Ernst Ludwig Grombeck, das ist Ludwig Rubiner: »Die indischen Opale«, 1910
von Mirko Schädel
Ernst Ludwig Grombeck, das ist Ludwig Rubiner: Die indischen Opale, Berlin: Scherl Verlag 1910, Scherls Taschenbücher, 272 Seiten
Ernst Ludwig Grombeck, das ist Ludwig Rubiner, 1881–1920, war ein expressionistischer Schriftsteller und Verfasser der zusammen mit Friedrich Eisenlohr und Livingston Halm veröffentlichten »Kriminalsonette«, 1913.
Die indischen Opale, 1910, ist ein spannender, gut konstruierter und witziger Kriminalroman, der in Berlin spielt. Der alte Herr Brandorff lebt mit seiner einzigen Tochter Cecily ein sehr zurückgezogenes Leben in einer abseits gelegenen Villa. Sein einziges Vergnügen besteht offenbar in der Betrachtung seiner Edelstein-Sammlung. Nur zwei Nachbarn der Brandorffs lassen sich gelegentlich sehen, der Rechtsanwalt Sander und Cecilys Cousin Erich Soltau, die beiden jungen Herren wohnen nicht weit von Brandorffs entfernt.
Eines Abends streiten sich offenbar spät am Abend der alte Brandorff und Erich Soltau. Noch in jener Nacht verschwindet Brandorff spurlos, während sich kurz darauf Soltau vollkommen apathisch durch die Nacht treiben läßt. Schon bald trifft der Berliner Kommissar Redberg am Tatort ein. Und der Verdacht fällt naturgemäß auf den reichlich verstörten Erich Soltau.
Auch Rechtsanwalt Sanders beteiligt sich als Detektiv an der Lösung des Rätsels, denn niemand weiß was aus Brandorff geworden ist. Dessen Edelstein-Sammlung und die monströsen indischen Opale befinden sich unangetastet im Arbeitszimmer des alten Herrn. Soltau, der völlig vernachlässigt etwas später bei seinem Freund, dem Rechtsanwalt Sanders, auftaucht, macht einen überaus verstörten Eindruck. Auch wollte Soltau offenbar an diesem Morgen noch verreisen, hatte aber seine Absicht wohl völlig vergessen. Selbst Sanders kann sich eines Verdachtes gegenüber seinem Freund nicht enthalten.
Tatsächlich gerät Soltau in die Mühlen der Justiz, er gerät in Untersuchungshaft, wo er standhaft und ein wenig apathisch erklärt, daß er vom Verschwinden Brandorffs nicht das geringste weiß. Auch über die Einzelheiten seines Streits mit Brandorff verweigert er hartnäckig die Aussage. Ein altes Tagebuch Brandorffs wird aufgefunden, das eine seltsame, abenteuerliche Geschichte zumindest fragmentarisch enthüllt. Sanders als auch Kriminalkommissar Redberg erhoffen sich davon einige Aufklärungen, sind aber nach genauer Lektüre ziemlich enttäuscht.
Klar ist nur, daß Brandorff in seinen jungen Jahren offenbar in eine seltsame Abenteuergeschichte verwickelt war, die überwiegend im Osmanischen Reich spielte. Ein paar Tage später erinnert sich Soltau in der Haft zaghaft einiger kleiner Bruchstücke jener Nacht als Brandorff verschwand, dies gibt Rechtsanwalt Sanders die Möglichkeit ein Alibi für Soltau nachzuweisen. Kurz darauf befindet sich Soltau wieder auf freiem Fuß.
Auch Cecily Brandorff betätigt sich als weiblicher Detektiv, denn sie liebt ihren Cousin Erich und sie stößt auf die Spur eines gewissen Herrn Mohl, ihr Instinkt macht Mohl zu ihrem Hauptverdächtigen, der ebenso wie Sander und Soltau Mitglied des Westen-Clubs ist. Wenig später wird überraschend der halbtote Brandorff von angeheuerten Arbeitern in dessen Villa geschafft. Es gelingt den Ärzten noch ein geringfügiges Aufflackern der Lebensgeister ihres Patienten, so daß immerhin noch alle Verdachtsmomente Soltaus ausgeräumt werden können.
Die Spuren weisen nach und nach immer mehr auf Herrn von Mohl, sowie den ehemaligen Diener Brandorffs, den Cecily aufgrund mangelnden Vertrauens vor die Tür gesetzt hatte. Auch das Tagebuch gibt im nachhinein Aufschluß, denn die zweite Hälfte der Abenteuergeschichte Brandorffs wurde mit unsichtbarer Tinte verfaßt, und nur durch einen Zufall kommen Sanders und Soltau hinter das Rätsel dieses Journals.
Natürlich dreht sich alles um die zwei prächtigen Opale, die dem Sultan des Osmanischen Reiches gehört hatten und von Brandorff und von Herrn von Mohls Vater einst geraubt wurden. In der Vitrine in Brandorffs Arbeitszimmer lagen nunmehr nur noch gut gemachte Kopien, während die echten Opale bereits im Besitz von Herrn von Mohl sind. Der Diener Brandorffs hatte sie im Auftrag von Herrn von Mohl gestohlen, wurde aber vom alten Herrn Brandorff dabei überrascht, so daß man den alten Mann knebelte und fesselte und ihn an einen geheimen Ort brachte.
Unser Kriminalkommissar Redberg taucht in den unglaublichsten Verkleidungen an den verschiedenen Orten auf und scheint der einzige zu sein, der den Tatzusammenhang überblicken kann, während Cecily zwar nur ihren Instinkten folgt, jedoch zumindest von Herrn von Mohls Schuld überzeugt ist – ohne den Gesamtzusammenhang ahnen zu können.
Rechtsanwalt Sanders, Erich Soltau und seine geliebte Cousine Cecily, sowie unser Kriminalkommissar entdecken den Unterschlupf der Verbrecher in Tegel, wo sie die Tatverdächtigen stellen. Herr von Mohl, der bereits in einer anderen Welt sein Seelenheil gefunden hat, denn er ist wahnsinnig geworden und trägt die opulenten Opale an seinem Gürtel, wird von dessen Schwester erschossen, ehe sie sich selbst eine Kugel in die Schläfe jagt.
Der Roman ist ein solider Spannungsroman, voller überraschender Wendungen und ausgezeichnet geschrieben. Die exotistischen Elemente sind unscheinbar und gekonnt in Szene gesetzt, die ganze Romankonstruktion ist ebenso wie das atmosphärische Beiwerk gelungen. Die beiden Rubiner, Vater und Sohn, hatten wirkliches Talent und waren ihrer Zeit voraus.