Kurt S. Uhlig: »Der gläserne Mörder«, 1944
von Mirko Schädel
Kurt S. Uhlig: Der gläserne Mörder, Basel: Münsterverlag 1944, Blau-weisse Hefte Nr. 10, 48 Seiten
Kurt Siegfried Uhlig wurde 1882 in Dresden geboren und war vermutlich der Enkel des Komponisten Theodor Uhlig [1822–1853], letzterer galt als illegitimer Sohn des sächsischen Königs Friedrich August II. und war ein Freund von Richard Wagner, mit dem er seine antisemitischen Vorurteile teilte. Offenbar war Kurt Siegfried Uhlig als Schriftsteller und Komponist tätig, und er scheint in die Schweiz vor den Nazis geflohen zu sein, wo er als Leiter eines Kirchenchors und als Musiklehrer seinen Lebensunterhalt verdiente.
Der gläserne Mörder, 1944, ist in der Heftreihe Blau-weisse Hefte aus dem Baseler Münsterverlag erschienen. Der Text ist eine naive, nicht ganz einwandfrei ausgearbeitete Detektivgeschichte voller Klischees, aber mit einer überraschenden Aufklärung.
Der ursprünglich aus der Schweiz stammende Amerikaner Mr. Bürgi hat in der Neuen Welt sein Glück gemacht, denn mit seiner Steel Company in New York hat er ein Vermögen verdient. Sein Großneffe, der als einfacher Büroangestellter in New York arbeitet, wünscht sich nichts sehnlicher als eine Anstellung als Oberkassierer in seines Onkels Unternehmen, doch Bürgi hält nichts von Verwandten und will sich keinen Parasiten ins Haus holen. Er lehnt – trotz der offensichtlichen Qualifikation seines Großneffen – dieses Anerbieten ab und läßt den Großneffen von seinem farbigen Diener hinauswerfen, wobei er noch zu verstehen gibt, daß die Stelle bereits vergeben sei an einen alten Freund, der in der alten Heimat 20 Jahre im Zuchthaus gesessen habe. Dieser Zuchthäusler namens Lüthi hatte Bürgi vor über 20 Jahren überzeugt sein Glück in Amerika zu suchen.
Der Großneffe ist außer sich und kann die Bevorzugung des ehemaligen Sträflings nicht verstehen. Da er von der Ankunft Lüthis weiß, begibt er sich zum Hafen um bei der Ankunft dieser zwielichtigen Figur zugegen zu sein und sich den Mann anzusehen. Tatsächlich kann er Lüthi identifizieren, doch diesen Mann anzusprechen traut er sich nicht. Der Großneffe wundert sich nur, daß Lüthi nicht von seinem Onkel abgeholt wird.
Kurz darauf wird der Großneffe wegen Mordes an seinem Onkel verhaftet, doch ein Detektiv, der sich mit diesem Mordfall beschäftigt, glaubt nicht an die Schuld des jungen Mannes. Auch der ehemalige Sträfling Lüthi kommt als Täter nicht in frage, da er während der Tatzeit gerade den Ozeandampfer verlassen hatte. Bürgi, der Stahl-Tycoon, wurde nämlich genau zu der Zeit in seinem Büro erschossen.
Als unser nicht näher beschriebener Detektiv den Tatort unter der Aufsicht eines Kriminalbeamten untersucht, kommt es zu einer interessanten Entdeckung, die auch die Lösung des Mordfalls beinhaltet. Der Mord erweist sich als eine Kette von unvorhersehbaren Zufällen, als ein bizarrer Unfall, denn der alte Bürgi war ein Waffensammler. Eine seiner Trophäen war ein altertümlicher Schießprügel, der an zwei Nägeln an der Wand befestigt war. Eine Leselupe auf dem Schreibtisch des Stahlmagnaten hatte mit dem Sonnenlichteinfall des Fensters das Zündhütchen der geladenen Schußwaffe entzündet und die tödliche Kugel abgefeuert. Die Kugel traf den Hals des auf einer Chaiselongue ruhenden Millionärs, der unmittelbar darauf starb.
Der unschuldige Großneffe wird aus der Haft entlassen, er wird das Vermögen seines Onkels erben und mit seiner Mutter in die schöne Schweiz zurückkehren. Über das Schicksal Lüthis wird nichts weiter berichtet, nur daß die ehemals unterschlagene Beute des Sträflings der Grundstock für Bürgis Steel Company gewesen sei – und damit wird auch das Bedürfnis Bürgis klar, der dem Zuchthäusler zu einer neuen Existenz verhelfen wollte.
Ein grober Schnitzer findet sich auch in der Erzählung, denn das vermeintliche Mordopfer Bürgi wurde in einem der höheren Stockwerke eines Hochhauses in seinem eigenen Büro tot aufgefunden, doch als der Detektiv den Tatort untersucht und das Fenster öffnet, befindet sich unmittelbar unter dem Fenstersims ein Blumenbeet. Na sowas.
Die Geschichte wirkt reichlich konstruiert, die Figuren sind papiern und die Ausführung läßt zu wünschen übrig. Dem Autor mangelt es ganz offensichtlich an Routine, er scheint ein Gelegenheitsschriftsteller gewesen zu sein.