er stets verschiedenen Sekretärinnen in die Schreibmaschine diktierte.

Perry Mason ist ein stattlicher, routinierter und nur der Arbeit für seine Klienten verpflichteter Anwalt, der stets von Bittstellern besucht wird, die sich verzweifelt an ihn wenden. Mason ist äußerst clever und durchschaut ebenso wie seine Sekretärin Della Street die verschiedenen Charaktere seiner Kundschaft. Besonders hübschen Frauen gegenüber hegt Mason offenbar ein besonderes Mißtrauen.

In seinem Erstling wendet sich eine hübsche junge Dame unter falschem Namen an Mason, da sie einen Skandal fürchtet, denn sie ist verheiratet und hat sich heimlich mit einem bekannten Politiker zum Abendessen in einem Restaurant getroffen. Da es in diesem Restaurant zu einem Schußwechsel kam, befürchtet die Dame in den Skandal hineingezogen zu werden und zudem, daß ihr Gatte von dem tet a tete erfährt. Ein Erpresser- und Revolverblatt namens Spicy Bits hat von der Anwesenheit des Politikers während des Schußwechsels in dem Restaurant Kenntnis und droht dies seinem Zeitungspublikum skandalträchtig zu verkaufen. Auch forscht ein Reporter des Blattes über die unbekannte, weibliche Begleitung jenes Mannes. Mason soll nun den Reporter für die Unterlassung weiterer Nachforschungen und Publikationen mit einer gehörigen Summe Geldes bestechen.

Nun stellt Mason fest, daß der bislang anonyme Besitzer dieser Blödzeitung namens George C. Belter der Gatte jener jungen Dame ist, die ihn um Hilfe anging. Der Fall ist also verwickelt, nicht zuletzt auch deshalb weil die Dame eine notorische Lügnerin und eine schlechte Schauspielerin ist. Die junge Dame müht sich redlich Perry Mason um den Finger zu wickeln, was ihr aber angesichts des mit allen Wassern gewaschenen Rechtsanwalts nicht gelingen wird.

Kurz darauf wird George C. Belter, ein wirklich unangenehmer Zeitgenosse, tot von seiner Gattin aufgefunden und die Dame bittet Mason um Hilfe. Mason eilt an den Tatort und Mrs. Belter glaubt Masons Stimme unmittelbar vor dem Mord am Tatort erkannt zu haben. Mit dieser Aussage droht Mason, der kein Alibi vorweisen kann, eine Mordanklage.

Mason hat es überhaupt fast ausschließlich mit notorischen Lügnern zu tun, oder Leuten, die sich hartnäckig weigern Antworten auf seine Fragen zu geben. Doch Mason läßt sich nicht entmutigen, er bedient sich allerlei Tricks und unlauterer Methoden um der Wahrheit die Ehre zu erweisen. Er besticht Menschen, konstruiert Mordanklagen, setzt Zeugen derart unter Druck, daß sie am Ende tun was Mason von ihnen verlangt – nämlich wahrheitsgetreue Aussagen zu tätigen.

Der Leser hegt natürlich den Verdacht, daß Belter von seiner Gattin erschossen worden ist, also der Klientin Perry Masons – dies glaubt nach einiger Ermittlungsarbeit auch die Polizei – nur Mason, der den Tatort ganz unvoreingenommen betrachtet hatte ehe die Polizei vor Ort war und dem einige Merkwürdigkeiten aufgefallen waren, hat eine eigene Mordtheorie. Er stellt dem Täter eine Falle, in die jener auch prompt tappt und ein umfassendes Geständnis ablegt.

Der Roman ist überaus amüsant und unterhaltend, deshalb ist es auch kein Wunder, daß die Krimis von Gardner Kultstatus genossen. Sein Held Perry Mason, der sich immer aus der Schlinge widrigster Probleme zu befreien weiß, genießt beim Leser unendliches Vertrauen – und es ist eine Freude dem Meister über die Schulter zu schauen und zu sehen, wie sich der Held geschickt aller unheilvollen Probleme entledigt.