T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Edgar Strobel: »Der Mann ohne Gestern«, 1935
von Mirko Schädel



Edgar Strobel: Der Mann ohne Gestern, Berlin: Eden-Verlag 1935, Sammlung Große Kriminalromane Band 10, 256 Seiten, Schutzumschlag von Felix Kube


Edgar Strobel, 1899–1973, ist ein deutscher Unterhaltungsschriftsteller gewesen, der vor allem für seine Western in der Billy-Jenkins-Reihe bekannt war, wo er unter dem Pseudonym Nils Krüger veröffentlichte.

In dem Roman Der Mann ohne Gestern, 1935, dreht sich alles um englische 5-Pfund-Blüten, einen ermordeten Schweizer Kupferstecher namens Zogg, dem irischen Freiheitskampf und diversen halbseidenen Figuren, die eine idealistische Idee aus materialistischen Gründen mißbrauchen.

Der Meister-Kupferstecher Zogg weilt mit ein paar Falsifikaten in Berlin, wo er noch einige Korrekturen an seinen Druckplatten vornehmen will, denn die letzten Blüten aus seiner Werkstatt weisen noch einige kleinere Fehler auf. Diese falschen 5-Pfund-Noten sollen später in Massen gedruckt und unter die Leute gebracht werden, damit das britische Pfund einen erheblichen Vertrauenverlust gewärtigt und somit der Wirtschaft bedeutende Schwierigkeiten bereiten soll. Das ganze ist von irischen Freiheitskämpfern im Sinne eines ökonomischen Terroraktes erdacht. Doch um die Blüten in Umlauf zu bringen, bedienen sich die Idealisten eines zwielichtigen Kriminellen.

Zogg wird nach seinem eintägigen Aufenthalt in Berlin von einer Figur namens Gentleman-Harry ausgeraubt. Harry nimmt lediglich Zoggs Brieftasche in der einige der falschen Banknoten in sehr guter Qualität stecken. Noch in der gleichen Nacht wird Zogg in seinem Hotelzimmer erstochen – und die Druckplatten werden offensichtlich entwendet.

Ein gewisser Mr. Taylor, der im Auftrag der Bank von England und Scotland Yard tätig ist, sowie Gentleman-Harry, Kriminalkommissar Winter und ein weiterer Kriminalbeamter arbeiten Hand in Hand bei der Auflösung des Falls. Dem Leser bleibt jedoch unklar, inwieweit die Tätigkeit Mr. Taylors und des Gentleman-Harry gesetzeskonform ist, oder ob die beiden Engländer nicht doch ganz eigene Interesse verfolgen.

Zu Beginn gerät ein italienischer Marchese unter Mordverdacht, doch nach und nach kristallisiert sich der reiche Holländer Kerkhoven als möglicher Drahtzieher heraus. Man kann Kerkhoven jedoch nichts nachweisen. Es gibt weder Beweise für Kerkhovens Beteiligung an dem Mord, noch gibt es Hinweise dafür, daß der Holländer in die Falschgeldaffäre involviert ist.

Gentleman-Harry, der sich später als Inspektor von Scotland Yard zu erkennen gibt, ist derjenige, der noch am ehesten die Verwicklungen des Kriminalfalls durchschaut, nur ist er in die junge Sekretärin Kerkhovens verliebt, und wenn er nicht gerade mit Ermittlungen beschäftigt ist, widmet er sich den Annäherungsversuchen an diese junge Dame.

Der Roman bedient sich eines leicht ironischen, komödiantischen Tons im Stil der ausgehenden 1920er und frühen 1930er Jahre. Auffallend ist die sprachliche Qualität und die präzise Konstruktion des Romans. Strobel konnte schreiben, und einige Passagen sind wirklich gelungen, auch wenn ich persönlich diese Art des Kriminalromans nicht besonders schätze. 

Selbst die melodramatischen Szenen sind nicht störend, sondern eher witzig und unpathetisch. Der Autor scheint Sentimentalitäten zu vermeiden. Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren dieser Zeit, erweist sich Strobel als solider Autor, wenngleich bestimmte Stereotype in dieser Zeit unvermeidbar zu sein scheinen – wie zum Beispiel die typischen Männer- und Frauenklischees.

Hinweise auf das sich ausbreitende Deppentums des Nationalsozialismus zeigen sich nur ganz am Rande, politischer Ehrgeiz findet sich nicht. Und eine größere Straffung hätte dem Roman nicht geschadet, dann wäre eine größere Dynamik der Ereignisse möglich gewesen.

Mit einigen Figuren läßt uns der Autor ziemlich allein, denn der Leser kann sie nicht wirklich zuordnen, was aber gleichzeitig ein geschickter Kunstgriff ist und die Spannung erhöht. Die Hauptfigur des Gentleman-Harry ist für den Leser über weite Strecken eine zwielichtige Type, denn der Leser erfährt kaum etwas über seine wahren Absichten und ganz nebenbei erfährt man, daß er auch einige Zeit im Gefängnis gesessen hatte. Erst am Ende des Buchs rückt der Autor mit Harrys wahrer Identität heraus, nämlich daß Harry ein britischer Inspektor ist – und also auf der Seite des Gesetzes steht.