Edward Brooker [ungelöstes Pseudonym]: »Achtung … Gas!«, 1932
von Mirko Schädel
Edward Brooker [ungelöstes Pseudonym]: Achtung … Gas!, Berlin: Eden-Verlag 1932, Eden-Kriminal-Bücherei Band 78, 191 Seiten, Umschlaggestaltung von dem Werbebureau De Buley
Edward Brooker scheint wohl das unaufgelöste Pseudonym eines deutschen Autors zu sein.
Achtung … Gas, 1929, ist ein recht ungelenker, etwas hölzerner thriller im Stil von Edgar Wallace oder Sax Rohmer, der mit dem Mord an einem Prof. Morel beginnt. Prof. Morel, das Stereotyp eines Professors, lebt zurückgezogen in einem Haus in London, dessen Fenster er hat zumauern lassen. Der Sonderling und Erfinder telefonierte kurz vor seinem Ableben mit einem Beamten von Scotland Yard, bat um Hilfe und gab seine Adresse durch – anschließend wurde das Gespräch abrupt beendet. Der leitende Beamte von Scotland Yard findet nur noch die Leiche des enthaupteten Professors in dessen mit orientalischen Kunstwerken vollgepropften Haus. Seltsam ist nur, daß die Polizei das Haus bereits durchsucht und nichts gefunden hatte, und erst kurz darauf von einem Geräusch im ersten Stock aufgeschreckt wurde. Nach der darauf folgenden zweiten Durchsuchung des Obergeschosses finden die Beamte dann die Leiche des Professors und können sich den Hergang des Mordes nicht erklären.
Je eine lebensgroße Buddha-Skulptur befindet sich in jedem der drei Zimmer des Hauses. Natürlich vermutet die Polizei einen Geheimgang im Hause, doch die Beamten finden diesen vermeintlichen Geheimgang nicht.
Anschließend hören die Beamten Geräusche im Erdgeschoß und hetzen die Treppe hinunter. Das indische Hausmädchen wird sterbend mit einem Messer im Rücken vor einer Buddha-Skulptur aufgefunden. Vom Mörder findet sich keine Spur.
Nachdem der spektakuläre Fall sich nicht recht aufklären läßt, wird der berühmte Detektiv Graham auf den Fall angesetzt. Aufgrund eines unscheinbaren Geschäftsbriefs, den einer der Beamten auf dem Schreibtisch des Ermordeten gefunden hatte, geht Graham davon aus, daß Prof. Morel in geschäftlichen Beziehungen zu einem Bankier namens Hastings gestanden haben muß. Zufällig bewohnt dieser Bankier das Nachbargebäude und erscheint Graham äußerst verdächtig. Graham beginnt mit der Observierung von Hastings. Sein Helfer wird sogar in die Rolle einer wasserstoffblondierten Sekretärin schlüpfen um den Verdächtigen besser überwachen zu können.
Die überaus konstruierte Geschichte wirkt zeitweise wie eine unfreiwillige Parodie auf das Genre und ist gespickt mit rassistischen Stereotypen von hünenhaften und minderbemittelten Farbigen und einem rätselhaften, bösartigen Chinesen. Dazu wertet unser unbekannter Autor den Text mit einem rätselhaften Giftgas auf, das der offenbar geisteskranke Hastings für seine diversen Mordanschläge benutzt. Graham und sein Helfer treten in allerlei völlig unrealistischen Verkleidungen und Maskeraden auf, ebenso wie der Schurke Hastings, der wie eine multiple Persönlichkeit unter verschiedenen Namen und Erscheinungsformen seinen Häschern immer wieder geschickt entschlüpft. Hastings flieht nach Paris, kehrt aber nach einem mißglückten Mordanschlag auf Graham zurück nach London, wo er wohl in einem Anfall von Selbstüberschätzung der Bevölkerung Londons mit der Auslöschung droht.
Der verrückte Bankier Hastings ist in Wirklichkeit der angeblich ermordete Prof. Morel, letzterer hatte Schulden bei Hastings und ermordete dann seinerseits den erfolgreichen Bankdirektor. Da beide von ähnlicher Gestalt waren, wechselte Prof. Morel kurzerhand seine Identität und gab sich als Bankier Hastings aus. Prof. Morel war der Erfinder eines Giftgases, das an einen argentinischen Patenthändler verkauft werden sollte, der seinerseits die Erfindung mit Hilfe der Rüstungsindustrie auswerten wollte. Der Professor führte schon seit Jahren ein Doppelleben und war der heimliche Kopf der Unterwelt von London und auch von Paris. Am Ende erlegt Graham den Schurken wie ein edles Wild in seinem eigenen Bau.
An Unglaubwürdigkeit läßt der Text nichts zu wünschen übrig. Der Roman ist aber derart unglaubwürdig, daß dagegen selbst die Grimm’schen Märchen überaus realistisch wirken. Es sollte jedem Autor schwer fallen das Niveau dieses mühsam zusammengezimmerten Romans qualitativ zu unterbieten.
Daß der Autor seinen Klarnamen verschleiert angesichts dieses mißglückten und dem puren Schwachsinn verpflichteten Romans, trifft bei mir als Leser auf durchaus großes Verständnis. Der Ruf dieses zweifelhaften Autoren ist damit für allezeit ruiniert. Das Buch erinnert mit seiner bodenlosen Niveaulosigkeit an die Aura der Werke von Berg Berger alias Wolfram von Hanstein. Ich hätte nicht für möglich gehalten, daß es ähnlich grausam schlechte Romane wie die des Berg Berger hätte geben können. Aber die Umschlaggestaltung des Machwerks ist reizend.