T O D S P A N N U N G

 Raum für phantastische und serielle Spannungsliteratur des 19. und 20. Jahrhunderts von Robert N. Bloch und Mirko Schädel

Arthur Conan Doyle: »Der Teufel in der Böttcherei und andere Geschichten«, 1905

von Mirko Schädel


Arthur Conan Doyle: Der Teufel in der Böttcherei und andere Geschichten, Berlin: Steinitz 1905, 126 Seiten


Der Teufel in der Böttcherei ist eine kleine, feine exotische Abenteuer- und Horrorgeschichte, die glänzend geschrieben ist, wie fast alles von Conan Doyle. Doyle tummelte sich in verschiedenen Genres und war nicht nur für seine Erfindung des Sherlock Holmes berühmt. Seine phantastischen Romane sind ebenso meisterhaft und zeitlos wie seine Sherlock Holmes-Erzählungen.  Doch nur die erste Geschichte dieser Anthologie stammt von Conan Doyle.

In Der Teufel in der Böttcherei schippert der Naturforscher und Schmetterlingssammler Heldrum auf seiner Privatyacht von Senegal kommend vor der Küste Westafrikas. Die Yacht steuert durch die seichte See vor einer unbedeutenden Insel mit einer britischen Handelsniederlassung, wo Heldrum beabsichtigt seltene Schmetterlinge zu finden.

Zwei Repräsentanten der Handelsniederlassung namens Mr. Walker und Dr. Severall heißen den Käpitän Heldrum willkommen. Heldrum läßt sich später zu einem vorzüglichen

Gastmahl nieder und unterhält sich mit den beiden Gastgebern. Das giftige tropische Klima setzt offenbar allen gleichzeitig zu. Vom Binnenland kommend fließt ein Fluß ins Meer, dessen braunes Wasser unzähliges Schwemmgut transportiert. Faulende Bäume des Regenwaldes treiben in der Bucht vor der Insel, ehe die Strömung irgendwann das Schwemmgut ins Meer spült. Dr. Severall lädt den Gast zu einem Rundgang in der Umgebung ein, während Mr. Walker das Essen zubereitet.

Heldrum wundert sich, daß er keine schwarzen Arbeiter zu sehen bekommt und fragt Dr. Severall danach, doch dieser antwortet ausweichend und vertröstet den Kapitän. Als die beiden die Böttcherei betreten, erzählt Dr. Severall die Geschichte von zwei spurlos verschwundenen schwarzen Männern, die die Eisenbleche in der Böttcherei nachts bewachen sollten. Jene Bleche mit denen man die Holzfässer beschlägt sind ein begehrtes Diebesgut. Doch eines Nachts verschwand ein schwarzer Arbeiter spurlos, drei Tage darauf verschwand dann der nächste Schwarze ebenso spurlos, so daß die Arbeiter, die sich das Verschwinden ihrer Kollegen nicht erklären können, jede dritte Nacht die Böttcherei meiden, und überhaupt die Insel meiden, stattdessen übernachten die Arbeiter auf einem Schiffswrack in der Bucht, denn sie sind abergläubisch und ängstlich.

Später verzehren die drei Männer Mr. Walkers eigenhändig fabriziertes Mahl, doch schon kurz darauf wird Walker von Malaria-Anfällen geschüttelt und beginnt zu delirieren. Heldrum und Dr. Severall schaffen den Kranken ins Bett. Als Dr. Severall erklärt nun in der Böttcherei zu nächtigen und dort Wache zu halten um das Rätsel der verschwundenen Arbeiter zu lösen – denn es ist wieder die dritte Nacht nach dem letzten geheimnisvollen Vorfall – da erklärt sich Heldrum solidarisch, gibt seiner Mannschaft auf der Yacht Zeichen, daß er auf der Insel bleiben werde und begibt sich mit Dr. Severall in die Böttcherei. Die beiden richten sich halbwegs bequem ein, die Nacht in den Tropen ist recht kühl. Dr. Severall greift sich ein Buch und liest stundenlang, während Heldrum auf verdächtige Geräusche lauscht. Nach einigen Stunden glaubt der eine einen Schatten vor dem Fenster gesehen zu haben, doch wird diese Beobachtung bald wieder verworfen.

Irgendwann beginnt es zu dämmern, und die beiden Männer raffen sich auf und wollen nach dem kranken Walker sehen, doch dieser ist eine leblose Hülle. Seine gesamtes Knochengerüst ist zu Brei zermahlen und der Körper Walkers liegt in einer verdrehten, unnatürlichen Haltung auf dem Bett.

Dr. Severall und Heldrum können sich dieses Unglück nicht erklären. Doch echte Briten stärken sich erst einmal an einem englischen Frühstück, das sie auf der Yacht zu sich nehmen wollen. Auf dem Weg dorthin unterhalten sich die beiden über die rätselhaften Vorkommnisse, das Gespräch dreht sich in eine okkulte Richtung. Als die beiden das Schiff erreichen, sehen sie ein Besatzungsmitgleid, das mit starrem Blick und sehr aufgeregt auf ein etwas hinweist, das im Wasser treibt.

Ein riesiger Tropenbaum treibt auf dem Wasser, von diesem schaut in der Haltung einer Galionsfigur ein grauenvolles Gesicht, monströs und groß wie ein Bierfaß, blickt auf die Yacht. In einer Höhlung des Baumriesen liegt der aufgerollte Leib dieser Riesenschlange. Im nächsten Augenblick ist der Baum samt Ungeheuer an der Yacht vorbeigetrieben dem offenen Meer zu. Auf die Frage, was das zu bedeuten habe, entgegnet einer der beiden: Das war unser Teufel aus der Böttcherei, eine Riesenschlange aus Gabun, die sich alle drei Tage einen Arbeiter geholt hatte. Nur in der letzten Nacht wurde sie durch das Licht in der Böttcherei gestört.


Die zweite Geschichte mit dem Titel Das Trauerspiel im Palazzo Bardello schrieb Amelia B. Edwards, 1831–1892. Es handelt sich dabei um eine rätselhafte Mordgeschichte. Der junge, erfolgreiche Schriftsteller Hugo Girdlestone verbringt mit seiner jungen Gattin den Honigmond in Rom. Ein wunderbarer Frühlingsmorgen läßt Girdlestone schon frühzeitig in die Stadt gehen, wo er ein selten schönes, geschnitztes Kruzifix kauft um es seiner Angebeteten, die eine treue Katholikin ist, zu schenken. Als er zurück in seiner angemieteten Wohnung ist, erklärt das Hausmädchen, seine Gattin schlafe noch. Er schleicht sich in das Schlafzimmer und kurz darauf entdeckt Girdlestone die außerordentliche Blässe seiner schlafenden Gattin. Er berührt sie und entdeckt, daß ihr Körper erkaltet ist. Er weiß im nächsten Augenblick, daß sie bereits seit einiger Zeit tot sein muß. Wie im Traum nimmt er wahr, wie sich die Wohnung mit Beamten, dem Doktor und Schaulustigen füllt. Der Arzt entdeckt eine nadelstichartige Verletzung über dem Herzen. Es handelt sich also um Mord, doch alle Nachforschungen und Verdächtigungen führen ins Leere. Nachdem sich Girdlestone einigermaßen gefaßt hat, beschließt er an dem Mörder seiner Frau Rache zu nehmen. Er bietet ein Vermögen für Hinweise und läßt Plakate in Rom anschlagen. Als dies alles keinerlei Erfolg zeitigt, beginnt er sich in die Stadtteile des Verbrechens und der Armut zu begeben, lernt den italienischen Jargon der Gauner und kommt doch der Lösung des Rätsels nicht näher.

Eines Tages, der Mord ist bereits zehn Monate her, hört er zufällig ein paar Herren über einen neuen, schockierenden Mord sprechen. Er mischt sich in das Gespräch ein und erfährt, daß ein achtjähriger Junge, Sohn eines Bäckers, ermordet worden sei. Er sucht den Tatort auf und befragt die Familie mit viel Einfühlungsvermögen. Er sieht die gleiche Art Stichverletzung auf dem Leichnam des Jungen, wie er dies schon bei seiner Frau sah. Ihm wird klar, daß es sich um denselben Mörder handeln muß. Im weiteren Gespräch mit dem Vater wird er darauf aufmerksam, daß der Sohn tags zuvor der Kommunion zugeführt wurde und daß ein Jesuit in besonderer Weise dem Kind nahegestanden habe.

Girdlestone beschließt diesen Jesuiten aufzusuchen und mit dem Mann zu sprechen. Er kommt gerade in die Kirche der Jesuiten, als der Gesuchte gerade mitten in einer Predigt auf der Kanzel steht. Als er den jungen Jesuiten sieht, wird ihm klar, daß dies der Mörder sein muß, denn dieser Mann war ebenfalls mit seiner jungen Gattin vertraut. Während der Predigt gerät der Redner ins Stocken und verliert sich in einem Stammeln. In diesem Augenblick läßt sich Girdlestones Stimme hören, der laut und vernehmlich erklärt, daß dieser Mann ein Mörder sei.

Gleich darauf erscheint ein anderer Jesuit an Girdlestones Seite und erklärt, daß letzterer wohl recht habe. Der fragliche Priester sei verrückt geworden und man beobachte schon seit einiger Zeit dessen merkwürdige Verhaltensweisen. Offenbar war der Mörder besessen davon vollkommen unschuldige Seelen dem lieben Gott zuzuführen. Nachdem man ihn verhaftete, wurde er restlos tobsüchtig. Girdlestone kehrt zurück nach England, wo er nicht wieder heiratete und ein einsames und abgeschiedenes Leben führte.


Die dritte Geschichte mit dem Titel Das Abenteuer in der Teufelsschlucht stammt von einem völlig unbekannten Autoren namens R. Fryer. Die Geschichte wurde Mitte der 1880er Jahren in zahlreichen amerikanischen Feuilletons meist anonym abgedruckt.

Zu Beginn erzählen sich mehrere Goldgräber am Lagerfeuer Geschichten. Als von einem Leichenfund an der Teufelsschlucht berichtet wird, wird Old Grizzly, ein älterer Goldgräber nervös. Der Tote fand sich in einer Hähle, hatte ein paar Nuggets bei sich und man konnte keinen Zugang zu der Höhle finden. Auch scheint der Mann schon seit langem dort gelegen zu haben, denn seine Kleidung ist zu Staub verfallen, der Körper ist nunmehr lediglich ein Haufen Gebeine und an einem Fingerglied steckt ein seltsamer, orientalischer Goldring.

Old Grizzly hört sich die Geschichte an und hebt dann seine Stimme um selbst eine Geschichte zum Besten zu geben, denn er vermutet die Herkunft des Leichnams zu kennen. Er erzählt, wie er vor 20 Jahren mit einem Holländer befreundet war, der ebenso Goldgräber war, wie er selbst. Die beiden Männer freundeten sich an und beschlossen einige Zeit in San Francisco zu leben und dort ihr Gold in Banknoten zu wechseln.

Die beiden reiten durch die Teufelsschlucht, wo sie sich verirren. Der Holländer gibt Spukgeschichten zum besten, die sich um die weiße Hexe der Teufelsschlucht drehen, einer Art Vampir oder Sirene, die den streunenden Männer in der Teufelsschlucht zum Verhängnis wird. Denn jeder, der sich auf die Dame eingelassen hat, verschwindet fortan spurlos.

Old Grizzly erzählt, wie die beiden Freunde in der Teufelsschlucht lagern wollten, denn die Dunkelheit hatte sie überrascht. Doch nach einigen Metern wurden sie auf ein Haus aufmerksam, von dessen Existenz sie noch nie gehört hatten. Das Haus war stark von innen und außen beleuchtet – und der holländische Freund riß seinen Freund am Ärmel hinter sich her um das Haus zu betreten. Im Hause waren hunderte von Kerzen entzündet, und im Kamin wütete ein gewaltiges Feuer. Menschen, die an Zigeuner erinnern, schwatzten und tanzten. Eine eigentümliche, blasse junge Dame trat in den Raum und zog den Holländer in seinen Bann. Das Paar schien sich seit langem zu kennen. Der holländische Freund glaubte bereits schon einmal in diesem Hause gewesen zu sein, er öffnete einen Schrank und holte ein altertümliches Kostüm aus dem Kasten. Überhaupt war das gesamte Interieur altertümlich, wie aus der Zeit gefallen und zeugte von großem Reichtum. Die Bewohner begannen Musik zu machen und zu tanzen. Auch der Holländer, der bereits äußerst vertraut mit der blassen Mamsell war, tanzt wie ein Derwisch. Aber langsam schwand die Kraft des Holländers, der am Ende wie ein lebender Leichnam am Boden lag.

Old Grizzly schwanden die Sinne. Er erwachte erst am nächsten Morgen und fand sich unter einem Felsen lagernd, doch sein Erwachen beunruhigte ihn, denn er war allein. Der Holländer war fort, sein Pferd ebenso. Old Grizzly suchte nach seinem Freund und ritt systematisch die Teufelsschlucht ab, aber irgendwann wurde er zum Aufgeben gezwungen, denn er fand keine Spur seines verlorenen Freundes. Old Grizzly ahnte, daß der Holländer der weißen Hexe zum Opfer gefallen war und nicht mehr unter den Lebenden weilte.

Als Old Grizzly die Geschichte beendet, meldet sich ein Fremder, der von draußen hinzugekommen war. Der Fremde erweist sich als jener verlorene Freund, der jahrelang auf See war und erst vor kurzem zurückgekommen sei. Der Holländer gesteht, daß er seinem Freund Old Grizzly einen Streich gespielt habe. Er habe ihm eine Pille gegeben, die mit Haschisch versetzt war. Diese Droge habe er ihm nach all den Spukgeschichten gegeben, die er vorher erzählt hatte. Danach beobachtete der Holländer seinen Freund, der tief in einen Rausch geriet, der nahtlos in Schlaf überging. Um den Streich komplett zu machen, sei er am Morgen allein weitergereist, während Old Grizzly noch in seinen seltsamen Träumen verstrickt war.


Die letzte der vier Geschichten ist anonym unter dem Titel Ein medizinisches Geheimnis erschienen, den Autor habe ich nicht verifizieren können. Die Geschichte scheint um 1896 in diversen Feuilletons veröffentlicht worden zu sein.

Ein Detektiv namens Mr. Somers wird schon vor seinem Bureau abgepaßt von einem Mr. Klincaid. Dieser erzählt ihm, es habe sich die ganze Familie Klincaid in der Nähe von London versammelt um ein geschäftliches Problem zu klären. Doch gestern sei völlig überraschend Edward Klincaid gestorben. Kurz nach dem Essen seien die Familienmitglieder aufgestanden und hätten Zigarren geraucht, dabei sei Edward zusammengebrochen und war auf der Stelle tot. Der Tod Edwards sei völlig unerklärlich, es müsse sich um einen Mord handeln. Auch ein Verwandter sei anwesend, der aus der Art geschlagen sei und lange in Südamerika gelebt habe. Somers solle gegen ein großzügiges Honorar mit an den Tatort kommen.

Somers willigt ein und macht sich mit der Familie Kincaid vertraut. Er untersucht den Tatort und führt Gespräche mit einigen Beteiligten. Das verdächtige Familienmitglied macht auch auf Somers einen nachteiligen Eindruck. Als das interessanteste Beweisstück sichert Somers den Zigarrenstumpen, den Edward kurz vor seinem Ableben geraucht hatte. Somers wendet sich an einen Zigarrenspezialisten, der ihm erklärt, daß es keine zweite Zigarre dieser Art auf dem Markt gäbe, denn sie sei zwar einer bestimmten Marke aus Kuba ähnlich, doch scheint dieses Exemplar mit der Hand gedreht worden zu sein und sei nicht identisch mit den bekannten Marken. Nach dem Somers diese Information erhalten hat, besucht er einen berühmten Chemiker, der die Zigarre zerkleinert und analysiert, aber letzterer kann nichts verdächtiges wahrnehmen.

Somers kehrt zu den Klincaids zurück. Er erhält die Erlaubnis das Zimmer des verdächtigen Harry zu benutzen. Harry wird erklärt, Somers sei ein alter Freund der Familie und benötige etwas Ruhe. Somers entdeckt, daß Harry sorgfältig alle Laden und Fächer gut verschlossen hält, nur sein Rock hängt an einem Haken. Somers widmet sich der Untersuchung des Rocks und entdeckt, wie er erwartete, das Zigarrenetui. Er nimmt sich eine Zigarre und untersucht diese, doch er kann lediglich feststellen, daß diese Zigarren identisch sein müssen mit jener, die Edward vor seinem Tode geraucht hatte.

Dann klopft Harry an die Tür und bittet um Einlaß, Somers steckt hastig das Etui zurück in den Rock und wendet sich dem Waschbecken zu, wo er sich die Hände wäscht, während Harry das Zimmer betritt. Im Spiegel kann Somers den Verdächtigen beobachten und beobachtet, wie dieser in die Tasche seines Rocks greift und sein Zigarrenetui untersucht. Mit zufriedener Miene steckt Harry sein Etui zu sich.

Am Abend nach dem Essen werden die obligaten Zigarren gereicht. Harry bietet auch einem seiner Verwandten eine seiner Zigarren an, doch der lehnt dankend ab und raucht lieber eine Zigarette. Harry entzündet seine Zigarre und raucht, kurz darauf schreit und wütet Harry, reißt das Tischtuch von der Tafel und stürzt auf den Boden, wo er von Krämpfen geschüttelt verstirbt.

Somers greift sich die Zigarre und läßt diese später wiederum bei dem Chemiker untersuchen. Dieser stellt fest, daß sich eine seltsame, blaue Substanz in der Zigarre befindet. Es scheint sich um ein unbekanntes Gift zu handeln, das Harry womöglich von den südamerikanischen Indios bekommen hatte. Somers wird klar, daß er die Ursache dafür war, daß Harry starb, denn er selbst hatte die Ordnung in Harrys Zigarrenetui durcheinander gebracht – so daß Harry wohl irrtümlich eine seiner vergifteten Zigarren rauchte.