Oevre Richter-Frich und sein alter ego Jonas Fjeld. Phantastische Kriminalromane mit rassistischer Botschaft
von Robert N. Bloch
Oevre Richter-Frich gilt neben Sven Elvestad als erfolgreichster Kriminalschriftsteller Norwegens in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Romanserie um den norwegischen Weltenbummler und Detektiv Jonas Fjeld begann 1911 mit De knyttede naever. Der Abdruck in Bergens Aftenblad steigerte die Auflage erheblich, und auch die Buchausgabe verkaufte sich glänzend. Insgesamt schrieb Richter-Frich zwanzig weitere Jonas Fjeld-Romane, und ein großer Teil der Romane zählt zur Gattung des phantastischen Detektivromans, in welchen atemberaubende, häufig wissenschaftlich absurde Erfindungen beschrieben werden, die von fanatischen Verbrecherhirnen ersonnen wurden, um die Welt ins Chaos zu stürzen. Diese Schurken weist Jonas Fjeld, Arzt, Abenteurer, Athlet und alter ego des Verfassers, in die Schranken, »ein Mann ohne Falsch, ohne Berechnung und ohne jeden Gedanken an einen Lohn irgendwelcher Art, [ein] internationaler Norweger, der die Gefahren zu suchen schien und sich ohne Bedenken in das verhängnisvollste Spiel einmischte, bei dem der Einsatz das Leben war«. [Die Erde, die tötet, Leipzig [1924], S. 122] Fjelds Mitstreiter sind der zwergenhafte Erfinder Illmari Erko, ein Finne, der seinen Meister mit Wunderwerken wie einem Flug-Unterseeboot mit Superwaffen in Flyvefisken versorgt, sein Faktotum Jens Baetsman und Ralph Burns, Inspektor von Scotland Yard.
Besonders die frühen Romane zeichnen sich durch Fabulierfreude, Erfindungsgabe und Überraschungseffekte aus. »Unter den norwegischen Schriftstellern der Trivialliteratur ist Oevre Richter-Frich der Rassist und Volksromantiker schlechthin. Er war Antikommunist auf höchst vulgäre Weise. Ein faschistischer Zug kommt in seinen Schriften zum Vorschein.« [Willy Dahl] »Sein eindeutig rassistischer Standpunkt in seinen Romanen war Ausdruck einer allgemein in Norwegen und in Europa akzeptierten Auffassung in der Zeit zwischen den Weltkriegen. Nicht nur unter ausgesprochenen Faschisten, auch in breiten Bevölkerungsschichten, selbst unter gemäßigten Politikern, Juristen und Akademikern war diese Auffassung verbreitet, auch wenn Faschismus mit einer gewissen Verachtung bedacht wurde. Dabei ist wohl weniger Frichs Behandlung der Rassenfrage das wirklich Bedenkliche, eher die Tatsache, daß diese nicht als extremer Standpunkt angesehen wurde. So war Frich keineswegs ein Extremist; er war nur ein Kind seiner Zeit.« [Christopher Hals Gylseth]
Folgende Jonas Fjeld-Romane sind erschienen: De knyttede naever (1911, dt.: Die geballten Fäuste), Kondoren (1912), Guldaaren (1912, dt.: Die Goldader), De sorte gribbe (1912, dt.: Die schwarzen Geier), Den gyldne pest (1913, dt.: Die goldene Pest), I solvlandets nat (1913, dt.: In der Nacht des Silberlandes), Flyvefisken (1914), Den rode taake (1914, dt.: Der rote Nebel), Havets oine (1915, dt.: Das Auge des Meeres), Donna Franceska (1916), Hammerslaget (1917), Lille-Jonas Fjeld (1918), Lucifers oie (1920, dt.: Luzifers Auge), Jorden som draeper (1921, dt.: Die Erde, die tötet), Pans floite (1922), De udodelige dverge (1924), Jacques Delmas forbandelse (1926), Slangeblomsten fra Magdala (1927), Storfjellets herre (1932), Nordlysets datter (1934), Menneskejegerene (1935, dt.: Minka wartet).
Gjert Oevre Richter-Frich wurde am 24. März 1872 als Sohn von David Christoffer Frich in Byneset bei Trondheim geboren. Die Familie siedelte nach Bergen um, wo sein Vater Gemeindepfarrer war. 1891 machte Oevre sein Abitur an der Lateinschule in Hamar und studierte Jura und Medizin in Trondheim, ohne das Studium zu beenden. Seine journalistische Laufbahn begann er 1893 bei der regionalen Tageszeitung Trondhjems Adresseavis, wechselte 1895 zum neugegründeten Oereblad in Kristiana und entwickelte sich 1899 beim Bergens Aftenblad zum Starreporter, der 1904 vom Stadtbrand in Aelesund und 1905 über die Friedensverhandlungen zwischen Norwegen und Schweden berichtete. Von 1910 bis 1911 war er Redakteur bei Verdens Gang, der größten Boulevardzeitung Norwegens. 1911 wurde er freier Schriftsteller und verfaßte bis 1942 zweiundsechzig Unterhaltungsromane, deren Erfolg es ihm ermöglichte, unzählige Länder zu bereisen. 1930 ließ er sich in Södertälje in Schweden nieder. 1940 übernahm er den Gutshof »Villa Sätra« in Östertälje bei Stockholm, wo er am 13. Mai 1945 verstarb.
Die Jonas Fjeld-Romane gehören eher zur phantastischen Abenteuerliteratur als zur phantastischen Detektivliteratur, da sich der Autor um Logik und Deduktion wenig kümmert. Ebensowenig kümmert ihn, ob die eingeführten Erfindungen technisch machbar sind oder ins Reich der Fabel gehören. Sie sind einige durchaus spannende, wenn auch nicht ernst zu nehmende Romane um Superhelden und Superverbrecher entstanden.
De sorte gribbe (1912) beschreibt den Kampf einer internationalen Anarchistenbande gegen die europäische Gesellschaft. Mit den »schwarzen Geiern«, riesigen Flugzeugen mit einem Vogelkopf, terrorisieren sie Europa aus der Luft. Jonas Fjeld greift bei seinem Kampf gegen die Terroristen auf ein neuartiges Leichtflugzeug und die tödlichen »Omega-Strahlen« zurück, beides Erfindungen seines Freundes Ilmari Erko.
Den Stein der Weisen, das letzte alchimistische Geheimnis, die Kunst, Gold zu machen, findet in Den gyldne pest (1913) der Chemiker John Marker. Zusammen mit dem französischen Anarchisten Joseph Delmas überschwemmt er Großbritannien mit künstlich hergestellten Goldsovereigns. Die Weltwirtschaft gerät ins Wanken, bis Jonas Fjeld die Goldfabrik, wo Gold aus Salz gewonnen wird, zerstört. Gold wird dennoch als Währungsgrundlage abgeschafft. Franz Rottensteiner spricht in seiner Rezension von einer »unwirklichen, beinahe surrealen Atmosphäre« und attestiert dem Trivialepos »mystische Züge«.
In Havets oine (1915) läßt der schurkische Franzose Courbier ein riesiges sargähnliches Schiff in den norwegischen Hoheitsgewässern sämtliche Heringsschwärme einsaugen und automatisch verarbeiten. Wenn sich ein anderes Schiff dem Koloß nähert, öffnen sich gewaltige Kiefer und zermalmen das Schiff. Unter dem Ungetüm befinden sich zwei Riesenkugeln, welche die Fische hypnotisch anziehen. Natürlich macht der kühne und scharfsinnige Jonas Fjeld die Verbrecher unschädlich.
Lucifers oie (1920) erzählt von Isabelle Duncan, der Tochter eines russischen Großfürsten, der von Anarchisten schrecklich verstümmelt wurde. Sie hat bei Madame Curie studiert und die Entdeckung des »vergifteten Lichts« gemacht, eine Strahlung, die die Funktion der weißen Blutkörperchen verändert und rasch zum Tode führt, wobei die Leichen wie Phosphor leuchten. Mittels dieser Erfindung führt sie einen Rachefeldzug gegen eine in England agierende Anarchistenbande. Jonas Fjeld unterstützt sie dabei, kann alerdings ihre Ermordung durch einen riesigen Mulatten nicht verhindern.
Um geheimnisvolle tibetische Mystik geht es in Jorden som draeper (1921). Ein Ire hat aus einem tibetischen Kloster ein Pergament gestohlen, welches das Wunder des beschleunigten Wachstums enthält. Ein Weizenkorn, mit dieser Substanz gedüngt, entwickelt sich in wenigen Stunden zur reifen Pflanze. Doch wer diesen Weizen ißt, wird ebenfalls Opfer des beschleunigten Lebens. Ein irischer Terrorist gibt in der Maske eines indischen Fakirs diese Substanz an den englischen Bauernverband. Bald wächst überall in England ein neuer roter Weizen, und gleichzeitig welken die damit ernährten Menschen rasch dahin. Jonas Fjeld begreift als einziger den perfiden Racheplan des Iren und findet das Gegenmittel, verdünnte Salzsäure. Der irische Terrorist wird von einem Chinesen erdrosselt, der das heilige Pergament und damit auch das Geheimnis der Erde, die tötet, zurück nach Tibet bringt.
BIBLIOGRAPHIE
Romane
GULDAAREN (1912)
1) DIE GOLDADER
Straßburg 1922, Josef Singer Verlag (Singers große Detektiv-Serie 28) (144 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
2) DIE GOLDADER
Straßburg 1928, Josef Singer Verlag (Diabolus-Detektiv-Romane 6) (144 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
DEN GYLDNE PEST (1913)
1) DIE GOLDENE PEST
Straßburg 1919, Josef Singer Verlag (Singers große Detektiv-Serie 9) (234 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
2) DIE GOLDENE PEST
Straßburg 1930, Josef Singer Verlag (Diabolus-Detektiv-Romane 19) (176 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
HAVETS OEINE (1915)
1) DAS AUGE DES MEERES
Berlin o.J. [1925], Verlag Ullstein (Ullstein-Bücher 164) (251 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
I SOLVLANDETS NAT (1913)
1) IN DER NACHT DES SILBERLANDES
Berlin 1921, Monopol Verlag (Monopol-Abenteuer-Romane 6) (96 S.)
Übersetzung: N.N.
2) IN DER NACHT DES SILBERLANDES
Berlin 1925, Kurt Ehrlich Verlag (Ehrlichs Kriminalbücherei 45) (158 S.)
Übersetzung: N.N.
JORDEN SOM DRAEPER (1921)
1) DIE ERDE, DIE TÖTET
Leipzig o.J. [1924], Josef Singer Verlag (Singers große Detektiv-Serie 49) (175 S.)
Übersetzung: R. Sernau [d.i. Rhea Sternberg]
DE KNYTTEDE NAEVER (1911)
1) DIE GEBALLTEN FÄUSTE
Berlin o.J. [1917], Hega-Verlag (Detektiv-Geschichten-Bibliothek) (127 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
2) DIE GEBALLTEN FÄUSTE
Leipzig o.J. [1919], Leipziger graphische Werke {Ira-Bibliothek 9) (128 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
3) DIE GEBALLTEN FÄUSTE
Berlin 1922, Hugo Wille Verlag (Wille’s illustrierte Kriminalbücherei 14) (125 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
LUCIFERS OIE (1920)
1) LUZIFERS AUGE
Berlin 1922, Verlag Ullstein (Die spannenden Bücher) (61 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
2) LUZIFERS AUGE
Berlin 1922, Helikon-Verlag (Die goldene Reihe) (190 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
MENNESKEJEGERNE (1935)
1) MINKA WARTET
Nürnberg 1941, J. L. Schrag Verlag (Turmbücher 3) (250 S.)
Übersetzung: A. W. Schilling
DEN RODE TAAKE (1914)
1) DER ROTE NEBEL
Berlin 1922, Verlag Ullstein (Die spannenden Bücher) (60 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
SOLKONGENS ARV (1922)
1) DES SONNENKÖNIGS ERBE
Berlin o.J. [1923], Verlag Ullstein (195 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
DE SORTE GRIBBE (1912)
1) DIE SCHWARZEN GEIER
Leipzig 1923, Josef Singer Verlag (Singers große Detektiv-Serie 42) (144 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
2) DIE SCHWARZEN GEIER
Straßburg 1930, Josef Singer Verlag (Diabolus-Detektiv-Romane 14) (159 S.)
Übersetzung: Rhea Sternberg
Sach- und Fachbücher
BOKEN OM TOBAK (1934)
1) VITAMIN DER SEELE. EINE KLEINE UNTERHALTSAME KULTURGESCHICHTE DES TABAKS
Berlin 1936, Paul Zsolnay Verlag (132 S.)
Übersetzung: Marie Franzos
© 2021 Robert N. Bloch