A. Fielding: »Schritte im Dunkeln«, 1928
von Mirko Schädel
A. Fielding: Schritte im Dunkeln, München: Knorr & Hirth 1928, MI-Romane, 222 Seiten
A. Fieldings Biographie ist ein Mysterium. Es gibt Leute, die behaupten A. Fielding sei ein Pseudonym von Agatha Christie gewesen, andere wieder glauben es handelt sich um eine Dorothy Feilding usw. Sicher ist nur, daß die Dame Engländerin war, sehr gern gärtnerte und rund zwei Dutzend Kriminalromane in den Jahren 1924–1945 veröffentlichte, die sicherer Bestandteil der Goldenen Ära des Kriminalromans waren. Ein Serienheld ihrer Romane ist der Oberinspektor Pointer. Ihre frühen Romane orientierten sich an den Kriminalromanen von Freeman Wills Crofts, die sich durch die detaillierte Beschreibung der polizeilichen Ermittlungsarbeit auszeichneten, während Fieldings spätere Bücher sich mehr an den Krimis von Agatha Christie anlehnten, die vor allem mit ihren überraschenden Wendungen aufwarteten.
Schritte im Dunkeln, 1928, wurde ausdrücklich vom deutschen Verlag als gekürzte Fassung ausgewiesen, obwohl die meisten Krimis dieser Zeit in deutschen Übersetzungen ohnehin gekürzt und bearbeitet wurden. Ungekürzte Ausgaben waren eher die Ausnahme. Die Übersetzung des Romans ist holprig und demzufolge gewöhnungsbedürftig.
Mrs. Tangye wird in ihrem Haus in Twickenham auf einem Stuhl sitzend erschossen aufgefunden. Eine Schußwaffe liegt auf dem Boden unter ihrer linken Hand. Gleich drei Ermittler beschäftigen sich mit diesem Fall, der wechselweise als Unfall, Selbstmord oder Mord betrachtet wird. Oberinspektor Pointer, dem einige rätselhafte Details auffallen, ist der Ansicht, daß es sich um einen wohldurchdachten und geplanten Mord handeln muß, während sein Untergebener Haviland sich orientierungslos immer der offensichtlichsten Meinung anschließt. Dann ist da noch der angesehene Journalist und Kriminalpsychologe Wilmot, der von einer Versicherungsgesellschaft angeheuert wird diesen Fall zu klassifizieren. Er neigt zu der These, daß Mrs. Tangye Selbstmord verübt habe – und in diesem Fall muß die Versicherungsgesellschaft natürlich nicht zahlen.
Oberinspektor Pointer ist über weite Strecken der geniale Kriminalbeamte, der die Handlung vorantreibt und die abstrusen Zeugenaussagen sortiert, so daß er langsam verschiedene Theorien entwickelt. Pointer ermittelt so lange bis seine Ergebnisse sich an die Gegebenheiten des Tatorts und den Zeugenaussagen anpassen, daß sie plausibel erscheinen. Er bedient sich sozusagen eines logischen Ausschlußverfahrends bezüglich seiner Tatverdächtigen.
Es ergeben sich mehrere mögliche Täter, doch nach und nach erweisen sich alle Tatverdächtige als unschuldig, so daß Pointer immer tiefer in die Vergangenheit der Mrs. Tangye einzudringen sucht. Während Wilmot über eine lange Strecke noch der Meinung zuneigt, daß es sich um einen Selbstmord gehandelt haben müsse, schaltet Pointer einen Tatverdächtigen nach dem anderen vom Tatvorwurf aus. Da ist zum einen der Ehemann, der offenbar kurz vor Mrs. Tangye Tod einen heftigen Streit mit seiner Frau hatte, denn Mr. Tangye sei von seiner Gattin mit einer anderen Frau gesehen worden. Mrs. Tangye habe ihren Mann darauf zur Rede gestellt und ihn ihres Hauses verwiesen. Dazu kommt erschwerend hinzu, daß Mr. Tangyes Firma in eine finanzielle Schieflage geraten ist, er schnellstens Geld braucht und dies nur mit Hilfe seiner Frau bewerkstelligen kann.
Dann gibt es noch einen dubiosen Verwandten, der als möglicher Tatverdächtiger gehandelt wird, ein weiterer Verwandter gilt als Hauptverdächtiger, denn letzterer ist laut eines neu aufgetauchten Testaments der Alleinerbe von Mrs. Tangyes Vermögen und hatte kurz vor ihrem Tod noch eine beträchtliche Summe von ihr erhalten.
Auch die Gesellschafterin der Toten namens Miß Saunders, eine unangenehme Person, gilt als mögliche Tatverdächtige. Doch Pointer spürt, daß alle Spuren auf eine noch unbekannte Person weisen. Auch die Tatumstände sind äußerst absurd, denn Pointer ist der Auffassung, daß Mrs. Tangye mit einer umgebauten Kastenkamera erschossen wurde. Eine Schußwaffe wurde dazu in einer Kastenkamera neuester Bauart verborgen und derart prepariert, daß sie mit ihrem Auslöser mechanisch einen Schuß abgibt.
Pointer wühlt weiter in der Vergangenheit der Toten herum und stellt fest, daß die Tote bereits vor ihrer allseits bekannten ersten Ehe verheiratet gewesen ist. Dieser erste Ehemann scheint ein Krimineller gewesen zu sein und das junge Paar soll in einem Sturm auf dem Meer ertrunken zu sein.
Doch weder Mrs. Tangye noch ihr erster Mann ertranken, beide brachten sich getrennt von einander in Sicherheit und führten unabhängig voneinander ihr weiteres Leben in der Überzeugung, daß ihre Ehepartner tot seien. Kurz vor dem Tod der Mrs. Tangye sah sie also nicht nur ihren aktuellen Gatten mit seiner Geliebten auf einer Orchideenausstellung, sondern sie sah auch ihren ersten, totgeglaubten Gatten und stellte diesen zur Rede. Die beiden verabredeten sich in Mrs. Tangyes Haus, letztere sorgte dafür, daß sie ihren totgeglaubten ersten Gatten allein in ihrem Haus empfangen konnte. Dazu entfernte sie ihre Dienstboten unter einem Vorwand, ebenso verwies sie ihren Mann aus dem Haus.
Bis zu einem gewissen Punkt liest sich das Buch wie ein spannender und stark an der Ermittlungsarbeit Pointers orientierter Kriminalroman, doch dann werden die Verwicklungen, der Mord und das Motiv derart absurd und konstruiert, daß man seinen Augen nicht zu trauen wagt. Am Ende wird der Kollege und Freund Pointers, der ermittelnde Kriminalpsychologe Wilmot als erster Gatte der Mrs. Tangye identifiziert, der übrigens noch ein Doppelleben als polnischer Professor und Metaphysiker führt.
Diese hanebüchene Konstruktion, die noch von der holprigen Übersetzung flankiert wird, läßt den Leser in eine Art katatonische Schnappatmung verfallen. Warum die Autorin einen über weite Strecken spannenden und gutgeschriebenen Roman mit einer derartig lächerlichen, hanebüchenen Wendung geradezu vernichtet, bleibt für alle Zeiten ein Rätsel. Das Motiv für diesen Mord erschließt sich mir überhaupt nicht, jeder andere Tatverdächtige hatte logisch nachvollziehbare Gründe die Tat durchzuführen, doch der dieses abstruse Doppelleben führende Wilmot hatte keines. Die Andeutungen, die die Autorin zu dem Motiv Wilmots liefert, sind derart an den Haaren herbeigezogen und unglaubwürdig, daß man sich damit gar nicht auseinandersetzen möchte.
PS: Es lebe die freie, souveräne, demokratische Ukraine!