T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Fritz Haagemann, das ist Ben van Eysselsteijn: »Romanze in f-Dur«, 1937
von Mirko Schädel



Fritz Haagemann, das ist Ben van Eysselsteijn: Romanze in f-Dur, Dresden: Neuer Buchverlag 1937, 250 Seiten


Fritz Haagemann, das ist Ben van Eysselsteijn, 1898–1973, war ein niederländischer Schriftsteller, Journalist und Dichter. Er schrieb einige Kriminalromane, leider gab es vor 1945 nur einen in deutscher Übersetzung. Eysselsteijn machte wohl während der deutschen Besatzung keine bella figura, so hat er wohl ein wenig zu wohlwollend auf die deutsche Besatzungsmacht geschaut, so daß er nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner Heimat einige Jahre Veröffentlichungsverbot erhielt.

Eysselsteijns Wohlwollen gegenüber Nazideutschland zeigt sich auch in gewisser Weise in dem Roman Romanze in f-Dur, dessen Titel nicht durchdacht gewesen zu sein scheint, denn man denkt viel eher an einen Frauen-, Liebes- oder Schicksalsroman, wenn man ihn sieht – doch das ist ein Irrtum, denn dieses Buch ist ein klassisches Beispiel eines whodunit im Stile der großen Agatha Christie.

Der bedeutende britische Geigensolist Eric Purcell gibt ein Konzert in Haarlem, nach seiner Vorstellung will ihn Therese Dubois, eine verheiratete Frau und Schauspielerin, verführen. Ihr Mann, der ebenfalls Schauspieler ist, weilt in Groningen, wo er eine Vorstellung zu spielen hat.

Purcell ist ein charakterlicher Reinfall, ein unangenehmes Ekel. Therese hat ihm in dem vornehmen Fremdenwohnheim, wo auch sie und ihr Mann logieren, in einem Gästezimmer einquartiert. Sie hat ein kleines Liebesmahl vorbereitet, und Purcell will noch kurz nach oben in sein Gästezimmer – bevor er aber zurückkehrt, taucht Thereses Mann unerwarteterweise auf – seine Vorstellung wurde gestrichen, da zwei Kollegen erkrankt seien.

Therese behält die Nerven und legt ein weiteres Gedeck auf, doch ihr Mann weiß sehr genau was hier vorgeht. Leider scheint Purcell jedoch nicht wieder aufzutauchen und Therese beschließt ihn aus seinem Gästezimmer ein paar Stockwerke höher zu holen. Dort klopft sie, niemand öffnet, sie tritt in die unverschlossene Tür und findet Purcell offenbar ermordet halb auf dem Sofa liegend vor.

Therese wendet sich völlig aufgelöst an den Direktor der Pension, der umgehend die Polizei informiert. Schon die unverhoffte Rückkehr ihres Mannes hatte bedeutend an ihrem Nervenkostüm gerüttelt. Als die Techniker und Fotografen mit der Tatortsicherung beginnen, tauchen auch ein paar Kriminalbeamte auf, auch ein Inspektor Evers, der von der Berliner Kriminalpolizei den Niederländern zur Verfügung gestellt wurde. Die zahlreichen Gäste geraten in den Fokus der Ermittlungen, die da sind das Ehepaar Dubois, ein preußischer Offizier a.D., eine holländische Familie, ein indischer Prinz samt Diener, der alte Bücherwurm Doktor Noordhok, ein junger Liebhaber, der Direktor der Pension, sowie ein Portier usw.

Später wird ein weiterer Berliner Polizeibeamter namens Lohmann die Bühne betreten, denn Purcell scheint ein ausgemachter Betrüger, Dieb, Erpresser und Mörder gewesen zu sein, der unter falschem Namen eine Doppelleben geführt habe – und Lohmann war ihm dicht auf den Fersen und stand unmittelbar vor der Verhaftung Purcells.

Nach und nach geraten die auf den ersten Blick unscheinbaren und unverdächtigen Gäste in Verdacht, denn vieles wird verschwiegen, und einige von ihnen kannten den Toten bereits vor seinem Abstecher nach Haarlem. Ganz im Stil der Romane von Agatha Christie wird nun mit Beobachtungen, Indizien, falschen Alibis und falschen Spuren hantiert, so daß der Leser einer verwirrenden Fülle von möglichen Tatverdächtigen gegenübersteht, und wie bei Agatha üblich, ist die unscheinbarste Figur in diesem Spiel der Täter.

Warum Eysselsteijn nun zwei von Berlin her befreundete Kriminaler den Fall lösen läßt, gibt Anlaß zu der Vermutung, daß er den deutschen Spürhunden mehr zutraute, als der heimischen Personnage – was im Jahre 1937 durchaus Rückschlüsse auf seine politischen und gesellschaftlichen Sympathien offenbart, wenn man die bereits fortgeschrittene Entwicklung des Naziterrors berücksichtigt.

Dennoch ist sein Roman ein schlüssiger, wohldosierter, gut konstruierter und spannender Kriminalroman, der von einigen gut unterscheidbaren Charakteren bevölkert wird, die alle ihre kleinen Geheimnisse haben. Politische Propaganda oder andere Gesinnungsprosa findet man darin nicht, im Gegenteil, der Roman spielt in einem liberalen, weltläufigen und aufgeklärten Milieu, der an keiner Stelle die grotesken politischen Verhältnisse des Nachbarn Deutschland spiegelt.