Siegfried Bergengruen: »Die Puppen des Maharadschas«, 1934
von Mirko Schädel
Siegfried Bergengruen: Die Puppen des Maharadschas, Berlin: Eden-Verlag 1934, Sammlung Gr0ße Kriminalromane Band 1, 231 Seiten, Schutzumschlag von Felix Kube
Siegfried Bergengruen, 1901–1942, war Schriftsteller und Journalist und schrieb weniger als ein halbes Dutzend Kriminalromane. Der Anfang des Romans Die Puppen des Maharadschas, 1929, liest sich wie ein Plagiat von Paul Franks Harun al Raschid, der später unter dem Titel Der Scheck auf die Million bei Ullstein erschienen ist.
Der Held der Geschichte namens Erwin Gerardi widmet sich dem Glücksspiel an der französischen Riviera und in Marseille nach einem von ihm erdachten System. Kurze Zeit besuchte er die Kaschemmen Marseilles, wo er mit niedrigen Einsätzen experimentierte und nachdem er ständig gewann, suchte er die exklusiven Spielstätten auf, wo er mit entsprechend hohen Einsätzen ein Vermögen erwarb. Doch eines Abends bietet er sein vollständiges Vermögen gegen einen Inder namens Sanjo Afru und verliert. Gerardi sieht seine gesamten Hoffnungen auf ein Leben in Luxus und Sicherheit getrübt. Er verläßt völlig niedergeschlagen das Casino und sucht in den Taschen nach seinem Revolver – um sich zu suizidieren [ein weiser Gedanke].
Doch sein Widersacher Sanjo Afru, der vornehme, rätselhafte Inder eilt Gerardi hinterher und unterbreitet diesem einen Vorschlag. Er möge den Revolver weglegen und erhalte sein verlorenes Geld zurück, für Afru eine lächerliche Summe. Als Gegenleistung erwartet der Inder allerdings, daß Gerardi für den indischen Fürsten, für den Afru tätig sei, gelegentlich einen Koffer in seiner Wohnung aufnehme und aufbewahre, der kurz darauf in Marseille auf einen Dampfer expediert werde, denn der indische Fürst sammelt Puppen, die Afru in ganz Europa für ihn zusammenkaufe.
Es bleibt Girardi keine Wahl, er geht auf den Vorschlag ein und erhält einen Barscheck auf 5.000.000 Franc. Girardi wirft sich schon am nächsten Tag in eine wirre Geschäftstätigkeit, die nicht ganz sauber ist, die ihn aber reich macht und ihm darüberhinaus eine Dame zuführt, die sonst für ihn unerreichbar gewesen wäre. Alle Geschäftsabschlüsse gelingen ihm und schon nach kurzer Zeit vermehrt er sein Vermögen dank dubioser Grundstücksspekulationen auf 60.000.000 Franc.
Er verlobt sich mit seiner Herzensdame Ivonne, die ihn redlich in seinen Geschäften unterstützt hatte und wenige Zeit darauf heiratet das Paar. Nach zwei Wochen erreicht erstmals der schwarze Koffer das Anwesen Gerardis. Der Koffer ist verschlossen und das junge Paar reagiert nervös auf die Ankunft des Objekts. Afru kündigt sich ebenfalls an und erscheint kurz darauf im Hause der Gerardis, er gibt sich als ein überaus unterhaltender und charmanter Gast, und die Gemüter des Ehepaars Gerardi beruhigen sich etwas.
Jedoch kurz nach diesem Besuch des indischen Bekannten entdeckt Gerardi einen Mann, der sich für sein Haus über Gebühr zu interessieren scheint. Er verfolgt den Mann durch die Straßen und landet in einer der Kaschemmen, die er aus seiner frühen Zeit als Spieler gut kannte. Dort stellt er den Mann zur Rede und erfährt, daß der Italiener im Auftrag von Doktor Renee aus Paris handelt und herausbekommen soll, was in den schwarzen Koffern steckt, die von Zeit zu Zeit bei Gerardi anlanden um dann auf den nächsten Dampfer Richtung Indien transportiert zu werden. Doktor Renee, dessen Gattin vor einiger Zeit spurlos verschwand, glaubt nämlich, daß Europäerinnen in einer Art scheintoten Zustands auf diese Weise nach Indien geschafft werden.
Afri sieht die Gefahr, die ihm droht, kommen, es gelingt dem Inder aber alle zu täuschen, er schickt zwei Koffer los, der eine wird offiziell von der Polizei geöffnet und enthält eine lebensgroße Puppe, während der zweite mit großem Aufwand geschmuggelt wird und also ungeöffnet seinem Ziel zustrebt. So erlischt langsam der Verdacht der Öffentlichkeit und Afru gilt mehr oder weniger als rehabilitiert und verkehrt häufig in Erwins Haus, wo er sich mit dessen Gattin Ivonne zunehmend anfreundet.
Die beiden ungleichen Menschen unternehmen gemeinsame Segeltouren und Ivonne ahnt, daß ihr indischer Freund ein Frauenmörder oder doch zumindest ein Frauenräuber sein könnte, dennoch pflegt sie diesen Kontakt eifrig weiter. Als Afru dann, wie der Leser bereits ahnt, auch noch Ivonne in ihrem eigenen Haus entführt, während Erwin, ihr Gatte, geschäftlich unterwegs ist, platzt die Bombe.
Diesmal hatte Afru einen leeren Koffer in das Haus des Paars schaffen lassen, wo er der neugierigen Ivonne den Inhalt zeigen wollte. Beim Öffnen des Koffers wird Ivonne betäubt und in dem Reisebehälter versteckt, man schafft den Koffer aus dem Haus und auf einen Dampfer, der Richtung Indien schippert.
Und jetzt ahnt Erwin, wie und was Afru mit seiner Frau getan haben muß. Der Roman entgleitet völlig zu einem exotistischen Kolportageroman, der wenig befriedigend ist. Erwin kauft nun kurzerhand ein Flugzeug, nimmt diverse Vertraute – auch Doktor Renee – mit auf die Reise nach Indien, wo sie nach einem beinah abenteuerlichen Absturz auch tatsächlich Bombay erreichen, aber der Koffer mit Erwins Gattin ist bereits ins Innere des Landes geschafft worden.
Das Flugzeug startet erneut in die Lüfte um zu jenem Maharadscha zu gelangen, wohin man die Frauen wohl verschleppt hatte. Der Leser erfährt, daß hinter dem Ganzen ein Hohepriester steckt, der den Maharadscha zwingt eine Europäerin zu ehelichen, da das Blut des Fürstenhauses durch Inzucht verunreinigt sei. Zu diesem Zweck brachte man die schönsten Europäerinnen zu dem Maharadscha und hoffte, daß er sich in eine der Damen verlieben würde um eine derselben zu seiner Gattin zu machen.
Die Damen, die der Maharadscha jedoch als ungeeignet für die Ehe ansah, wurden auf fürchterliche Weise hingerichtet. Erwin und seinen Freunden gelingt das Unmögliche, sie werden am Ende die zwei letzten Damen, unter anderem Ivonne, befreien und dürfen aufgrund eines Aberglaubens das Land verlassen.
Der Roman beginnt eigentlich recht vielversprechend, büßt aber im Verlauf immer mehr von seiner Qualität ein – bis er am Ende zu einer drittklassigen Drehbuchvorlage zu einem plüschigen, exotischen Ausstattungsfilm herabkommt. Humor ist kaum auszumachen, und die Figuren wirken wie Staffagen aus Pappmache. Der Autor hatte sicher beim Schreiben die damals modischen Abenteuerfilme vor Augen – dabei spielt er mit allen möglichen Elementen des Exotismus und des Phantastischen, diese dienen aber mehr dem Interieur des Romans und haben keinerlei tiefere Bedeutung.