Kurt Martin: »Die Tat der Maria Veldamer«, 1929
von Mirko Schädel
Kurt Martin: Die Tat der Maria Veldamer, Leipzig: Asa-Verlag 1929, Asa-Welt-Romane Band 5, 238 Seiten, Umschlag von Lotte Oldenburg-Wittig
Kurt Martin wurde 1891 in Hof/Bayern geboren. Um 1928 lebte er als Schriftsteller in Bayerisch-Gmain bei Bad Reichenhall. Er starb 1968. Dr. phil., Buchhändler und Verleger des dubiosen Aurora-Verlags in Dresden-Weinböhla. Nachdem der Verlag in Konkurs ging taucht Martin ab und ließ seine Gattin allein mit dem Schaden. Pseudonym: Karl Rober.
Die Tat der Maria Veldamer ist ein überaus konventioneller whodunit, zur Häfte eine Art Gerichtskrimi, der von der quälenden und verstockten Dummheit des diensthabenden Untersuchungsrichters und des ebenso einseitig ermittelnden Staatsanwalts handelt. Im Nachtzug Berlin – Hamburg wird der Fabrikant Hombrecht erstochen, ebenfalls in diesem Zug reisen Maria Veldamer und Dr. Eberhard Römer, letzterer wollte bereits einen früheren Zug nehmen, wurde aber aufgehalten. Dr. Römer weiß nicht, daß Hombrecht und seine ehemalige Sekretärin – und wohl künftige Braut – Maria Veldamer sich gleichfalls in dem Zug befinden. Dr. Römer ist durch eine alte Skandalgeschichte mit Hombrecht bekannt und mit diesem verfeindet gewesen – und Hombrecht ließ in der Vergangenheit keine Gelegenheit aus Dr. Römer in der Öffentlichkeit zu schaden.
Maria Veldamer ist in flagranti nach der Tat bei dem Ermordeten ausgefunden worden, wie sie gerade die Uhr des Mordopfers in der Hand hielt. Sie gesteht den Mord nach kürzester Zeit ein und wird in Untersuchungshaft genommen. Dr. Römer, der in Hamburg einen Überseedampfer besteigt um sich einer mehrjährigen Südamerika-Expedition anzuschließen, wird bei einem Landgang in einem europäischen Hafen zufällig und passiv in einen Schußwechsel verwickelt, er wird angeschossen und in seinem schwachen Zustand wieder aufs Schiff verbracht. In Rio angekommen ist Dr. Römer nicht in der Lage sich der Expedition anzuschließen, stattdessen kommt er auf einem Krankenlager bei Freunden unter und ist enttäuscht über seine Lage. Als er sich ein wenig erholt hat, läßt er sich deutsche Zeitungen reichen, in denen er Berichte über den Mordfall Hombrecht entdeckt – und daß seine künftige Braut den vermeintlichen Raubmord gestanden habe.
Derweil wird Maria Veldamer unentwegt verhört und befragt, die quälenden und nicht endenwollenden Verhöre lassen den Untersuchungsrichter alles hören, was er der Angeklagten in den Mund legt. Der Kriminalkommissar Paul Stein untersucht den Fall, obwohl es bereits ein Geständnis gibt, doch die Feindschaft Dr. Römers und Hombrechts ist den Behörden zu Ohren gekommen und auch die Tatsache, daß die zwei Kontrahenten im selben Zug gereist waren.
Paul Stein reist nach Rio und spricht mit dem langsam genesenden Dr. Römer, der das Geständnis Maria Veldamers in Abrede stellt und behauptet, sie könne den Mord nicht begangen haben, denn er habe bereits vor ihr die Leiche Hombrechts entdeckt als er sich im Zug Bewegung verschaffen wollte, doch habe er aufgrund seiner Feindschaft mit dem Mordopfer und seiner Expeditionsabsicht auf eine Benachrichtigung der Behörden verzichtet, denn er befürchtete, daß man ihn hätte aufhalten können. Dr. Römer möchte umgehend zurück nach Deutschland reisen um dort seine Aussagen zu Protokoll zu geben, schon auf dem Schiff wird er per Funkspruch zum Verhafteten erklärt und in Berlin in Untersuchungshaft genommen.
Nun glauben der Untersuchungsrichter und der Staatsanwalt, daß Dr. Römer und seine Sekretärin Maria Veldamer gemeinsam in die Mordsache verstrickt sind. Das es möglicherweise einen anderen Täter und andere Motive für den Mord geben könnte, ignorieren die Beamten beflissentlich. Ein anonymer Brief wird der Staatsanwaltschaft zugestellt, der Dr. Römer stark belastet, ebenso stellen sich nach und nach zwei Augenzeugen ein, die behaupten Dr. Römer gesehen zu haben, wie er bei dem jüdischen Altwarenhändler Rosenzweig einen Dolch, die Tatwaffe, gekauft habe.
Auf Kriminalkommissar Stein wirken die Zeugen nicht sehr glaubwürdig und er stellt einige irritierende Beobachtungen an. Langsam bringt Stein Licht ins Dunkle und entwirrt die Fäden der Geschichte, während die ermittelnde Staatsanwaltschaft und der Untersuchungsrichter weiter auf ihre fragwürdige Mordtheorie setzen. Stein stößt auf eine merkwürdige blonde Dame mit gelber Brille, die drei Wochen vor dem Mord an Hombrecht hochdotierte Schecks des Mordopfers in einer Hamburger Bank einlöste, gedeckt durch den Prokuristen von Hombrecht. Diese Schecks untersucht Stein genauer und vermutet, daß es sich um geschickt gemachte Fälschungen handelt. Da das Mordopfer wochenlang nicht in Hamburg gewesen ist und in der Mordnacht das erstemal seit langem wieder die Hansestadt besucht, besteht für den Fälscher die Gefahr das diese Unterschlagung eines kleinen Vermögens Hombrecht zur Kenntnis gelangt. Dies dürfte als Mordmotiv ausreichend sein.
Erst zur Schwurgerichtsverhandlung gelingt es jedoch Kriminalkommissar Stein alle Beweise vorzulegen. Tatsächlich sind drei Zeugen des Meineids überführt, einer von ihnen hat den Mord begangen um die schwere Unterschlagung zu vertuschen, nämlich Hombrechts ehemaliger Prokurist, eine weitere Zeugin ist die Komplizin des Mörders, und der Altwarenhändler Rosenzweig ist vermutlich für seinen Meineid gedungen worden. Maria Veldamer und Dr. Römer sind frei und werden sich wohl umgehend heiraten.
Der Roman ist tatsächlich spannend und lebt von den nervenaufreibenden und hanebüchenen Behauptungen und Verdächtigungen der Beamten von Staatsanwaltschaft und Untersuchungsgericht. Ein Großteil des Romans besteht genau aus diesen Befragungen und Verhören, die die Verdächtigen und den Leser in die Verzweiflung treiben. So ist die Idee und Konstruktion des Romans durchaus löblich und spannend, doch die sprachlichen Mittel des Autors sind zwar zeitgemäß, doch wirken sie leblos und hölzern.
Der Leser ahnt bereits von Anfang an, daß die Veldamer und der Dr. Römer an der Tat unschuldig sind, und die Ignoranz und Dummheit der Behörden empören den Leser ebenso wie die Tatverdächtigen – und aus eben dieser Empörung entwickelt sich ein guter Teil der Spannung.