T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Harald Baumgarten: »Das Netz des Chinesen Tschang«, 1935
von Mirko Schädel



Harald Baumgarten: Das Netz des Chinesen Tschang, Dresden und Leipzig: Moewig und Höffner 1935, Kriminalromane aller Nationen Band 114, 224 Seiten


Harald Baumgarten, 1890–1975, war ein deutscher Schriftsteller und Drehbuchautor. Das Netz des Chinesen Tschang, 1931, ist eine wilde Räuberpistole und ein Thriller im Stil der 1920er/1930er Jahre mit einigen phantastischen Elementen.

Baumgarten erzählt ebenso naiv wie treudoof die Geschichte des Detektivs Wolf Jeep und seines Schülers Bobby Müller, die in Berlin nach Verbrecher jagen. Zufällig stößt Jeep auf die Geschichte der drei Elfenbein-Elefanten, die in Berlin bei einem Doktor Trelleborn ihren Ausgang nimmt. Doktor Trelleborn unterhält eine kleine, unscheinbare Privatpraxis in einer abseitigen Gegend der Metropole und experimentiert offenbar seit Jahren mit Mescalin. Und er besitzt einen der drei Elfenbein-Elefanten, die ihm und zwei weiteren Herren vor Jahren in Afrika von einem sterbenden Araber in die Hand gedrückt wurden. Das Geheimnis der Elfenbein-Elefanten besteht darin, daß sich bei Hitze ein Plättchen öffnet und dahinter sich eine Kartenskizze enthüllt, die auf den verborgenen Schatz eines afrikanischen Königs verweist. Doch vermutlich geben die drei Elefanten nur gemeinsam Aufschluß über die genaue Lage des Schatzes.

Doch Trelleborn stirbt zu Beginn des Romans, die Leiche hat offenbar sein Diener in den verglasten Termitenhügel geschafft, den Trelleborn zu Versuchszwecken in seinem Privatlaboratorium stehen hat. Doch bei der Untersuchung des Leichnams stellt sich heraus, daß der Tote nicht Doktor Trelleborn sein kann. Was aus Trelleborn geworden ist, bleibt lange unklar.

Detektiv Wolf Jeep erkennt schemenhaft die Möglichkeiten, die der Fall bietet. Er recherchiert, wer die zwei anderen Personen waren, die je einen der Elfenbein-Elefanten erhalten hatten. So führt seine Spurensuche nach Amsterdam und von dort nach Buenos Aires, wo Jeep und sein Kompagnon auf den rätselhaften Chinesen Tschang stoßen, der einerseits für die Polizei Spitzeldienste ausführt, andererseits aber offenbar der Kopf einer international agierenden Mädchenhändlerbande ist.

Jeep, der übrigens mehrfach mit Meskalin in dem Roman narkotisiert wird, verfügt offenbar über die Gabe der Hypnose und der Gedankenübertragung, wenn er sich auf eine Person konzentriert. Eingewoben sind auch zwei Liebesgeschichten, die glücklicherweise nicht allzu störend wirken. Tschang verfügt nicht nur über die besten Kontakte in die Unterwelt, sondern er ist der Kopf einer straff organisierten Verbrecherbande, er besitzt unter anderem einen Dampfer, ein U-Boot, ein Wasserflugzeug usw.

Am Ende stellt sich heraus, daß Doktor Trelleborn gar nicht tot, sondern die Identität des Herrn Wrong angenommen hat und durch die Experimente mit dem Meskalin ein Verjüngungsmittel erfunden hat, das ihn um 30 Jahre jünger erscheinen läßt, das allerdings wohl den Nachteil hat, den Nutzer wahnsinnig werden zu lassen. Von Buenos Aires geht die Jagd nach den Elfenbein-Elefanten weiter über Montevideo und nach Südafrika, wo am Ende in der Wüste sich die Beteiligten, Jäger und Gejagde, in einer Art Showdown gegenüberstehen. 

Dabei stürzt Tschang von einem Fels in die Tiefe und stirbt. Der Schatz des afrikanischen Königs erweist sich als Flop, denn offenbar ist er bereits vor Jahren von einem Stamm gehoben und fortgeschafft worden. Die Detektive Wolf Jeep und Bobby Müller heiraten am Ende in Buenos Aires und in Südafrika.

Baumgarten, der passagenweise beweist, daß er schreiben kann, gelingt es jedoch keineswegs lebendige Charaktere zu schaffen, es bleiben Abziehbilder, die keine Tiefe besitzen. Außerdem neigt er gelegentlich zu einem Pathos, einem Kitsch und einem Pomp, der schwer zu ertragen ist. Ebenso seine Ressentiments gegenüber anderen Rassen sind zwar zeitgemäß, aber auch schwer erträglich und kleingeistig.

Dr. Trelleborn benötigte für seine Meskalin-Experimente dringend frisches Kapital, das er sich durch die Elfenbein-Elefanten und dem verborgenen Schatz verschaffen wollte, dazu war es nötig die zwei anderen Besitzer der Elefanten ausfindig zu machen und sich die Stücke anzueignen. Durch seine toxikologischen Kenntnisse war er aber auch bereits unwissentlich in die Klauen des Mädchenhändlers Tschang geraten, der ihm nämlich gegen anständige Bezahlung große Mengen an Narkotika für seine kriminellen Aktivitäten abnahm. Als Trelleborn erkannte, daß er allein eventuell nicht in der Lage sei sich die Elefanten zu beschaffen, bat er Tschang um seine Mithilfe, klärte den grausamen Asiaten jedoch nicht über seine Absichten und Erkenntnisse auf.

Als Tschang aber langsam zu ahnen beginnt welche Bedeutung die Elefanten haben könnten, beginnt er Trelleborn als einen Verräter zu behandeln und unter Druck zu setzen. Der Roman ist nicht so übel, wie es sich anhört, und doch ist er nicht mehr als ein zweitklassiger Kriminalroman, der wohl an ein jugendliches Publikum adressiert war.