Max Morell, das ist Max Reck: »Madame verhext Zürich«, 1942
von Mirko Schädel
Max Morell, das ist Max Reck: Madame verhext Zürich, Bülach-Zürich: Karl Graf Verlag 1942, 136 Seiten
Max Morell, das ist Max Reck, 1916–1994, war ein Schweizer Werbetexter, Journalist und Unterhaltungsschriftsteller, der den Detektiv Paul Vanel erfunden hatte.
Madame verhext Zürich. Eine Geschichte voller Spannung, 1942, ist ein melodramatischer und eigenwilliger Kriminalroman, der von der jungen Claudin handelt, die bei ihrem Vater, einem betuchten Apotheker, auf dem Zürichberg lebt. Claudin leidet unermeßlich an einer Trennung von einem Mann, den sie von Jugend an liebte. Aus diesem Grund ging sie für einige Jahre zu einem Onkel in Hongkong um ihren Geliebten zu vergessen. Doch durch die weltweiten kriegerischen Auseinandersetzungen mußte sie nach Zürich zurückkehren, wo sie unweigerlich ihrem ehemaligen Geliebten Kurt Ballmer über den Weg läuft.
In Zürich werden seit einiger Zeit sensationelle Einbrüche durchgeführt – meist bei Leuten der besten Gesellschaft, wo wertvolle Schmuckstücke oder Bargeld erbeutet wird. Der Leser ahnt bereits recht schnell, daß Claudin jene Frau ist, die bei ihren Einbrüchen einen Zettel zurückläßt auf dem in Blockschrift die Signatur »Madame« zu finden ist.
Im Verlauf der Geschichte wird klar, daß Claudin von ihrer unglücklichen Liebe getrieben, das Vergessen sucht, ein Vergessen, das sie durch ihre spektakulären Einbrüche zu kompensieren sucht. Die Beute dient jedoch nie ihrer persönlichen Bereicherung, sondern wird von ihr ausschließlich genutzt um Leuten in drückender Armut oder Lebenskrisen zu helfen. So haben wir es nicht nur mit einer Einbrecherin mit einem sozialen Gewissen zu tun, einer Art weiblichem Gentleman-Verbrecher und Robin Hood, sondern auch mit einer moralisch und emotional gebrochenen Frau, die nach Halt sucht angesichts ihres zerstörten Lebens- und Liebestraums.
Doch ihr ehemaliger Geliebter Kurt Ballmer ist Kriminalist – und nach einigen vergeblichen Versuchen der Zürcher Kriminalpolizei dem Verbrecher auf die Spur zu kommen, wird Ballmer als Ermittler hinzugezogen. Und natürlich gelingt es Balmer, nicht zuletzt durch eine Unvorsichtigkeit Claudins, der Sache auf den Grund zu kommen.
Das einstige Liebespaar hatte sich gegenseitig so sehr verletzt, daß Mißtrauen, Eifersucht und Stolz die maßgeblichen Eigenschaften waren, die diese Beziehung nachträglich charakterisieren. Auch eine Liebeserklärung Ballmers führt nicht zum Erfolg. Als Claudin jedoch einer Konkurrentin ein zweites Mal das Perlencollier stiehlt, gelingt es Ballmer seine ehemalige Geliebte zu einem Geständnis zu zwingen. Statt Claudin nun zu verraten, bittet er diese um Vertrauen. Das Paar erzählt sich nun offenherzig alles, was in den letzten Jahren vorgegangen ist. Nach diesem klärenden Gespräch wird den beiden klar, daß er vorerst nur eines zu tun gibt, nämlich die baldige Verlobungsfeier.
Der Roman ist fürwahr melodramatisch, und ich bin im allgemeinen kein Freund von Verquickungen dieser Art. Doch in diesem Fall halte ich das Buch sogar für außerordentlich gelungen, denn sowohl die kriminellen Taten als auch die unglückliche Liebesbeziehung zwischen Claudin und Ballmer korrespondieren in mehrfacher Hinsicht miteinander. Man kann geradezu von einer Komposition dieser zwei Handlungsstränge sprechen, denn das eine bedingt immer das andere. So wie Claudin aus Trauer und Verlust des Geliebten zu reizvollen Diebstählen verleitet wird um eine Art Vergessen zu erzwingen, so werden die Verbrechen später der Grund sein, daß die beiden Liebenden sich wiederfinden und Vertrauen fassen.
Der kleine Roman beschreibt darüberhinaus sehr schön die Atmosphäre Zürichs, das in seiner Saturiertheit, Bodenständigkeit und gepflegter Langeweile sich bis heute nicht wesentlich verändert hat. Es gibt auch ein anderes Zürich, doch davon war damals wie heute nicht viel zu sehen.