Josef Riener: »Die fünf Savoys«, 1943
von Mirko Schädel
Josef Riener: Die fünf Savoys, Berlin: Schützen-Verlag 1943, 262 Seiten
Die fünf Savoys ist ein spannender, unterhaltsamer und ungewöhnlicher Kriminalroman, der von Josef Riener, einem frühen NSDAP-Mitglied aus Wien, 1943 veröffentlicht wurde.
Ich habe in meiner Urlaubszeit wohl an die zwanzig historische Kriminalromane gelesen, und obwohl ich den schriftstellernden Anhängern des allgemeinen Deppentums zwischen 1933–1945 nicht allzuviel zutraue – zu Recht, wenn ich an die vielen ungenügenden Krimis dieser Zeit denke, habe ich mich dennoch überwunden und dieses Buch mit Lust gelesen. Denn auch ein blondes Huhn findet gelegentlich ein Korn, wobei ich mich frage, wer denn eigentlich das blonde Huhn sein könnte.
Bei den fünf Savoys handelt es sich ziemlich unspektakulär um fünf Hotels, die einem ungarischen Hotelier gehören. Zu Beginn des Romans betritt ein Herr Lindbacher die Suite eines Preßburger Hotels, wo er zu einem Bewerbungsgespräch mit dem ungarischen Hotelier Varkonyi geladen ist, dem Besitzer jener fünf Hotels. Lindbacher ist 33 Jahre alt, spricht vier Sprachen fließend und ist slovakischer Staatsbürger deutscher Herkunft. Er ist Reklamezeichner und soll als solcher die Geschäfte des Herrn Varkonyi ankurbeln. Der Hotelier ist recht angetan von seinem Bewerber, auch Edna, Varkonyis Tochter scheint dem Fremden ein gewisses Vertrauen entgegenzubringen. Doch Edna ist bereits mit dem Geschäftsführer des Konzerns, einem Doktor Rojko, liiert. Das bedauert unser Herr Lindbacher sehr.
Lindbacher erhält die Anstellung zu vorteilhaften Konditionen. Kurz darauf steht er auf der Straße vor dem Hotel und läßt sich durch die Preßburger Altstadt treiben. Den ganzen Nachmittag spaziert er mehr oder weniger ziellos umher. Und einmal schlichtet er einen Streit zwischen zwei Schuhputzern, weil ein junger Kollege einem alten Schuhputzer den Platz streitig machen wollte. Lindbacher läßt sich bei dem alten Herrn die Schuhe putzen und aus den wenigen Worten, die letzterer von sich gibt, weiß Lindbacher, daß es sich bei seinem Schützling um einen Serben oder Kroaten handeln muß.
Nachmittags gegen fünf Uhr strebt Lindbacher wieder zurück in das Hotel, denn Varkonyi hat sich mit seinem Neuzuwachs verabredet. Lindbacher und sein Chef verbringen einige Zeit miteinander, am Abend treibt es die beiden ungleichen Herren nach draußen. Man besucht Lokale und läßt sich etwas treiben. Doch am Ende des Abends kommt es zur Katastrophe. Ein Mann, der aus der Dunkelheit auftaucht und ebenso schnell wieder verschwindet, erschießt Varkonyi auf offener Straße. Lindbacher hält noch den Kopf des Sterbenden und weiß, daß er den Mörder erkannt hat. Er hat den Täter bereits zuvor gesehen, es handelt sich dabei um den alten serbischen Schuhputzer, der ihm einige Stunden zuvor die Schuhe gewichst hatte.
Nun entwickelt sich eine spannende Kriminalgeschichte, die lange undurchschaubar bleibt. Denn der Täter ist ja bekannt, nur das Tatmotiv ist völlig unklar, denn was könnte einen serbischen Schuhputzer zu einer solchen Mordtat treiben. Lindbacher, der zunehmend das Vertrauen Ednas gewinnt, verspricht den Mord aufzuklären. Dabei gerät das Buch auch zu einem Road-Movie durch den damals noch recht unzugänglichen Balkan.
Edna entfremdet sich zunehmend von Dr. Rojko, während Lindbacher von Budapest aufbricht um hinter das Geheimnis jenes Schuhputzers zu gelangen, der von der Polizei gefaßt wird und sich in der Haft suizidiert. Zu seinem Tatmotiv hat er jedoch keinerlei Angaben gemacht.
Lindbachers Weg führt nach Belgrad, Wien und Montenegro, wo er das Heimatdorf der Täters besucht. Ich will nicht zuviel verraten, das Buch schwitzt die Atmosphäre des Balkans förmlich aus und zeichnet ein eindrucksvolles und detailliertes Bild dieser unverwechselbaren Weltgegend. Am Ende kommt Lindbacher hinter das Geheimnis dieses Mordes, und dafür erhält er im Gegenzug naturgemäß auch die Trophäe, die ihm zusteht für all seine Mühen, nämlich die Hand Ednas.
Das Buch blendet die politischen Verhältnisse weitgehend aus, auch der bereits tobende Weltkrieg findet kaum eine Erwähnung. Das Sujet, dieses Loblied auf den Balkan und seine Menschen, der Umgang des Autors mit den von den Nazis verunglimpften Minderheiten deutet auf eine Umkehr des Autors von der nationalsozialistischen, rassistischen Ideologie. Riener scheint kein Rassist gewesen zu sein, möglicherweise ist er aufgrund des Kriegsgeschehens sogar zum stillen Gegner seiner eigenen Partei geworden, denn einiges deutet darauf hin, daß er sich der Ideologie zunehmend entfremdet hat.
Josef Riener, 1894–1970, veröffentlichte noch einen weiteren Krimi fünf Jahre zuvor: Die Stadt Ypsilon. Ein Schwindler-Roman, der 1938 im Berliner Zeitschriftenverlag erschienen ist.