Reinhold Eichacker: »Krasputin der Wundertäter. Der Roman eines Abenteurers«, um 1927
von Mirko Schädel
Reinhold Eichacker: Krasputin der Wundertäter. Der Roman eines Abenteurers, Leipzig: Atlantic-Verlag um 1927, 329 Seiten, Schutzumschlag von Naumann
Reinhold Eichacker, 1886–1931, Schriftsteller, Verleger und Schauspieler war ein umtriebiger Zeitgenosse der 1920er Jahre.
Krasputin, der Wundertäter, 1927, ist ein kolportageartiger Kriminal- und Sensationsroman, der von zwei widerstreitenden Naturen handelt. Auf der einen Seite steht der männlische Sportsmann und Abenteurer Rolf Matterton, der die ganze Welt bereist hat und sich für okkulte Phänomene interessiert, diese aber dank seines rationalen Denkens als »Taschenspielertricks« entlarvt. Matterton hat sich in eine junge, reiche Dame verliebt, Maude Hoogh mit Namen, der er vor kurzem bei einem Ausritt das Leben rettete. Maude war die Adoptivtochter eines reichen Herrn, der ihr unlängst das Vermögen von 15 Millionen Dollar vererbt hatte, während er seinen leiblichen Bruder enterbte. Dieser enterbte Bruder des Verstorbenen trieb sich in der Welt herum, war als Artist tätig, landete hin und wieder im Gefängnis. Als dieser Herr, der unter dem angenommenen Namen Ahrenberg auftritt, von der Erbschaft Maudes hört, beschließt er die junge Frau zu töten um sich das Erbe zu sichern. Dabei bedient er sich merkwürdiger Methoden. Er dringt mehrfach heimlich in die Villa Maudes ein und spielt dort ein Gespenster-Spektakel auf, das dafür sorgen soll, daß die Dienstboten kündigen und er, Ahrenberg, in dem Haus völlig freie Hand hat. Doch Matterton verhagelt diese Pläne. Matterton gegenüber steht der wunderliche Krasputin, dessen Name nicht ganz umsonst an Rasputin erinnert – doch dazu später.
Ahrenberg lernt jedoch einen jungen Russen in einem Obdachlosenasyl kennen, der sich für eine Art Messias hält, heute würde man den Russen schlicht als egozentrischen, pathologischen Narzisten mit einigen weiteren Persönlichkeitsstörungen diagnostizieren. Nikolaj Krasputin hält sich für einen Hellseher, Propheten und glaubt ernsthaft an die Macht, der er über Menschen auszuüben scheint. Ahrenberg nimmt sich dieser dubiosen Figur an, der zwischen Ratio und Irrsinn hin- und herschwankt. Ahrenberg wird dessen Mentor und Manager und beginnt den Russen in die höheren Kreise einzuführen um dessen Gaben dort nicht nur vorzuführen, sondern gewinnbringend zu verwerten. Durch Ahrenbergs Menschenkenntnis und Geschicklichkeit – auch im Bereich traditioneller Zaubertricks, die er sich im Zirkus und im Variete angeeignet hatte – gelingt es Krasputin zu einem willigen Instrument zu formen, das viel Geld erwirtschaftet.
Eines Tages verliebt sich Krasputin in Maud Hoogh, er beginnt sie durch seinen suggestiven Schnickschnack zu verwirren, dabei unterhält er zahlreiche erotische Liebschaften – mit anderen Worten: Frauen pflastern seinen Weg und legen sich ihm willig ins Bett. Doch Krasputins Herz schlägt für Maude. Allerdings beginnt Krasputin langsam Gefallen an seinen Täuschungen zu finden – dennoch glaubt er noch an seine okkulten Fähigkeiten, während sein Partner überzeugt ist, daß Krasputins Gaben lediglich lächerliche Täuschungen sind. Krasputin beginnt sich zu emanzipieren, war Ahrenberg der Manager und heimliche Protege des russischen Goldesels – und der Chef der ganzen Unternehmung, so verweist ihn Krasputin schon bald auf einen neuen Platz. Ahrenberg wird zum Knecht Krasputins, letzterem schweben große Pläne vor, er strebt nach Macht und Geld, die er sich in einer überschaubaren Zeit verschaffen will.
Rolf Matterton ahnt die Zusammenhänge, hat aber keine Beweise gegen die Betrüger. Er arbeitet zwar eifrig mit der Polizei daran, doch noch scheint das Spiel Krasputins aufzugehen. Mattertons Verhältnis zu Maude wird erheblich gestört, denn die beiden Freunde entfremden sich zunehmend – Krasputin sorgt dafür, daß die Briefe Maudes Matterton gar nicht erreichen – sie werden von einem korrumpierten Dienstboten unterschlagen.
Es dauert eine ganze Weile bis Matterton herausfindet, daß die Identität von Herrn Ahrenberg auf den enterbten Bruder weist, bald hält er die Beweise dafür in Händen. Der Leser weiß dies bereits 100 Seiten früher. Doch bevor Matterton tätig werden kann, verfällt Krasputin in vollständigen Wahnsinn. Er ermordet seinen Knecht Ahrenberg. Es gelingt Rolf Matterton lediglich mit knapper Not seine Geliebte zu retten, ehe der Wahnsinnige sich mit Maude in die Tiefe von einem Dach stürzen will.
Der Roman hat viel von einer vorhersehbaren Räuberpistole und ist gespickt mit erotischen Anspielungen, die irgendwie unangenehm schlüpfrig wirken. Die Figuren sind selbstverständlich aus dem Klischeebaukasten, kein lebendes Wesen bevölkert das weiße Papier. Der Ton dieses Buchs ist ekstatisch, hysterisch, pathetisch und nichts anderes als reinster Kitsch. Während der Lektüre stelle ich fest, daß dieses Buch ein unsägliches Machwerk ist – doch der Schutzumschlag ist ein sehr plakatives Beispiel gelungener Gebrauchsgraphik der ausgehenden 1920er Jahre. Und der Leser ist sehr glücklich den Roman halbwegs gesund überlebt zu haben. Der Schaden hält sich zumindest in Grenzen, den Eichacker mir mit der Lektüre seines »Meisterwerks« zugefügt hat – ich habe einfach gelernt den Rest meines kritischen Verstandes, der mir noch geblieben ist, auszuschalten.