Karl-Heinz Voigt: »Das Haus im Nebel«, 1938
von Mirko Schädel
Karl-Heinz Voigt: Das Haus im Nebel, Hamburg: Hans Müller Verlag 1938, STOP-Romane, 292 Seiten, Schutzumschlag von Hans Pflug, Leipzig
Karl-Heinz Voigt, 1900–1975, war ein deutscher Unterhaltungsschriftsteller, mit einem Hang zu utopischer und phantastischer Literatur.
Das Haus im Nebel, 1938, spielt in Schottland und hat einen phantastischen Anstrich. In dem burgartigen Schloß der Bidibents, volkstümlich als das Haus im Nebel bezeichnet, lebt der alte Lord Bidibent allein mit seinen Dienstboten und seinem Gutsverwalter, derweil seine Tochter durch die Welt reist. Lord Bidibent pflegt seine Wehwehchen und sein einziger Freund der Baronet Arthur Carringburn ist auch nur ein seltener Gast.
Der Roman beginnt mit einer Wirtshausszene, wo die abergäubischen Bauern des Dorfes am Fuß der Burg von einem Gespenst erzählen, das einem Zyklopen ähnelt, denn es hat kein Augenpaar, sondern auf der Stirn ein einziges, leuchtendes Auge. Einer der Bauern behauptet dieses Gespenst im Rittersaal des Schloßes vor vielen Jahren gesehen zu haben. Auch der Gutsverwalter George Tupper ist ungewöhnlicherweise anwesend, denn er lebt recht zurückgezogen und nimmt kaum am dörflichen Leben teil.
Tupper ist es, der seinen Zweifel an Gespenstern kundtut, und sich dann in das kleine Verwalterhäuschen zurückzieht, wo er nach kurzem Schlaf erwacht und mit jenem Gespenst konfrontiert wird, das ihm leibhaftig erscheint. Am nächsten Morgen bittet Tupper um eine andere Unterkunft, denn es graust ihn. Doch sein Herr Lord Bidibent hält die Geschichte für unglaubwürdig und redet seinem Verwalter gut zu.
Am nächsten Tag wird die Leiche des Gutsverwalters in dessen Häuschen aufgefunden und Inspektor Swanson nimmt sich dieser Mordsache an. Swanson beobachtet und sondiert, befragt die Dienstboten, aber es scheint kaum brauchbare Spuren zu geben. Bald darauf zieht sich Swanson zurück, und ein Franzose kündigt sich bei Lord Bidibent an, der behauptet dem Lord vor vielen Jahren in Indien auf der Tigerjagd das Leben gerettet zu haben. Dieser Franzose wolle sich einige Tage in Schottland ausruhen, und als gastfreundlicher Schotte hat der Lord nichts dagegen einzuwenden.
Der Franzose nistet sich einige Zeit in dem Schloß ein und rät dem Lord einen neuen Verwalter anzustellen, einen brauchbaren Franzosen nämlich, der sehr geeignet sei. Der Lord geht auf den Vorschlag ein. Danach meldet sich Lord Bidibents bester Freund der Baronet Carringburn, den der Lord als den Bräutigam seiner Tochter zu sehen wünscht. Und auch Madge Bidibent läßt von sich hören, sie sei auf den Weg zu ihrem Vater.
Der Autor schiebt eine Nebenhandlung in den Roman ein, die von Baronet Carringburns Schatz zu berichten weiß, denn die Vorfahren des Baronets stammten aus Finnland und mußten im 17. Jahrhundert vor den Russen fliehen. Ihr Gold und ihre Schmucksachen versenkten sie in einem der tausend finnischen Seen. Vor einigen Jahren wurde in einem der Schlösser der Carringburns ein Plan gefunden, der den versenkten Schatz genau bezeichnet.
Als der Baronet das Haus seines Freundes betritt sind seltsamerweise sämtliche altgedienten Dienstboten ausgetauscht. Und es gibt einen Versuch sich des Plans zu bemächtigen, der den Schatz der Carringburns bezeichnet. Doch dieser Plan steckt in einem komplizierten Stahltresor im Schloß seines Freundes Lord Bidibent, der nahezu unüberwindliche Mechanismen aufweist und außerdem zusätzlich mit einem geheimen Zugangscode gesichert ist.
Als Madge Bidibent die Bildfläche betritt, ist es zuvor zu einem Doppelmord gekommen. Madge Vater Lord Bidibent ist im Rittersaal erschlagen worden, sein Butler wurde tot im Garten aufgefunden, man hat die Leiche an einen Baum gebunden und ein Stück Rinde abgeschält, so daß der Mörder auf das weiße Holz mit Blut einen Zyklopen skizziert hatte.
Inspektor Swanson hält das ganze für den Versuch verwirrende Spuren zu legen, die der Dorfbevölkerung neue okkulte Nahrung liefern solle. Im Testament des Lords ist lediglich der Wunsch enthalten, daß Madge und der Baronet Carringburn heiraten mögen. Swanson geht seiner Spurensuche nach, doch das einzige, was er entdeckt, ist die Tatsache, daß der Mörder ein Linkshänder sein muß.
Swanson verabredet sein weiteres Vorgehen mit dem Baronet, der vorerst im Schloß bleibt und Madge beistehen soll. Swanson verläßt das Haus und kehrt maskiert und verkleidet zurück, er läßt sich in einem Turm des Schlosses nieder, der als Rumpelkammer verwendet wird. Dort entdeckt Swanson auch bald einen geheimen Gang, der zum Rittersaal führt. Doch seine Beobachtungen führen zu nichts – außer vagen Verdachtsmomenten. Nach ein paar Tagen wird Swanson nach Paris abberufen.
Die Beerdigung des Lords findet statt und anschließend heiraten Madge und Baronet Carringburn, kurz darauf begeben sie sich auf eine Hochzeitsreise nach Rom, die den Baronet irritiert. Nicht nur, daß seine Frau sich offenbar vor einem Mann fürchtet und glaubt von diesem verfolgt zu werden, sondern sie drängt ihren Mann auch Rom zu verlassen und schleunigst nach Paris zu reisen. In dem Pariser Hotel, wo das junge Paar unterkommt, erschießt Madge einen unbekannten Mann in ihrem Hotelzimmer, während der Abwesenheit ihres Mannes und angeblich aus Notwehr.
Die Kriminalpolizei ermittelt und verhaftet Madge, auch Inspektor Swanson taucht wie aus dem Nichts am Tatort auf und erklärt dem Baronet, daß dessen Gattin nicht Madge Bidibent sei, sondern eine bekannte Hochstaplerin. Swanson geht davon aus, daß die ganze Komödie mit dem Schatz der Carringburns zu tun habe. Denn die falsche Madge hatte ihrem Gatten das Codewort entlockt, das notwendig ist um den Tresor in Schottland öffnen zu können.
Naturgemäß entpuppt sich der Großteil des neuen Personals auf dem Schloß der Bidibents als Schurken, die nur das eine Ziel verfolgen, nämlich den Plan für den Schatz von Baronet Carringburn zu ergattern. Für dieses Ziel sind die Verbrecher zu allen Schandtaten bereit und der Autor spart auch nicht mit ungewöhnlichen Ideen oder exotistischen Stereotypen. Die Bande hat sich, nachdem alle anderen Versuche sich in den Besitz des Plans zu setzen gescheitert sind, eine neue Möglichkeit verschafft, nämlich die Entführung und Geiselnahme der echten Madge Bidibent. Mit dieser Geisel soll nun der Plan erpreßt werden.
Baronet Carringburn geht auf die Erpressung ein, und Inspektor Swanson reist mit letzterem und einigen Kollegen nach Finnland, wo die Verbrecher verhaftet werden während sie gerade dabei sind den Schatz zu heben. Auch Madge wird kurz darauf aus den Klauen eines chinesischen Wärters und Foltermeisters befreit, die ganze Bande geht der Polizei ins Netz und die Geschichte endet mit der Andeutung einer Heirat zwischen der echten Madge Bidibent und dem Baronet Carringburn [der noch mit der Hochstaplerin verheiratet ist, und sich also der Bigamie schuldig macht.]. Am Ende erweisen sich auch die Erscheinungen des Zyplopen-Gespenstes zum einen als eine Lichtirritation, zum anderen als schauspielerische Scharade der Gangster.
Der Roman ist äußerst naiv in seiner Darstellung, doch weit besser als zum Beispiel Arthur Oprees Kriminalromane. Voigt hat einen schauerlichen Kriminalroman voller Elemente der Kolportage und der Phantastik geschrieben, der sehr rasch vorangetrieben wird und sprachlich nicht so übel ist, wie manch andere deutsche Krimis jener Zeit.
Dennoch ist die Naivität ein hervorstechendes Merkmal dieser Art Kriminalromane, die wohl auch an ein Publikum von Heranwachsenden adressiert war. Die Figuren sind platt und hölzern, und der Humor ist allzu begrenzt. Der Ideenreichtum des Autors kennt zumindest keine Gnade, er läßt sich immer neue, bereits vorher dagewesene Motive einfallen, die er geschickt in die Handlung einwebt und dem ganzen dabei trotz des Absurden auch noch eine gewisse Plausibilität verleiht. Am Ende nämlich glaubt der Leser [fast] alles.