A. A. Müller: »Die gestohlene Bibel«, 1935
von Mirko Schädel
A[lbert] A[lois[ Müller: Die gestohlene Bibel, Olten, Konstanz: Walter Verlag 1935, 192 Seiten
Die gestohlene Bibel ist ein robuster, konventioneller Kriminalroman mit einem nicht zu verachtenden Vorteil, denn das Buch spielt im Milieu von Bibliophilen und Antiquaren und ist meiner
Meinung nach der erste deutschsprachige Krimis im 20. Jahrhundert, der sich dieses speziellen Sujets angenommen hat.
Albert Alois Müller, 1898–1976, war ein Schweizer Bibliothekar, der lange Jahre als Direktor der Zentral- und Hochschulbibliothek in Luzern tätig war, er referierte auch zum Thema Jugendschutz gegen Schundliteratur, Vortrag gehalten anläßlich der Jahresversammlung des Schweizer Bundes gegen unsittliche Literatur, 1931, Die Schmutzliteratur und ihre Bekämpfung, 1930, oder zum Wesen der katholischen Volksbibliotheken.
1935 veröffentlichte er jedoch seinen einzigen Roman Die gestohlene Bibel, der in einer nicht genannten Großstadt spielt. Im Außenbezirk dieser Stadt wurde ein ältererer Herr Namens Brunswick in seinem Haus ermordet. Der letzte Besucher war ein gewisser Herr Heymans, ein Antiquar aus der Stadt.
Die Tochter des Ermordeten bricht mit einem Nervenzusammenbruch zusammen und wird in eine Klinik geschafft. Den Fall übernimmt der junge Herr Dr. Ruland, der sich innerhalb der Kriminalpolizei noch die Sporen verdienen muß. Ihm an die Seite gestellt ist der alte und erfahrene Vize-Kriminalkommissar Rasmussen, der hofft, daß Dr. Ruland sich mit diesem Fall übernehmen wird und sich dann einem neuen, anderen Betätigungsfeld zuwendet, denn Dr. Ruland scheint mehr ein Intellektueller zu sein, wo doch die meisten Polizisten eher tatkräftige Pragmatiker sind.
Doch es kommt anders, als Rasmussen denkt, und Dr. Ruland, der auch seine Intuition zu Rate zieht, ist hartnäckig und scheint seine Sache besser zu machen, als alle Welt glauben mag. Das Motiv des Mordes bleibt vorerst im Dunkeln, erst im Verlauf wird klar, daß der ermordete Brunswick im Besitz einer alten Gutenberg-Bibel war, die ihm offensichtlich gestohlen wurde.
Die beiden unterschiedlichen Kommissare nähern sich behutsam an und arbeiten nach und nach in einem einträchtigen Team an der Auflösung des Falls, bei dem ganz nebenbei eine Einbrecherbande hochgenommen wird.
Am Ende wird klar, daß Brunswick, ein gieriger Bibliophiler war, der selbst eine Bande von Verbrechern angeworben hatte um die Gutenberg-Bibel stehlen zu lassen – und seiner kostbaren Büchersammlung einzuverleiben. Doch die Kriminellen witterten selbst einen gehörigen Gewinn und der Mörder hatte mit Brunswick noch eine alte Rechnung offen, so daß letzterer das angenehme mit dem nützlichen verband und Brunswick aus der Welt schaffte. Später verschafften sich die Kriminellen auch noch die Bibel, die in einer Truhe unauffällig versteckt war, und wollten sie zu Geld machen, doch bevor das gute Stück außer Landes geschafft werden konnte, wurden die Übeltäter von Dr. Ruland und Herrn Rasmussen gefaßt, die nach anfänglicher Antipathie nun die besten Kameraden sind.
Der Roman ist etwas behäbig und in seiner Art natürlich alles andere als sittenwidrig, also eher konservativer und konventioneller Natur, doch spannend ist das Buch tatsächlich – und wie schon erwähnt, das Milieu der Bibliophilen wird ganz zutreffend geschildert.