T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

John Uri Lloyd und sein okkulter Entwicklungsroman um halluzinogene Drogen Etidorpha
von Robert N. Bloch


Der Phar­ma­zo­lo­ge und Uni­ver­si­täts­wis­sen­schaft­ler John Uri Lloyd trat in der phan­ta­sti­schen Li­te­ra­tur nur mit ei­nem Werk her­vor, dem ex­zen­tri­schen, me­ta­phy­si­schen Hohl­wel­tro­man Eti­dor­pha or The End of Earth (1895), der zahl­rei­che Auf­la­gen er­leb­te und auch ins Deut­sche über­tra­gen wur­de.

John Uri Lloyd wur­de am 19. April 1849 als Sohn von Nel­son Mar­vin Lloyd und So­phia Lloyd, geb. Web­ster in West Bloom­field, N.Y. ge­bo­ren. Er be­such­te Pri­vat­schu­len in Flo­ren­ce, Bur­ling­ton und Pe­ters­burg. Sei­nen Ma­gi­ster in Phar­ma­zie er­lang­te er 1890 am Phil­a­del­phia Col­le­ge of Phar­ma­cy. Dok­tor der Phar­ma­zie wur­de er 1897 an der Uni­ver­si­ty of Ohio. Den Dok­tor jur. er­hielt er an der Wil­ber­for­ce Uni­ver­si­ty. Sei­ne er­folg­rei­che aka­de­mi­sche Kar­rie­re setz­te er 1916 an der Uni­ver­si­ty of Cin­cin­na­ti mit dem Dr. rer. nat. fort. Ei­nen vier­ten Dok­tor­ti­tel er­warb der viel­sei­ti­ge Lloyd im Al­ter von 72 Jah­ren, als er 1921 am Eclec­tic Me­di­cal Col­le­ge in Cin­cin­na­ti zum Dok­tor der Me­di­zin pro­mo­vier­te. Am Cin­cin­na­ti Col­le­ge of Phar­ma­cy war er als Pro­fes­sor der Phar­ma­zie tä­tig. Von 1896 bis 1904 war er Prä­si­dent des Eclec­tic Me­di­cal In­sti­tu­te. Er stand auch als Prä­si­dent dem gro­ßen phar­ma­zeu­ti­schen In­du­strie­un­ter­neh­men Lloyd Bro­thers vor und grün­de­te die Lloyd-Bi­blio­thek. Au­ßer­dem war er Mit­her­aus­ge­ber der Fach­zeit­schrif­ten "Phar­ma­ceu­ti­cal Re­view", "Eclec­tic Me­di­cal Jour­nal" und "Eclec­tic Me­di­cal Gle­a­ner". Er forsch­te auf dem Ge­biet der pflanz­li­chen Che­mie und gab u.a. fol­gen­de Wer­ke her­aus: Hi­sto­ry of the Ve­ge­ta­ble Drugs of the Phar­ma­co­peia of the Uni­ted Sta­tes (1911), A Stu­dy of Di­gi­ta­lis (1912), Hi­sto­ry of the Di­sco­ve­ry of the Al­ka­lo­i­dal Af­fi­ni­ties of Hy­drous Alu­mi­ni­um Si­li­ca­te (1915), Echi­na­cea An­gu­sti­fo­lia (1917), A Stu­dy in Sol­vents (1917), Hi­sto­ry of the Ve­ge­ta­ble Drugs of the U.S. Phar­ma­co­peia (1920) und Fe­lix Mo­ses, the Be­lo­ved Jew (1930). Er er­hielt vier­mal die Eh­ren­me­dail­le der Ame­ri­can Phar­ma­cy As­so­sci­a­tion so­wie 1920 die Re­ming­ton Eh­ren­me­dail­le.

Au­ßer­halb sei­nes Be­rufs er­forsch­te er die Di­a­lek­te, den Aber­glau­ben und das Brauch­tum von Nord-Ken­tucky und schrieb die lan­des­kund­li­chen Wer­ke: String­town on the Pi­ke (1900), War­wick of the Knobs (1901), Red He­ad (1903) und Scrog­gins (1904).

Ade­li­ne Me­a­der (Hei­rat: 1876) hieß sei­ne er­ste Frau. In zwei­ter Ehe war er mit Em­ma Rou­se (Hei­rat: 1880) ver­hei­ra­tet. Er leb­te in Cin­cin­na­ti, Ohio, wo er am 9. April 1936 ver­starb.

Der Be­rich­ter­stat­ter des um­fan­grei­chen Ro­mans Eti­dor­pha or The End of Earth heißt Lle­wel­lyn Dru­ry, dem plötz­lich ein selt­sa­mer, bär­ti­ger Mann in sei­nem Stu­dier­zim­mer er­scheint, der sich 'I-am-the-Man' nennt. Der Frem­de liest ihm ein lan­ges Ma­nus­kript vor: Im frü­hen 19. Jahr­hun­dert trat 'I-am-the-Man' ei­ner ok­kul­ten Ge­heim­ge­sell­schaft bei, de­ren Ge­heim­nis­se er ver­riet. Zur Stra­fe und zur spi­ri­tuel­len Ent­wick­lung wur­de er auf ei­ne lan­ge Rei­se ge­schickt. Ein te­le­pa­thi­scher Füh­rer brach­te ihn nach Ken­tucky, wo ihn ein au­gen­lo­ses, ge­schlechts­lo­ses, nack­tes mensch­li­ches We­sen in die Höh­len un­ter­halb von Mam­moth Ca­ve lei­te­te. Ge­mein­sam stie­gen sie hin­ab zum Mit­tel­punkt der Er­de, wo­bei ihm das We­sen Vor­le­sun­gen über Wis­sen­schaft, Gott, Mensch und See­le hielt. Sie durch­quer­ten end­lo­se, selt­sam er­leuch­te­te Höh­len, ei­nen Wald vol­ler baum­gro­ßer Pil­ze, und ka­men schließ­lich zu ei­nem un­ter­ir­di­schen See, den sie in ei­nem von PSI-Kräf­ten be­trie­be­nen Me­tall­boot über­quer­ten. Als er auf Drän­gen des We­sens die Flüs­sig­keit ei­ner Pilz­frucht pro­bier­te, ver­fiel er in ei­nen Dro­gen­schlaf, in dem ihn die Dä­mo­nen des Al­ko­ho­lis­mus ver­folg­ten. Er muß sich zwi­schen Ab­sti­nenz und Al­ko­hol ent­schei­den. Ge­ret­tet durch die Vi­sion Eti­dor­phas, ei­ner wun­der­schö­nen, jun­gen Frau, ent­schei­det er sich für Ab­sti­nenz und er­wacht. Der Er­zäh­ler und sein Füh­rer setz­ten ih­re Rei­se fort und er­reich­ten den hoh­len Mit­tel­punkt der Er­de. Sie spran­gen hin­ein und wa­ren im 'Un­be­kann­ten Land', der Hei­mat der Geist­we­sen. Die phy­si­sche und psy­chi­sche Ent­wickung des Er­zäh­lers war nun ab­ge­schlos­sen. Er ver­füg­te über te­le­pa­thi­sche Kräf­te, und At­mung und Herz­schlag setz­ten aus.

John Uri Lloyds Eti­dor­pha ist ein ex­tra­va­gan­ter, ok­kul­ter Ent­wick­lungs­ro­man, gleich­zei­tig ei­ne Rei­se ins In­ne­re der Er­de und ins In­ne­re der See­le durch be­wußt­seins­er­wei­tern­de, hal­lu­zi­no­ge­ne Dro­gen, wo­bei der Au­tor die Ge­le­gen­heit er­greift, sei­ne wis­sen­schaft­li­chen und phi­lo­so­phi­schen The­o­rien vor­zu­stel­len. Ob­wohl li­te­ra­risch be­deu­tungs­los, stellt der Ro­man ein in­ter­es­san­tes Bin­de­glied dar zwi­schen dem tech­ni­schen Aben­teu­er­ro­man (z.B. Ju­les Ver­ne) und dem eso­te­ri­schen The­sen­ro­man (z.B. Ma­rie Co­rel­li). 

Spä­te­re Auf­la­gen des Ro­mans ent­hal­ten text­li­che Ver­än­de­run­gen und Hin­zu­fü­gun­gen des Au­tors.  


Li­te­ra­tur zu John Uri Ll­oyd:


Eve­rett F. Blei­ler: The Gui­de to Su­per­na­tu­ral Fic­tion

Kent, Ohio: The Kent Sta­te Uni­ver­si­ty Press 1983 (S. 316)



JOHN URI LLOYD: BI­BLIO­GRA­PHIE


3. Ro­ma­ne


ETI­DOR­PHA OR THE END OF EARTH. THE STRAN­GE HI­STO­RY OF A MY­STE­RIOUS BEING AND THE AC­COUNT OF A RE­MAR­KA­BLE JOUR­NEY AS COM­MU­NI­CA­TED IN MA­NUS­CRIPT TO LLE­WEL­LYN DRU­RY WHO PRO­MI­SED TO PRINT THE SA­ME, BUT FI­NAL­LY EVA­DED THE RE­SPON­SI­BI­LI­TY, WHICH WAS AS­SU­MED BY JOHN URI LLOYD (1895) 1) ETI­DOR­PHA ODER DAS EN­DE DER ER­DE  Leip­zig 1899, W. Frie­drich, 2 Bde. (X, 303, VI, 296 S.)  Über­set­zung: N.N.


   © 2021 Ro­bert N. Bloch