T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Carroll John Daly: »Die verborgene Hand«, 1933
von Mirko Schädel



Carroll John Daly: Die verborgene Hand, Leipzig: Ernst Oldenburg 1933, Oldenburg-Romane, 252 Seiten, Schutzumschlag von Kurt Werth


Carroll John Daly, 1889–1958, war ein amerikanischer Schauspieler, Kinobesitzer, und Verfasser von hard boiled-Kriminalromanen, die seinerzeit äußerst populär waren. Daly war ein Garant für höhere Auflagen der damaligen Pulps, zum Beispiel dem bekanntesten mit dem Titel Black Mask, das angeblich 15 % mehr Hefte verkaufte, wenn Daly auf dem Titel genannt wurde.

Tatsächlich dürfte es sich bei diesem Roman um eines der ersten Zeugnisse dieser neuen,  amerikanischen Gattung der hard boiled-Krimis in Deutschland gehandelt haben. Und das, was wir an den Romanen von Chandler und Hammett so schätzen, zeigt sich auch hier dank einer adäquaten Übersetzung von Hansi Bochow-Blüthgen.

Die verborgene Hand, 1933, beginnt mit einer geschickten Selbstreflexion unseres Helden Race Williams, der sich als zielstrebiger, gewaltbereiter Privatdetektiv zu erkennen gibt, der den einen oder anderen Widersacher auch schon ins Jenseits befördert habe. Williams ist in gewisser Hinsicht ein Vorläufer und eine Weiterentwicklung von Chandlers Philip Marlowe.

Doch die Zeiten sind schlecht für die Branche der Privatdetektive, und so wartet Williams auf ein lukratives Angebot eines Klienten. Tatsächlich betritt einer seiner Kollegen sein Büro in New York und unterbreitet ihm ein Angebot, das Williams nur ausschlägt, weil er selbständig arbeiten will. Er soll eine Verbrecherorganisation in Florida zur Strecke bringen. Vier der Gangster sind namentlich bekannt, doch kann man ihnen nichts nachweisen. Von besonderem Interesse ist der bislang anonyme Boß der kriminellen Truppe, den man nur »Die verborgene Hand« nennt. Williams soll der Bande zu Leibe rücken und dann den Namen erpressen. Doch Williams lehnt ab.

Kurz darauf betritt ein Mr. Travers, ein älterer Herr das Büro, der entfernt an einen Prediger erinnert. Travers hat dieselbe Absicht, nämlich »Die verborgene Hand« aufzuspüren und der irdischen Gerechtigkeit zuzuführen. Der geheimnisvolle Mr. Travers legt Williams einen Scheck über 2500 Dollar auf den Schreibtisch, und Williams erklärt sich bereit zu dem Geschäft.

Nach dieser Zusammenkunft geht Williams noch einen Happen essen in einem Hotel in der Nähe, wo er Opfer eines Mordanschlags wird. Doch der verzweifelte Auftragsmörder wird seinerseits von einem Unbekannten erschossen, der sich hinter den Vorhängen verborgen hielt.

Auf dem Dampfer nach Florida entdeckt Williams einen der gesuchten Gangster. Er macht diesem den Vorschlag den Namen des großen Unbekannten auszuplaudern, im Gegenzug soll er nicht weiter juristisch belangt werden. Doch noch in der Nacht erfolgt ein zweiter Mordanschlag auf Williams, den dieser mit Hilfe einer jungen Dame namens Tina abwehren kann.

Dieses Katz-und-Maus-Spiel setzt sich jetzt mit ziemlicher Rasanz fort, Williams stürzt von einer gefährlichen Situation zur nächsten, »Die verborgene Hand« hat 50.000 Dollar auf seinen Kopf ausgesetzt, doch Williams schlägt sich wacker und arbeitet sich an der Liste der Gangster ab.

Ich persönlich bin überhaupt kein Freund von actionbetonten Kriminalromanen, die mich in der Regel langweilen. Doch hier ist Spannung garantiert, der Text ist aufgund seiner ungewöhnlichen Sprachbilder, seines Tonfalls und seiner Figuren durchaus alles andere als langweilig.

Williams räumt also in der organisierten Kriminallität Floridas auf und schafft dementsprechende Unruhe in diesen Kreisen. Ganz nebenbei stellt er sich schützend vor jene Tina, von der Williams glaubt, sie habe ihm auf dem Dampfer das Leben gerettet, als man ihn mit Gas unschädlich machen wollte. Tina ist Teil der Gangsterbande, aber sie scheint unfreiwillig das Opfer dieser Organisation zu sein. Außerdem ist Williams von der charakterlichen Güte seines Schützlings überzeugt.

Williams erledigt einen Gangster nach dem anderen, naturgemäß immer unter Einsatz seines eigenen Lebens. Am Ende überlistet er »Die verborgene Hand« und ist doch recht überrascht, da dieser Gangsterboß mit seinem unscheinbaren und geheimnisvollen Auftraggeber Mr. Travers identisch ist.

Die melodramatische Liebesgeschichte von Tina und Williams ist recht einseitig, denn Williams kann sich das Leben als geordneter Familienvater und Ehemann einfach nicht vorstellen. Es schmeichelt sicher seine Eitelkeit von der hübschen, jungen Dame geliebt zu werden, doch er selbst betrachtet die junge Dame eher als guten Kumpel, den man vor seinen eigenen Dummheiten beschützen muß.

Die ganze Geschichte ist selbstverständlich nichts anderes als gehobener Unsinn, die ganze Geschichte wirkt überzeugend – ist aber doch gleichzeitig eine Superheldengeschichte, die über keinelei realistische Bezüge verfügt.

Das, was das Buch so wertvoll macht, abgesehen vom Unterhaltungswert, ist die Form dieser Prosa und der Tonfall, in dem die Geschichte erzählt wird. Diesen speziellen, leicht sarkastischen und hyperrealistischen Ton hat es bei Chandler erst in den 1940er Jahren gegeben. Dieser  Typhus des brutalen Pragmatikers eines Detektivs, dieses einsamen Wolfs, der ganz im Gegensatz zu all den altbekannten Gentleman-Detektiven steht, gab es in Deutschland erst nach der Zeit des allgemeinen Nazideppentums und bedeutete gleichzeitig den Ruhm für Verlage wie zum Beispiel den Nest-Verlag in den 1950er Jahren, der für seine amerikanischen hard boiled-Krimis bekannt war. Dalys Figur Race Williams ist in gewisser Hinsicht ein pubertierender Philip Marlowe, eine neue Klasse von Detektiven, die sich an Daly’s Figur abgearbeitet haben.