M. B. Hohenofen, das ist Matthias Blank: »Die Experimente des Doktor Mors«, 1923
von Mirko Schädel
M. B. Hohenofen, das ist Matthias Blank: Die Experimente des Doktor Mors, Dresden:Berga-Verlag 1923, Jens Rohlfs mystisch-abenteuerliche Erlebnisse Band 4, 159 Seiten, Umschlag von C. Kähling
M. B. Hohenofen, das ist Matthias Blank, 1881–1928, benutzte unter anderem die Pseudonyme: E. Berlepsch, Bernhard Birkenau, M. B. Birkenau, S. S. Birkenau, Matthias Blank-Hohenofen, B. Brandeis, M. B. von Hohenofen, M. von Weßling, B. Weßling, M. E. Burg, R. Walther, Theodor Offenstetten, Theo von Blankensee usw. Am 14.6.1881 in München geboren, wurde Blank zum typischen Vielschreiber. Er lebte in Meißen in der Burgstraße und starb dort am 6.12.1928.
Die Experimente des Doktor Mors, 1923, ist ein amüsanter Detektiv- und Horrorroman, der sich grundsätzlich an Doyles Freundespaar Sherlock Holmes und Dr. Watson orientiert. In diesem Fall handelt es sich selbstverständlich um den Detektiv Jens Rolf und seinem Freund Karl Maßberg, die Besuch von der Freifrau von Wesendonk erhalten, die maßloß verzweifelt ist, denn ihr Sohn ist seit einiger Zeit ein völlig fremder Charakter. Seit einem Aufenthalt in einer Kurstadt habe sich Will von Wesendonk von einem schüchternen, gutmütigen und ruhigen Menschen in einen nervösen, dem Laster frönenden und dem Verbrechen ergebenen Unmenschen verwandelt.
Freifrau von Wesendonk habe für diese Veränderung keine Erklärung. Jens Rolf übernimmt den rätselhaften Fall und stellt der Dame einige Fragen, wobei auch eine Narbe ihres Sohnes zur Sprache kommt, die sich an der Schläfe befindet und erst seit kurzem dort sichtbar ist. Rolf schickt die Dame nach Hause und greift sich aus seinem Archiv einige Zeitungen, die er seinem Freund Maßberg vorhält. In diesen Zeitungen finden sich Berichte von aufgegriffenen Personen, die dem Irrsinn verfallen sind, nicht sprechen können und deren Motorik gestört ist, die aber andererseits über sogenannte Eigenschaften von Inselbegabungen verfügen, wie zum Beispiel ein überaus ausgeprägtes mathematisches Zahlengedächtnis oder eine ungewöhnliche musikalische Virtuosität. Doch die Irren, die in verschiedenen Ländern Europas aufgegriffen wurden, hatte man vorerst in entsprechende Irrenhäuser gebracht, da auch ihre Identität nicht geklärt werden konnte. Maßberg ist verwirrt, doch nachdem Jens Rolf die Fakten erläutert, beginnt er zu begreifen, denn auch diese Irren haben ähnliche Narben an den Schläfen oder an der Stirn wie Will von Wesendonk.
In der nächsten Episode des Romans trifft ein Dr. Rudolf alias Jens Rolf in jenem Kurort auf, wo Will von Wesendonk auf so merkwürdige Weise eine Wesensänderung erfuhr. Tatsächlich gelingt es dem Detektiv auf eine junge Dame aufmerksam zu werden, die offenbar eine zärtliche Romanze mit Will von Wesendonk pflegte. Als er die Adresse ausfindig macht, stellt er fest, daß die junge Dame spurlos verschwunden ist – und nachdem er das Zimmer der jungen Frau untersucht hatte, weiß er, daß man das Mädchen entführt hatte, und daß man die junge Dame mit roten Lotus betäubt und dann in einem Teppich gehüllt aus dem Fenster geschafft hatte.
Die Tante und Hauswirtin der jungen Dame wird von Jens Rolf befragt, und so stößt er auf einen chinesischen Doktor, der offenbar eine bedeutende Rolle in dem kleinen Kurort spielt. Rolf kehrt in sein Hotel zurück, tauscht die Maskerade aus und begibt sich mit einer neuen Identität auf die Suche nach dem Chinesen.
Zwischendurch berichtet der Autor von einem Zusammentreffen zwischen dem Chinesen Le-fu-et und der jungen Dame namens Anita Willfried, in dem letztere von dem Chinesen verfolgt wird und unsittliche Angebote erhält. Auch mit Bedrohungen spart der Asiate nicht, wenn Anita ihm nicht zu Willen sei, dabei läßt er durchblicken, daß er in der Lage sei Menschen zu brechen – und dieses Verfahren habe er auch schon bei Will von Wesendonk angewendet. Bei Anita verfolgt Le-fu-et jedoch ein besonderes Ziel, er will »die Monstrosität des Dirneninstinktes in eine Jungfrau verpflanzen«. Mit anderen Worten, der Chinese will eine experimentelle Gehirnoperation bei Anita vornehmen und sie so schonungslos zur Nyphomanin machen – damit sie ihm, den verachteten Chinesen, zu Willen ist.
Ebenfalls wird berichtet, daß Will von Wesendonk, der ziemlich verwirrt ist und einige schwere Diebstähle begangen hatte, zu einem Hirnspezialisten geschafft wurde, der ihn möglicherweise heilen kann. Wesendonk hat keinerlei Erinnerung mehr an seine Hirn-Operation, doch ein Name kommt gelegentlich über seine Lippen: Dr. Mors.
Jens Rolf zieht sich zurück in sein Heim und wartet auf einen Angriff des Dr. Le-fu-et, der auch nicht lang auf sich warten läßt. Aus einer gegenüberliegenden Wohnung wird auf ihn geschossen, und daß erheitert den Meister, weiß er doch, daß der Chinese ihn nun jagen wird und somit unvorsichtig werden könnte. Jens Rolf weiß nicht, wo sich der ominöse Gehirnchirurg Dr. Mors oder der chinesische Helfershelfer Dr. Le-fu-et aufhalten und hofft, daß die Angriffe der Verbrecher ihn auf die richtige Fährte weisen.
Rolf gelingt es trickreich den Aufenthaltsort der Verbrecher ausfindig zu machen. Er klingelt als Kriegsinvalide und Bettler verkleidet an der Tür und gibt dem öffnenden Diener gegenüber zu erkennen, daß er einen wertvollen Schmuck auf der Erde vor dem Portal gefunden habe. Mit diesem Trick verschafft sich Rolf Überblick in der Villa. Als er seinen Finderlohn erhalten hat, begibt er sich in seine Wohnung.
Als er jedoch seinen Freund Karl Maßmann am späten Abend abholen will, entdeckt er, daß dieser verschwunden ist und ahnt, daß Maßmann in eine Falle geraten ist. Tatsächlich befindet sich Kollege Maßmann bereits auf dem Operationstisch, die Narkosemaske auf der Nase.
Rolfs eilt zu dem Unterschlupf der Verbrecher, verschafft sich Zugang und schlägt mehrere Helfershelfer k.o. Darauf betritt er den Operationssaal und es kommt zu einem wüsten Kampf zwischen Rolf und Le-fu-et. Als der Chinese gebunden ist, weckt er seinen Freund Maßmann aus der Narkose, und dann befreit er das Mädchen aus ihrem Gefängnis. Anita wäre die nächste auf der Liste gewesen und ist unbeschadet aus dem Abenteuer hervorgegangen.
Prof. Bernhardy alias Dr. Mors ist ein ehemaliger Leiter einer Nervenheilanstalt, eine Kapazität auf seinem Gebiet, doch leider dem Irrsinn und verschiedenen Wahnvorstellungen verfallen. Der Chinese hatte sich dieses Irren bedient um verschiedene Leute verschwinden zu lassen, die Verwandte noch zeitlebens beerben wollten. Prof. Bernhardy lief jeden Tag durch seine Anstalt und machte Visite bei seinen nicht vorhandenen Patienten. Dr. Le-fu-et ließ sich von Leuten für das Beiseiteschaffen unliebsamer Verwandter gut bezahlen, und Prof. Bernhardy besorgte dank seines Wissens über die Anatomie des Gehirns die nötigen Operationen, doch war er sich seiner Verbrechen gar nicht bewußt.
Das Buch hat mich angesichts seiner bizarren Grausamkeit und einiger nicht jugendfreier Passagen durchaus amüsiert. Tatsächlich wäre es ja möglich Leuten das Gehirn mit chirurgischer Präzision zu verunstalten, so daß das Erinnerungsvermögen oder das Sprachzentrum zerstört werden könnte. Ob diese Operationen auch schon in den 1920er Jahren möglich gewesen wären, wage ich vorsichtig zu bezweifeln.
Das Element des Exotismus kommt natürlich mit dem Chinesen Dr. Le-fu-et zu vollster Blüte, doch die phantastischen Elemente werden nur angedeutet und von Blank nicht weiter ausgeführt. Überraschend sind die sexuellen Andeutungen und schwülstigen Passagen, die den Chinesen in einen regelrechten Liebesrausch versetzen, der die blauäugige, blonde Anita unbedingt als Geliebte haben muß und dafür seine kriminelle Vorsicht außer acht läßt. Le-fu-et wird von seiner Lust auf Anita geradezu überwältigt und handelt nicht mehr wie ein Krimineller, sondern wie ein getriebener Lustmolch.
Der ganze Roman ist in seiner Art so bizarr und schlüpfrig, daß er wohl nicht ausdrücklich ein junges Publikum erreichen sollte, obgleich hier wie auch in ähnlichen Krimireihen meist eine große Naivität vorherrscht. Blank hat einen virtuosen, spannenden Detektiv- und Horrorroman geschrieben, der phasenweise recht unterhaltsam ist – dennoch kann man über gewisse Schwächen nur schwer hinwegsehen. Das rassistische Stereotyp des Chinesen, der mit seinen krallenartigen, langgliedrigen und knöchernen Fingern der Chirurgie frönt, ist ebenso amüsant wie unglaubwürdig. Chinesen haben eher kleine Hände mit recht kurzen Fingern, also sogenannte weiche Patschhändchen, und damit genau das Gegenteil des Blank’schen Horrorszenarios.
Ich persönlich hätte auch gern Medizin studiert um als Gehirnchirurg Karriere zu machen. Ich wüßte eine Menge Leute, denen ich wechselweise mit meiner Kombizange und meiner Rohrzange die Synapsen korrigiert. hätte, aber leider kann ich kein Blut sehen.