T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

»Die himmelblauen Romane«, Band 3: Das Wrack der ›Santa Maria‹,
unbekannte Heftserie um 1910

von Mirko Schädel



Werner Schmidt-Eilbeck: Das Wrack der ›Santa Maria‹, sowie: Lalla Rookh, Detektivroman, Dortmund: Westdeutsche Verlagsanstalt G.m.b.H. um 1910, Die himmelblauen Romane Band 3, 128 Seiten


Über den Autor habe ich keinerlei Informationen. Der Detektivroman Lalla Rookh ist wesentlich hochwertiger als die üblichen Groschenhefte der Zeit. Von Seite 47 bis 128 erstreckt sich der Detektivroman, der in einer 9 Punkt Antiqua fast kompress gesetzt ist, mit anderen Worten wäre das Büchlein wohl 160-180 Seiten stark, wenn es in einer leicht lesbaren typographischen Ausstattung daherkäme.

Der Roman spielt in dem Dorf Gogoburn in Schottland, wo ein namenloser Besucher tot in einem Gasthaus aufgefunden wird. Der Dorfarzt kann keine erkennbare Gewaltanwendung an der Leiche konstatieren und  erklärt, daß der Unbekannte an einem Herzschlag verstorben sein müsse. Im Gepäck des Unbekannten lassen sich ebenfalls keine Rückschlüsse auf die Identität des Toten finden. 400 Mark befinden sich in seiner Brieftasche, aus den Wäschestücken sind offenbar Monogramme herausgetrennt worden.

Darüberhinaus erfahren wir von den neuen Schloßherren auf Gogoburn, denn ein Verwandter der bisherigen Herrschaft hat das Anwesen geerbt und unlängst übernommen. Dieser neue Besitzer war lange in Indien und hat von dort eine Frau heimgeführt, eine ehemalige indische Kellnerin – und ihren Onkel, letzterer ist als Diener in dem Schloß tätig.

Der Autor konfrontiert den Leser nun mit dem Detektiv Hiram Caine, Englands berühmtesten Detektiv, der in Glasgow das beschauliche Leben eines Meisterdetektivs führt und der vergeblich auf die Ankunft seines Bruders wartet, der vor vielen Jahren in die indische Kronkolonie ging und nun mit einem Glücksspielgewinn von 50.000 Mark in die Heimat reist. Caine forscht erfolglos nach seinem Bruder, dessen Spur sich nach Ankunft in einer Hafenstadt gleich verliert. 

Nach einigen Monaten liest Caine jedoch von dem Vorfall in Gogoburn in der Zeitung – jenes Vorfalls mit dem unbekannten Verstorbenen. Aufgrund der Personenbeschreibung des unidentifizierten Toten befürchtet Caine, daß es sich hier um seinen vermißten Bruder handeln könnte. Caine reist nach Gogoburn und mietet sich in dem Gasthof ein, wo schon der unbekannte Tote übernachtet hatte. Er gibt sich als Kaufmann aus, der einen kleinen Urlaub auf dem Lande verbringen möchte. So kann er ungestört seine Nachforschungen durchführen. Bei dem unbekannten Toten handelt es sich tatsächlich um seinen vermißten Bruder, aber auch die Summe von 50.000 Mark ist verschwunden, und so ist das Tatmotiv völlig klar.

Unweit von dem Gasthaus befindet sich das Schloß Gogoburn, das vor kurzem die neue Herrschaft bezog. In dem Ort häufen sich seltsame Vorkommnisse, ein Mitpassagier des Detektivs kommt auf die gleiche, rätselhafte Weise um wie schon Caines Bruder.

Natürlich handelt es sich hier um einen zeittypischen Exotismus, denn die rätselhafte Inderin und ihr Onkel sind es, die die Morde mit einem indischen Gift durchgeführt haben – um sich in den Besitz des Geldes zu bringen, das deren Opfer bei sich trugen.

Der Roman ist mit den üblichen Kolportageelementen angereichert und wirkt so überzeugend schottisch, daß ich den Verdacht habe, daß es sich hier um einen englischen Feuilletonroman handeln könnte, den der angebliche Autor womöglich übersetzt und bearbeitet hatte. Allerdings habe ich für diese Entstehungshypothese keinerlei Beweise. Das Ganze ist noch zusätzlich mit einer romantischen Liebesgeschichte zwischen Caine und einer Försterstochter garniert, doch sollte man generell auf jegliche Garnituren verzichten.

Die Erzählung ist durchaus spannend und atmosphärisch überzeugend, wenn auch die Charaktere nicht viel mehr als eine bloße Fassade sind. Der Roman ist jedoch nicht derart naiv oder an ein jugendliches Publikum adressiert, wie die meisten anderen Groschenhefte der damaligen Zeit.